Dystopie
Kommunismus im Weltall?
9 Seiten | Autor: Bernd Kulawik
Bernd Kulawik diskutiert in diesem Essay, welche Typen ökonomischer Systeme in den Zukunftswelten populärer Science-Fiction-Literatur und -Filme dargestellt werden. In Dystopien scheinen Großkonzerne u. ä. bzw. expansive, aggressive, gierige Gesellschaften oder Gruppen eine auslösende oder zumindest entscheidende Rolle für den jeweils behandelten Konflikt zu spielen. Im Unterschied dazu scheinen Utopien Konflikte höchstens episodenhaft zu behandeln und kapitalistische Verwertungszusammenhänge nahezu komplett auszublenden. Dies zeige sich insbesondere in der (virtuellen) Absenz des Geldes oder ähnlicher Tauschäquivalente. Auch die nach heutigen Maßstäben prohibitiven Kosten interstellarer Reisen oder auch nur regelmäßiger Reisen innerhalb unseres Sonnensystems scheinen keinerlei Bedeutung zu haben, unterliegen in diesen Welten also wohl nicht kapitalistischen Verwertungszusammenhängen.
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Weltall Erde Mensch
ISBN 978-3-947802-74-6 | ISSN 0863-4564 | 156 Seiten
„Was heute noch wie ein Märchen klingt, kann morgen Wirklichkeit sein“, heißt es am Anfang von „Raumpatrouille“, der westdeutschen Science-Fiction-Serie aus dem Jahr 1966. Für die Zukunftsvisionen einer Menschheit, die ins Weltall fliegt, außerirdische Lebensformen sucht und andere Planeten besiedelt, hat sich in Literatur, Film und bildender Kunst das Genre der Science-Fiction etabliert. Kosmosutopien, Fantasien vom Aufbruch ins Weltall, vom Leben an einem ganz anderen Ort, fernab von der Erde, sind zugleich Inspirationsquellen für Wissenschaft, Philosophie, Politik oder Wirtschaft – als Spekulationen, Gedankenexperimente, Heuristiken etc. Der Themenschwerpunkt „Weltall Erde Mensch“ spiegelt astrofuturistische Träume und Sehnsüchte des 20. und 21. Jahrhunderts wider und gibt Auskunft über ihre Geschichte. Natürlich gilt auch für Kosmosutopien der Gemeinplatz, den Stanisław Lem in seiner „Summa technologiae“ zitiert: „Nichts ist so schnell veraltet wie die Zukunft.“
Außerhalb des Schwerpunkts erfahren Sie mehr darüber, wieso der deutsche Punkrock seit den 1990er Jahren ein Imageproblem hat, weshalb der sowjetische Schriftsteller Andrej Platonow mit seinem Romanfragment „Der makedonische Offizier“ große Literatur schuf und warum wir Schlagworte wie „DDR-Philosophie“ nicht leichtfertig gebrauchen sollten.
Hier finden Sie eine Leseprobe dieser Ausgabe: Leseprobe Weltall Erde Mensch
Inhalt
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„Star Trek“, „Raumpatrouille“, „Doctor Who“ und der Soundtrack zum Wettlauf ins All
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Kosmosbegeisterung in der Sowjetunion
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Zur politischen Ökonomie utopischer Welten
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Der Nachbarplanet als Sphäre kultureller Selbstvergewisserung um 1900
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Kurd Laßwitz’ „Weltwanderer“
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Zwischen Horizonterweiterung und Ablenkung von irdischen Problemen
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Nonkonforme Konformisten in den 1990er Jahren
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Eine Antwort auf Hans-Christoph Rauh
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Die offene Gesellschaft und ihre virtuellen Feinde
12 Seiten | Autor: Holger Marcks, Maik Fielitz
In diesem Beitrag greifen Holger Marcks und Maik Fielitz die Annahme auf, dass die sozialen Medien der extremen Rechten ein günstiges Terrain bieten, um offene Gesellschaften zu untergraben. Sie identifizieren Bedrohungswahrnehmungen als den zentralen Impuls, auf den die extreme Rechte die Rechtfertigung illiberaler Politiken gründet, und analysieren, wie solche Wahrnehmungen unter digitalen Bedingungen verstärkt werden. Diese Kontextualisierung ist entscheidend für das Verständnis von digitalem Faschismus: eine fluide und ambivalente Variante des Faschismus, die kein klares organisatorisches Zentrum aufweist, da die digital vernetzten Massen der Motor ihrer eigenen Manipulation sind. Um dieses Konzept zu untermauern, setzen die Autoren die Strukturen von sozialen Medien in ein Verhältnis zu rechtsextremen Handlungen in den sozialen Medien. Sie argumentieren, dass eine neue Perspektive auf Faschismus notwendig ist, da der digitale Faschismus sein dystopisches Potential hauptsächlich aus digitalen (Hass-)Kulturen und weniger aus formalen und hierarchischen Parteistrukturen bezieht. Folglich muss er als soziales Phänomen analysiert und bekämpft werden.
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Digitaler Humanismus
13 Seiten | Autor: Karoline Reinhardt
Utopie und Dystopie liegen im Reden und Schreiben über Digitalisierung und Künstliche Intelligenz nah beieinander. Karoline Reinhardt stellt der digitalen Dystopie, nach einer Darstellung der Gleichzeitigkeit von utopischen und dystopischen Momenten, den Entwurf eines digitalen Humanismus entgegen. Ausgehend von Fromms „Humanismus als reale Utopie“ verteidigt sie das Primat des Menschen in der Digitalisierung. Es geht ihr dabei nicht um eine überzeitliche oder essentialistische Vorstellung vom Menschen und auch nicht um die Wiederbelebung eines unzeitgemäßen Bildungsideals. Ein digitaler Humanismus nimmt statt dessen die Vielfalt der Menschen ernst, stellt sich der Rede von einem Trans- und Posthumanismus entschieden entgegen sowie einem Verständnis von Moral als bloßem „Rechenproblem“. Schließlich betonen Vertreter*innen eines digitalen Humanismus den Akteurscharakter des Menschen, seine Moralfähigkeit und seine Urteilskraft.
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Digitale Dystopien utopisch aufheben – durch gesellschaftliche Aneignung
14 Seiten | Autor: Magnus Kulke, Christian Wadephul
Wer an konkrete Utopien glaubt, muss sich zwei grundsätzlichen Problemen stellen: Was als utopisch bzw. dystopisch zu gelten hat, ist erstens perspektivabhängig. Des einen Utopie, des anderen Dystopie, könnte man sagen. Zweitens ist immer ein Umschlagen von Utopie in Dystopie möglich. So schlägt algorithmische Objektivität in statistische Verzerrung, Fairness in algorithmenbasierte Diskriminierung um. Aus Demokratie und freiem Markt werden Überwachungskapitalismus und monopolistische Plattformökonomie. Doch wäre nicht auch ein Umschlagen vice versa möglich? Also von der fremdbestimmenden Kontroll-Dystopie in eine zu planende Utopie? Könnten neue digitale Technologien mit algorithmen- und datenbasierten Echtzeit-Verfahren bessere Lösungen für die ökonomischen Probleme unserer komplexen Gesellschaft liefern als die gute alte freie Marktwirtschaft? Welche Rolle spielt die Kybernetik für eine anzustrebende deliberative Wirtschaftsdemokratie? Diesen Fragen gehen Magnus Kulke, Christian Wadephul in diesem Artikel nach.
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LESEPROBE: „Homo digitalis“
12 Seiten | Autor: Robert Feustel
Digitalisierung und künstliche Intelligenz sind in aller Munde. Beide scheinen gerade die Welt und alles, was sie bewegt, grundlegend neu zu sortieren, inklusive eines anthropologischen Selbstbildes. Es ist die Zeit des „homo digitalis“. Utopische oder dystopische Perspektiven dominieren, es gibt wenig dazwischen: Entweder droht uns ein „technologischer Totalitarismus“ oder die baldige Lösung aller Probleme steht ebenso bevor wie das digitale Himmelreich. Dazwischen gibt es wenig. Robert Feustel rekonstruiert in diesem Aufsatz, welchen längeren Linien diese Debatten folgen und welcher Voraussetzungen es bedarf, um die Digitalisierung als allumfassendes Phänomen zu begreifen. Dabei zeigt sich, dass die utopischen und die dystopischen Aussichten ganz ähnlich sind: Sie teilen die Annahme eines digital funktionierenden Menschen, der verlustfrei vernetzt oder nachgebaut werden kann.
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Ernst Jüngers „Gläserne Bienen“ und der Übergang zur Perfektion
13 Seiten | Autor: Thomas Crew
Thomas Crew setzt sich in diesem Aufsatz mit Ernst Jüngers Dystopie „Gläserne Bienen“ auseinander, deren erste Fassung 1957 veröffentlicht wurde. Wie es der Dystopie eigen ist, befasst sich der Roman mit der Frage und den Folgen der fortgeschrittenen Technik. Laut Jünger droht sie eine so große Anziehungs- und Überzeugungskraft zu gewinnen, dass der Mensch in Bann gehalten und ihr hörig wird. Die Folge davon ist eine Blindheit gegenüber ihren wahren Ausmaßen und Auswirkungen. Das Hauptopfer dieser Blindheit ist neben der Natur das Individuum, das den Fokus dieses Aufsatzes bildet. Es wird nämlich im Sinne der Technik, die sich als unser neuer Schöpfer erweist, grundlegend umgeformt. Laut Jünger muss der Bann der Technik gebrochen werden, um zu erkennen, dass sie auf grundsätzlich andere Ziele hinausläuft. Die Wahl besteht also zwischen der „Perfektion“ der Technik und der „Vollkommenheit“ des Menschen. Crew stellt Bezüge zu Friedrich Georg Jünger, Theodor Adorno und Martin Heidegger her, die teilweise zu sehr ähnlichen Einschätzungen gelangten.
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Zukunft Mensch
13 Seiten | Autor: Anna Schor-Tschudnowskaja
Die aktuellen und für die nahe Zukunft abzusehenden Entwicklungen sind so überwältigend, dass der Science-Fiction-Literatur immer weniger Raum für Phantasie bleibt und im verstärkten Masse eine kulturkritische Rolle zukommt. Anna Schor-Tschudnowskaja betrachtet die entsprechenden kulturkritischen Deutungsmuster am Beispiel einer Erzählung und eines Romans von zwei zeitgenössischen russländischen Autoren. Beide Autoren zeigen sich davon überzeugt, dass das Nachdenken über die Formen, Leistungen und auch Folgen digitaler Technologien mit der Erkundung das menschlichen Gehirns und der menschlichen Psyche einhergeht.
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Falsche Welten?
12 Seiten | Autor: Martin Hennig
Wenn Spielfilme digitale oder phantastische Simulationstechnologien und simulierte Räume in ihren Auswirkungen auf Subjekt und Gesellschaft verhandeln, fallen sie in der Regel in das Muster der Dystopie und problematisieren die Grenze zwischen Realität und Virtualität. Gerade angesichts des digitalen Wandels der Gesellschaft stellt sich allerdings die Frage, inwiefern sich abseits dieses Grundschemas diachrone und synchrone Differenzen in der Bewertung von spezifischen Qualitäten simulierter Welten finden lassen. Martin Hennig unternimmt in diesem Text einen Gang durch die Geschichte des Simulationsfilmes, wobei er unterschiedliche Ausformungen des Verhältnisses zwischen Simulation und Realität mit Michel Foucaults Modell der Heterotopie systematisiert. Die leitenden Fragen dabei sind: Was für Gefahren und Potenziale von simulierten Welten werden in der Filmgeschichte verhandelt? Inwiefern sind auch Unterschiede zu diagnostizieren – in Abhängigkeit von den jeweilig verhandelten technologischen Grundlagen und Gesellschaftsentwürfen.
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Stratifikation in der digitalen Bewertungsgesellschaft
14 Seiten | Autor: Jonathan Kropf
Jonathan Kropf fokussiert in diesem Text eine Perspektivverschiebung innerhalb der Forschung zu digitaler Ungleichheit, die die infrastrukturelle Verfasstheit digitaler Räume als Instrument der Herstellung, Reproduktion oder Veränderung von Ungleichheitsmechanismen begreift. Er unterscheidet Ansätze, die primär an algorithmischen Vorsortierungen ansetzen, von solchen, die Infrastrukturen in einem weiteren Sinne in den Blick nehmen. Der Autor konfrontiert die entsprechenden Diagnosen und Analysen exemplarisch mit ihrer fiktionalen Bearbeitung. Dafür wird die Folge „Nosedive“ der britischen TV-Serie „Black Mirror“ in Anlehnung an Verfahren der hermeneutisch-wissenssoziologischen Videoanalyse untersucht. Die Ergebnisse werden auf den aktuellen Diskurs über „Fairness“, „Accountability“ und „Transparenz“ im Internet bezogen. Abschließend plädiert Kropf für eine Perspektive, die an der Gestaltung digitaler Bewertungsinfrastrukturen ansetzt.
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