Berliner Debatte Initial
Fiktive Wahrscheinlichkeit
11 Seiten | Autor: Birger P. Priddat
Alles, was wir im Hinblick auf eine Zukunft entscheiden, beruht auf Erwartungen. Erwartungen bezeichnen mögliche Ereignisse, die im Zustand des Wartens noch hypothetisch sind, d.h. fiktional. Zu einer Realität gelangen sie erst, wenn sich aus den möglichen Ereignissen im Laufe eines Prozesses eines als Faktum herausbildet, d.h. sich realisiert. Die Realität dessen, was man erwartet, bildet sich in Marktprozessen heraus, die dadurch die Entscheidung, die man dafür trifft, nur initiieren, aber nicht entscheiden. Birger Priddat betrachtet in diesem Artikel Finanztransaktionen als relational-epistemische Phänomene. Er fokussiert dabei den Entscheidungsprozess selbst und stellt hierbei fest, dass gerade das Entscheidungskalkül dieses für viele Volkswirtschaften dominanten Wirtschaftssektors ästhetischen, spekulativen und fiktiven Mustern folgt.
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Wie faktisch ist das Postfaktische?
12 Seiten | Autor: Jan Söffner
Der Begriff des Postfaktischen ist, wie Jan Söffner zeigt, nicht geeignet für eine Beschreibung der gegenwärtigen Krise der Realität. Im Gegenteil sind es die zu vielen Fakten und ihr auratischer, die menschliche Urteilskraft marginalisierender Charakter, die den Anschein des Postfaktischen erzeugen. Diese These wird anhand eines theoretischen Essays auf ihre politischen Konsequenzen hin durchleuchtet.
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Wahrheit, Bullshit und Ignoranz
8 Seiten | Autor: Eva Illouz
Dieser Beitrag diskutiert die Gründe, warum der Begriff der Wahrheit obsolet geworden ist und wie er durch „Bullshit“ – wie es Harry Frankfurt nennt – und durch sozial organisierte Unwissenheit ersetzt wurde. Er entstand als Reaktion auf Armin Nassehis Beitrag über die Krise der Realität und die Realität der Krise, der ebenfalls zu diesem Themenschwerpunkt gehört.
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Wissenschaft und Kunst
9 Seiten | Autor: Armin Nassehi
Kunst und Wissenschaft etablieren seit je den begründeten Zweifel daran, dass die Welt so ist, wie sie auf den ersten Blick erscheint. So versetzen die Reflexionstheorien von Kunst und Wissenschaft – die Autonomisierung der Kunst durch Selbstbeobachtung und die Methodisierung der Wissenschaft durch Erkenntnis- und Wahrnehmungskritik – die moderne Gesellschaft in einen Krisenmodus, der ihr strukturell eigen ist. Beide, Kunst und Wissenschaft, verdoppeln die Welt: als Weltzugänge sind sie durch sich selbst bereits gebrochen und machen im Unterschied zu ökonomischen, politischen oder sonstigen Verdoppelungen dies explizit sichtbar. Auch wenn nichts ist, was es zu sein scheint oder vorgibt, stellt sich die Frage: Soll die Krise der Realität überwunden werden? Schlimmer: Können wir auf die Realität der Krise überhaupt verzichten?
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Krisen der Realität
3 Seiten | Autor: Karen van den Berg, Jan Söffner
Der Themenschwerpunkt versammelt Reflexionen und Ansätze zur Neusituierung des Realitätsbegriffs. Der Titel „Krisen der Realität“ mag dabei irritieren, denn, so könnte man fragen: Kann etwas so Unhintergehbares wie die Realität überhaupt in eine Krise geraten?
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Krisen der Realität
ISBN 978-3-945878-92-7 | ISSN 0863-4564 | 162 Seiten
Die Realität ist zum Zankapfel geworden. Die Streitereien darüber, was wirklich ist, werden heute nicht (oder nicht primär) in der Philosophie oder den Naturwissenschaften ausgetragen, sondern spielen sich auf verschiedenen öffentlichen Bühnen ab. Streitpunkt sind nicht Zweifel an der Existenz der Welt oder Fragen, die das Wesen der Wirklichkeit und deren Erkenntnis betreffen. In Zeiten „postfaktischer Politik“ ist der Streit zuallererst rhetorischer Natur. Die Realität ist ein Argument in aktuellen gesellschaftspolitischen Auseinandersetzungen, deren Kontrahenten sich gegenseitig Realitätsverlust, -verweigerung, -blindheit, -flucht, -verzerrung u.a.m. vorwerfen. Der jeweilige Gegner lebt demnach in einer Scheinwelt, gibt sich Illusionen hin, ist uneinsichtig, manipuliert oder lügt; man selbst hingegen hat den Durchblick, spricht Klartext und verfolgt nur lautere Zwecke. Die Realität, die man dabei in Anspruch nimmt, ist nicht eine Realität unter anderen, sondern die Realität im Singular – eine eindeutige, feststehende Sache. Die Suche nach Eindeutigkeit kann man als Reaktionen auf die Vertrauenskrisen verstehen, in die demokratische Politik, Massenmedien, Religion oder Wissenschaft geraten sind. Die acht Beiträge des Themenschwerpunkts Krisen der Realität gehen auf diese aktuellen Entwicklungen ein und zugleich über sie hinaus, indem sie sie in größere geistes- und kulturgeschichtliche Zusammenhänge einordnen. Aus unterschiedlichen fachwissenschaftlichen Perspektiven beleuchten die Autorinnen und Autoren Wendepunkte, an denen dominante Wirklichkeitsverständnisse hinterfragt und überwunden wurden. Sie problematisieren vereindeutigende und vereinfachende Sichtweisen auf das, was wir jeweils Realität nennen, und zeigen Alternativen hierzu auf. In ihrer Einleitung stellen Karen van den Berg und Jan Söffner die einzelnen Artikel vor und erläutern, wieso es an der Zeit ist, über Neufassungen des Realitätsbegriffs nachzudenken. Außerhalb des Schwerpunkts formuliert Loïc Wacquant vier Prinzipien, die man in der theoretischen wie empirischen Arbeit mit dem Werk Pierre Bourdieus beachten sollte, und weist auf die Gefahren hin, die ein leichtfertiger, unreflektierter Einsatz Bourdieuscher Begriffe in der sozialwissenschaftlichen Forschung mit sich bringen kann. Vor einem breiten theoriegeschichtlichen Hintergrund erörtert Athanasios Karafillidis zwei grundlegende Fragen relationaler Soziologie: Wie kann man Relationen erkennen? Und wie entstehen aus Relationen Identitäten? Die erste Frage beantwortet er mit einem operativen Konstruktivismus, der die Realität nicht von ihrer Konstruktion trennt: „Es ist zwar nicht die, sondern nur eine Realität, aber sie ist echt, materiell und unausweichlich.“
Inhalt
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Zur Einleitung
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Die Krise der Realität und die Realität der Krise
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Über die Realität der Entscheidungen in Finanzmärkten
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Über Leerstellen des Ästhetischen
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Von Jan van Eyck bis Forensic Architecture
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Über Wolfgang Hilbig
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„The Good Place“, Moralphilosophie und die Frage nach der Realität
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Relationale Soziologie und die Ontogenese von Identitäten
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Besprechungen und Rezensionen 3/2018
18 Seiten | Autor: Ulrich Busch, Wladislaw Hedeler, Thomas Möbius, Michael Thomas
(1) Stalin kommt an. Ausstellung und Katalog „Der Rote Gott. Stalin und die Deutschen“, rezensiert von Wladislaw Hedeler (S. 133-136); (2) Utopische Ideenskizzen erwünscht. Pavel Peppersteins Architekturvisionen, rezensiert von Thomas Möbius (S. 137-140); (3) Robert Muschalla (Hg.): Sparen. Geschichte einer deutschen Tugend, rezensiert von Ulrich Busch (S. 140-143); (4) Ann Pettifor: Die Produktion des Geldes. Ein Plädoyer wider die Macht der Banken, rezensiert von Ulrich Busch (S. 144-146); (5) Hans-Christoph Rauh: Philosophie aus einer abgeschlossenen Welt, rezensiert von Michael Thomas (S. 147-150)
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Soziale oder historische Bewegung?
14 Seiten | Autor: Janosik Herder
Lorenz von Stein und Karl Marx haben unser Verständnis von sozialer Bewegung geprägt. In diesem Aufsatz zeigt Janosik Herder anhand einer genealogischen Betrachtung des Konzepts der sozialen Bewegung zweierlei: Erstens kann mit Bezug auf den Begriff der Bewegung – und nicht, wie oft behauptet, mit Bezug auf den Begriff der Gesellschaft – die Frage geklärt werden, worin sich Stein und Marx unterscheiden. Zweitens lässt sich zwischen der neueren Bewegungsforschung und Stein ein epistemologischer Bruch konstatieren, der auf Marx zurückführbar ist. Der Autor stellt zunächst diesen epistemologischen Bruch heraus und rekonstruiert anschließend, wie Marx mit der Idee einer der „Bewegung der Wahrheit“ die Bedeutung des Konzepts der sozialen Bewegung verschiebt.
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Für Preußen-Deutschland und die Macht
14 Seiten | Autor: Heiner Karuscheit
Heiner Karuscheit fragt in diesem Beitrag nach einer politischen Erklärung für die Instabilität der Weimarer Republik. Er lenkt den Blick auf die Politik der SPD während der revolutionären Ereignisse 1918/19. Karuscheit zufolge handelten die führenden Köpfe der Sozialdemokratie nicht aus Unerfahrenheit oder Machtscheu, sondern folgten einem unter dem Vorkriegsvorsitzenden August Bebel entwickelten Konzept, das auf das Hineinwachsen der Arbeiterpartei in den preußisch-deutschen Obrigkeitsstaat sowie seine Übernahme und Fortführung unter sozialdemokratischer Herrschaft zielte. Am Kriegsausgang setzte die Parteiführung dieses Konzept um, suchte das Bündnis mit dem preußischen Militäradel gegen die Novemberrevolution, ließ die aufbegehrenden Teile der Arbeiterbewegung niederschlagen und wehrte alle Ansätze zur Demokratisierung von Staat und Wirtschaft ab. Die Republik war nicht das Ergebnis einer siegreichen demokratischen Revolution, sondern einer von der SPD organisierten Konterrevolution, so Karuscheit. Entsprechend kurzlebig war sie.
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Nullzins
15 Seiten | Autor: Ulrich Busch
In seinem Artikel analysiert Ulrich Busch die Niedrig-, Null- und Negativzinspolitik der letzten Jahre. Ausgehend von grundsätzlichen Überlegungen zum Zinsbegriff und auf einer breiten Datenbasis fragt Busch nach Nebenwirkungen, Gewinnern und Verlierern einer „Politik des billigen Geldes“ in Deutschland. Er führt das niedrige Zinsniveau nicht allein auf die expansive Geldpolitik der Notenbanken seit 2008 zurück, sondern auch auf eine „Sparschwemme“, also einen strukturellen Überschuss von „Ersparnissen“ gegenüber „Investitionen“. Als Gewinner der praktizierten Zinspolitik identifiziert der Autor vor allem den deutschen Staat und den Unternehmenssektor. Eindeutige Verlierer der Nullzinspolitik seien in Deutschland vor allem private Haushalte sowie Versicherungen, Sozialkassen und Einrichtungen, denen eine spekulative Anlage ihrer Gelder untersagt ist.
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