Berliner Debatte Initial
Die Monarchie als wahre Republik
13 Seiten | Autor: Oliver W. Lembcke, Florian Weber
„Ich habe gelebt“ – dieser Befund ist kaum gering zu schätzen in einer Zeit, in der die Revolution ihre Kinder fraß. Sieyes überlebte die blutige Schreckensherrschaft von Robespierre und dessen Spießgesellen, ihm gelang es damals sogar, sein politisches Leben im Stillen weiterzuführen. Seine aufreizend knappe Antwort auf die Frage, „wie er die Terreur verbracht habe“, verrät zwar wenig über die Lebensumstände, dafür um so mehr über den Geist ihres Autors. Sie kann gleichsam als eine Chiffre für die Person und ihr Werk gelesen werden, denn sie veranschaulicht sowohl Sieyes’ nüchterne Art zu denken als auch seine Fähigkeit zu formulieren. Diese Kombination von Begabungen – die er mit Paine teilte – hob ihn aus dem Gewimmel an revolutionären Wortführern jener Epoche hervor.
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Antwort auf Thomas Paine
5 Seiten | Autor: Emmanuel Joseph Sieyes
Herr Thomas Paine gehört zu den Männern, die allergrößten Anteil daran haben, dass sich die Freiheit in Amerika durchsetzt. Seine glühende Liebe zur Menschheit und sein Hass auf jede Form der Tyrannei haben ihn bewogen, in England die Französische Revolution gegen die unsinnige Verleumdung des Herrn Burke zu verteidigen. Sein Werk ist unter dem Titel Die Rechte des Menschen in unsere Sprache übersetzt worden und allgemein bekannt. Gibt es einen französischen Patrioten, der diesem Fremden noch nicht vom Grund seiner Seele dafür gedankt hat, dass er unsere Sache mit seiner Vernunft und seiner Reputation gestärkt hat? Mit großer Freude ergreife ich die Gelegenheit, ihm meinen Dank abzustatten und ihm dafür Hochachtung zu zollen, dass er seine ausgezeichnete Begabung in den Dienst der Menschheit stellt.
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Sozialmoralische Milieus im Wandel
14 Seiten | Autor: Hilke Rebenstorf
Ende 2006 kam es in Deutschland aus Anlass der öffentlichen Präsentation der Friedrich- Ebert-Studie „Gesellschaft im Reformprozess“ zu einer fast gespenstisch anmutenden Debatte – wir haben eine Unterschicht, ein abgehängtes Prekariat, und dies in durchaus beachtenswerter Größe. Rund acht Prozent der Bevölkerung gehören dieser Gruppe an, das ist etwa jede zwölfte Person. Nun ist ja die Erkenntnis, dass in Deutschland arme Menschen leben, nichts Neues, und man wunderte sich über die Beschwörungsformeln und Abwehrreaktionen. Was steckte dahinter?
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Über Zynismus
10 Seiten | Autor: Richard Utz, Steffen Sigmund
In seinen historischen Formen von der Antike bis zur Moderne folgt der Zynismus dem Gesetz der radikalen Reduktion, die sich aus bewusstem Verzicht oder erlittenem Verlust motiviert. Gleichgültig, in welcher Sphäre der Gesellschaft er sich äußert, immer lässt der Zynismus die Komplexität von Lebensverhältnissen auf ein letztes und geringstes Niveau negativer oder positiver Simplizität zusammenschrumpfen.
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1968 – eine Nachlese 2008
10 Seiten | Autor: Manfred Lauermann
Nach je zehn Jahren – zuerst allerdings 1977 – wird ein Dienstjubiläum zu/über „1968“ gefeiert. Die 68er als Generation sind eine Erfindung der 1990er Jahre in Deutschland, weil nach 1989 und 16 Jahren Helmut Kohl eine Generation die politische Macht quasi in letzter Minute erreichte, die von den Medien als „68er“ identifiziert wurden. 68 wurde als Mythos analysiert, der zum 20. Jahrestag erfunden wurde, und galt als Chiffre für die Demokratisierung der Bundesrepublik, als Ausgangspunkt einer „Fundamentalliberalisierung“ (Habermas). Unangenehme Züge wurden verdrängt, die noch 1988 beliebte Frage, woran die 68er alles schuld seien – von Kindererziehungskatastrophen über schlechte Tischmanieren bis zum RAF-Terror –, verblasste. So war zu erwarten, dass zum 40. Jubiläum, nachdem das rot-grüne Projekt ebenso plötzlich endete, wie es begonnen hatte, das Pendel erneut umschlagen würde. Sicherlich, die Massenmedien gaben sie alle erdenkliche Mühe: Am 30. Januar platzierte die Frankfurter Rundschau, die ansonsten in den folgenden Monaten am eifrigsten Archivmaterial zu 68 abdrucken sollte, ein Pamphlet, welches wortmagisch die 68er Bewegung mit der nationalsozialistische Bewegung wild zu assoziieren versuchte, das war, als hätte jemand den Kampfbegriff „Systemzeit“ für die 1920er Jahre mit Luhmanns Soziale Systeme identifizieren wollen.
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Der DDR-Wirtschaftsreformversuch und das Jahr 1968
9 Seiten | Autor: Peter Ruben
Die in der Soziologie und in anderen Sozialwissenschaften bekannten Erwägungen zur Vorstellung dessen, was unter dem Wort Generation verstanden werden sollte, teile ich nicht. Ulrich Herrmann z.B. sagt: „In der Wissenschaft ist die Frage, was eine ‚Generation‘ ist und was sie ‚ist‘, nicht erlaubt, denn eine ‚Generation‘ ist – es sei denn, man versteht darunter, wie üblich, den biologischen Altersabstand von Eltern- und Kinder-Generationen – kein factum brutum“. Aber Termini wie Generation Golf, die 68er, die skeptische Generation etc. meinen tatsächlich oft nichts anderes als irgendwelche Kohorten menschlicher Individuen, manchmal mit der Dauer eines Jahres vorgestellt, manchmal einige Jahre umfassend. Ich schließe mich solchem Diskurs nicht an, sondern gehe mit Bezug auf den Generationsbegriff von einfachen, naturwissenschaftlich zu konstatierenden Voraussetzungen aus, nämlich genau von Herrmanns factum brutum.
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Unerhörte Freiheit
8 Seiten | Autor: Hans-J. Misselwitz
Unter der Überschrift „Die unerhörten Tage der Freiheit“ erinnerte der Journalist Christian Schmidt-Häuer in diesem Jahr an die Ereignisse des 21. August 1968.1 Als in Prag „alles niedergewalzt wurde, was die tschechoslowakischen Kommunisten in den vergangenen Monaten beschlossen“, sei es zu einem „beispiellosen, friedlichen Widerstand, der in den nächsten zehn Tagen die Welt erschüttert“ habe, gekommen. Nur, davon wollten Tschechen und Slowaken heute nichts mehr wissen. Der Prager Frühling werde heute als der Machtkampf zwischen zwei kommunistischen Fraktionen diskreditiert, Dubčeks „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ als bloße Propaganda abgetan. Zum Schluss habe Orwells Großer Bruder gesiegt, habe das System „den großen heroischen und humanen Moment einer begeisterten Bürgerbewegung aus dem heutigen Geschichtsbewusstsein“ gelöscht, die Erinnerung an die „ohnmächtige Überlegenheit“ des Volkes.
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1968 West und 1989 Ost
11 Seiten | Autor: Rudi Schmidt
Angesichts der unübersehbaren Fülle von Gedenkveranstaltungen zum 40. Jahrestag der Studentenbewegung der 1960er Jahre, die man sich angewöhnt hat, mit der Jahreszahl 1968 gleichzusetzen, hat es den Anschein, als handele es sich dabei um das bedeutendste Ereignis in der Geschichte der Bundesrepublik. Zumindest hat kein vorausgegangenes „rundes Jubiläum“ zum Thema solch anhaltende Aufmerksamkeit gefunden. Feiern sich die Protagonisten noch einmal ausgiebig, bevor sie sich endgültig ins Altenheim zurückziehen, oder ist die Republik so langweilig geworden, dass dieses widersprüchliche, ebenso bejubelte wie bekämpfte Geschehen bloß dazu herhalten musste, einen farbigen Kultursommer zu garantieren? Aber könnte es vielleicht auch sein, dass sich darin das gewachsene Bedürfnis ausdrückt, gegen die allgemeine Vorherrschaft der Sachzwanglogik von Markt und Kapitalrenditen an dem emanzipativen Gehalt einer radikaldemokratischen Bewegung anzuknüpfen, die später – ähnlich wie die Prager KP-Reformer des Frühjahrs 1968 – einen „Sozialismus mit menschlichen Antlitz“ anstrebte?
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Birgit Dahlke: Jünglinge der Moderne
2 Seiten | Autor: Magnus Brechtken
Als Wilhelm II. im Dreikaiserjahr 1888 mit jugendlichen 29 Jahren den preußisch-deutschen Thron bestieg, projizierten Millionen Deutsche auf ihn drängende Erwartungen eines frischen Aufbruchs. Der junge Kaiser stand für einen als überfällig empfundenen Generationenwechsel. Auf der politischen Bühne, die der 73-jährige Bismarck seit 26 Jahren als preußischer Ministerpräsident und seit 17 Jahren als Reichskanzler dominierte, wirkte der jugendliche Kaiser wie ein Versprechen energischen Wandels angesichts all der dominierenden alten Männer, die, wie zu allen Zeiten, von der Macht nicht lassen mochten. Bismarcks Entlassung zwei Jahre später nahmen die meisten Zeitgenossen mit entsprechender Erleichterung auf – obwohl viele von denen, die 1890 aufatmeten, ihre Genugtuung später im Lichte rückschauender Verklärung nicht mehr wahrhaben mochten.
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Ralf Konersmann (Hg): Wörterbuch der philosophischen Metaphern
3 Seiten | Autor: Mariele Nientied
Jahrhunderte nach dem bereits von Vico formulierten Desiderat eines Wörterbuchs philosophischer Metaphern ist ein solches nun von Ralf Konersmann in Angriff genommen worden. Trotz der seit und wegen Hans Blumenberg wieder akuten Aufmerksamkeit auf die konstitutive Rolle und begrifflich irreduzible Leistung von Metaphern im philosophischen Diskurs hat die Umsetzung eines solchen Vorhabens immer wieder auf sich warten lassen. Wenn Konersmann die Geschichte geplanter, aber nicht realisierter Metaphernlexika von Vico über Sulzer bis Kant rekapituliert, ist ihm klar, dass Blumenberg selbst nie ein vergleichbares Vorhaben hat erkennen lassen.
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