2010

Frenemies und das „wahre Selbst“

Eine Soziologie echter Identitäten und feindlicher Freunde

11 Seiten | Autor: Michael Dellwing

Themenfelder werden an ihren Grenzen und Randgebieten konstituiert: Erst die Auseinandersetzungen über unklare Fälle lassen erkennen, wo die Konstruktion eines Feldes sich gerade befindet. Das Feld der Freundschaft ist selbst ein Bereich, dessen soziologische Konstruktion sich noch in den Kinderschuhen befindet und dessen Grenzen noch weitgehend unbearbeitet sind. Gemeinhin wird Freundschaft als freiwillige Verbindung zwischen Individuen thematisiert, als Verhältnis, in denen ein „wahres Selbst“ offenbart wird, und als Refugium in einer Welt, in der traditionelle Bindungen an Kraft verlieren. Insbesondere die Offenbarung eines „wahren Selbst“ scheint jedoch soziologisch frag- und merkwürdig, sucht die Soziologie doch nach den immer wechselnden sozialen Rollen, den alltäglichen Konstruktionsleistungen und der pluralen Emergenz von Selbsten. Sie will und kann kein „wahres Selbst“ hinter diesen Rollen und Performanzen der Person in der sozialen Welt erkennen. Dies führt zu der Frage, ob es soziologisch aufschlussreich ist, Freundschaft als Offenbarung eines „wahren Selbst“ zu begreifen.

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Erschienen in
Berliner Debatte 2 | 2010
Europäische Integration und EU-Kritik
160 Seiten

Das Schweizer Minarett-Verbot als Ausdruck eines politischen Paradigmenwechsels

4 Seiten | Autor: Michael Bloch

Das deutliche Ja zu einem in der Verfassung verankerten Minarettverbot durch das Schweizer Stimmvolk am 29. November 2009 stiftete in der Eidgenossenschaft Verwirrung. Nicht nur die Regierung und die Politiker sondern auch die Politikwissenschafter waren von diesem Ergebnis gänzlich überrascht worden und standen nun im Erklärungsnotstand. In den Nachbarstaaten waren die Reaktionen klar geteilt zwischen allgemeiner Ablehnung und begeisterter Zustimmung vor allem rechtsextremer Parteigänger. Die spezifische Diskussion über die Schweizer Abstimmung ist inzwischen weitgehend verebbt und macht anderen Schlagzeilen Platz: Finanzkrise und, was die Schweiz anbelangt, das Bankgeheimnis und die Libyenkrise.

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Erschienen in
Berliner Debatte 2 | 2010
Europäische Integration und EU-Kritik
160 Seiten

Öffnet die Schweizerische Volkspartei die Büchse der Pandora?

8 Seiten | Autor: Mathias Lindenau

Mit der Annahme der Anti-Minarett-Initiative durch das Stimmvolk im November 2009 hat die Schweizerische Volkspartei (SVP) einen Sieg auf ganzer Linie errungen. Die Wahlforscher und die Vertreter des Bundesrats gingen davon aus, dass die Bürgerinnen und Bürgern die Vorlage ablehnen würden. Deshalb waren die Konsternation und das Entsetzen groß, als die Mehrheit der Wähler – fast 60 Prozent, außer in den Kantonen Genf, Neuenburg und Waadt sowie Basel-Stadt – ebenso wie die Mehrheit der Stände für die Annahme der Initiative stimmten. Schnell wurde offensichtlich, dass die Anti-Minarett-Initiative den Bundesrat in eine Zwickmühle gebracht hat: Da nach der Schweizer Verfassung Volksinitiativen für die politischen Entscheidungsträger bindend sind, müssen diese bei Zustimmung durch das Stimmvolk in der Verfassung festgeschrieben werden. Andererseits ist auch die Schweiz, z.B. durch ihre Zugehörigkeit im Europarat und der UNO, an internationale Abkommen und Verpflichtungen gebunden. Der daraus resultierende Interessenkonflikt wird am Beispiel der Anti-Minarett-Initiative plastisch: Das Verbot von Minaretten muss nun in die Verfassung aufgenommen werden und erhält damit einen rechtsverbindlichen Charakter. Gleichzeitig verstößt dieses Verbot nach einhelliger Auffassung führender Schweizer Rechtswissenschaftler gegen Artikel 14 der Europäischen Menschenrechtskonvention, die die Schweiz ratifiziert hat.

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Erschienen in
Berliner Debatte 2 | 2010
Europäische Integration und EU-Kritik
160 Seiten

Integration 2.0

Über die interaktive Zusammenarbeit zwischen Kommunen und Immigrantenorganisationen

9 Seiten | Autor: Scott Stock Gissendanner

Die Bedeutung und Praxis von Staatsbürgerschaft ist Gegenstand eines anhaltenden Diskurses und im Westen zu einem prominenten Thema geworden, großenteils aufgrund von demographischen Veränderungen. Der Anteil von Einwanderern der ersten und zweiten Generation an der Bevölkerung Nordamerikas und Europas ist in den letzten Jahrzehnten gestiegen. Noch bedeutender ist die Zunahme der ethnischen und religiösen Heterogenität der Bevölkerungsstruktur in Folge einer wachsenden Zahl asiatischer, lateinamerikanischer und muslimischer Immigranten. Zur Beunruhigung der Europäer trägt auch ein neues Bewusstsein darüber bei, dass Europas Entwicklungsperspektiven aufgrund der niedrigen Geburtenraten der einheimischen Bevölkerung in zunehmendem Maße von Einwanderung abhängen. Vor diesem Hintergrund sowie aufgrund des steigenden muslimischen Anteils unter den Migranten, die nach Europa kommen, hat der Islam hier auch politische Debatten stärker beeinflusst als in den USA.

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Erschienen in
Berliner Debatte 2 | 2010
Europäische Integration und EU-Kritik
160 Seiten

Ungarn hat gewählt – aber wie?

6 Seiten | Autor: Máté Szabó

Zum sechsten Mal bestimmten die Bürger Ungarns 2010 ihr Parlament in freier Wahl. Sie beriefen 386 Abgeordnete, die insgesamt zehn Millionen Bürger repräsentieren. Im Gegensatz zur Bundesrepublik ist das ungarische Wahlsystem auf einen zentralistischen Staat ausgerichtet, denn dort kennt man keinen Deutschland vergleichbaren Föderalismus (Körösényi u. a. 2010). Und doch gibt es gewisse Ähnlichkeiten: So hat jeder zwei Stimmen, die unabhängig voneinander vergeben werden können. Mit einer Stimme wählen die Bürger ihren lokalen Wahlkreisabgeordneten nach dem Mehrheitsprinzip. Die andere geben sie für eine regionale Parteiliste ab. Wie die Bundesrepublik kombiniert Ungarn Elemente der Mehrheits- mit Aspekten der Verhältniswahl, wenn auch die Mehrheitswahlkomponente dominiert. Zugleich kennt auch Ungarn eine Fünf-Prozent-Sperrklausel, aber es gibt zwei aufeinanderfolgende Wahlrunden in den Einpersonenwahlkreisen. Kam der zweiten Runde in der Vergangenheit durchaus entscheidene Bedeutung zu, war sie in der diesjährigen Wahl nahezu überflüssig. Denn bereits im ersten Wahlgang vom 11. April votierte die überdeutliche Mehrheit der Wähler für die Mitte-Rechts-Partei Fidesz.

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Erschienen in
Berliner Debatte 2 | 2010
Europäische Integration und EU-Kritik
160 Seiten

Ungarn 2010

Die Bedeutung der Wahlergebnisse im Kontext der Demokratieentwicklung

7 Seiten | Autor: Mihai Varga, Annette Freyberg-Inan

Die Rechte hat es geschafft. Der Ungarische Bürgerbund (FIDESZ) erzielte nach der zweiten Runde der Parlamentswahlen mit einem Stimmenanteil von 52,73 Prozent und dem Gewinn fast aller Direktmandate 263 von 368 Sitzen. Es ist das erste Mal in der post-kommunistischen Geschichte Ungarns, dass eine Partei eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament besitzt. Einerseits ist ein Sieg der Opposition über eine Partei, die in den letzten zwei Jahren eine Minderheitsregierung stellte und angesichts der wirtschaftlichen Krise einen strengen Sparkurs einhalten musste, zwar nicht unerwartet. Andererseits blieben aber Erfolge wie der des FIDESZ andernorts in Ostmitteleuropa trotz ähnlicher oder schlimmerer wirtschaftlicher Lage aus. In diesem Wahlkommentar wenden wir uns der Frage zu, wie FIDESZ einen solchen Erfolg verbuchen konnte und welche Konsequenzen seine Strategie der letzten Jahre und die damit zusammenhängenden Verschiebungen für die Demokratieentwicklung in Ungarn haben.

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Berliner Debatte 2 | 2010
Europäische Integration und EU-Kritik
160 Seiten

EU-Integration: Demokratische Legitimation durch Deliberation und Partizipation?

15 Seiten | Autor: Gert-Rüdiger Wegmarshaus

Der folgende Beitrag analysiert vor dem Hintergrund des in der Literatur bekanntlich kontrovers diskutierten Demokratiedefizits der Europäischen Union die mögliche Rolle von direkt-demokratischen, deliberativen und partizipativen Verfahren der Bürgerbeteiligung im Prozess der Europäischen Integration. Drei – miteinander verbundene – Fragen stellen sich in diesem Zusammenhang: Leidet der Prozess der Europäischen Integration unter einem Demokratiedefizit? Falls ja: Lässt es sich mit direktdemokratischen deliberativen Verfahren beheben? Welche Rolle spielen dabei die von der EU-Kommission organisierten Bürgerforen?

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Erschienen in
Berliner Debatte 2 | 2010
Europäische Integration und EU-Kritik
160 Seiten

EU-Sozialpolitik und die Debatte um das Europäische Sozialmodell

16 Seiten | Autor: Arnaud Lechevalier, Jan Wielgohs

Timm Beichelt stellt in seinem Beitrag zu diesem Heftschwerpunkt fest, dass EU-Skepsis in den letzten Jahren an Breite und Intensität gewonnen hat, und macht dabei insbesondere Identitätsbedrohungen, den Verlust an nationaler Souveränität, die EU-Bürokratie sowie den marktzentrierten Modus der Integration und den damit verbundenen Verlust an allgemeiner politischer Steuerungsfähigkeit als Gegenstände kritischer Diskurse aus. Er konstatiert nicht schlechthin die Zunahme von Kritik an der EU, sondern bezeichnet diese als Aneignung europäischer Politik und charakterisiert sie damit faktisch als Resultat von Prozessen, in denen sich die Akteure der verschiedenen Ebenen – die Bürger, die Parteien und die politischen Eliten – die europäische Integration und ihre Resultate „zu eigen machen“. EU-Kritik erscheint damit selbst als ein Ausdruck des Integrationsfortschritts – und es hängt von ihrer politischen Bearbeitung ab, ob sie die Integration weiter befördert oder desintegrative Tendenzen beflügelt.

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Erschienen in
Berliner Debatte 2 | 2010
Europäische Integration und EU-Kritik
160 Seiten

Das Recht auf Rechtfertigung und die Legitimität von Supranationalität

12 Seiten | Autor: Jürgen Neyer

Das europäische Integrationsprojekt ist orientierungslos geworden. Die äußeren Anzeichen hierfür sind nicht zu übersehen. Die hoch ambitionierte Idee eines Verfassungsvertrags für die EU wurde in den Referenden in Frankreich und den Niederlanden zurück gewiesen, ohne dass in der folgenden Reflexionsphase eine überzeugende Alternative hätte entwickelt werden können. Die nicht enden wollenden Debatten über die Frage des Beitritts der Türkei und anderer Staaten in Osteuropa sind Ausdruck einer allgemeinen Unsicherheit über die Identität und Grenzen der EU. Der neue Vertrag von Lissabon konnte nach einigen Schwierigkeiten zwar endlich in Kraft treten, musste dafür aber auf alle Symbolik wie Flagge und Hymne verzichten. Die EU ist heute zwar immer noch mehr als eine internationale Organisation, sie scheint aber zumindest derzeit nicht in der Lage zu sein, dieses „Mehr“ inhaltlich näher zu bestimmen.

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Erschienen in
Berliner Debatte 2 | 2010
Europäische Integration und EU-Kritik
160 Seiten

EU-Skepsis als Aneignung europäischer Politik

14 Seiten | Autor: Timm Beichelt

Das Ende des „permissive consensus“, also der durch demonstrative Zurückhaltung geprägten Haltung der Bevölkerung zur EU-Integration, ist in den vergangenen Jahren häufig diagnostiziert worden. An die Stelle der Vermutung einer stillen Zustimmung ist inzwischen die Gewissheit getreten, dass der Integrationsprozess nicht nur befürwortet, sondern – in unterschiedlichen Ländern in unterschiedlichem Umfang – von verdeckter oder offener Ablehnung begleitet wird. EU-Skepsis manifestiert sich nicht nur in Bevölkerungseinstellungen, sondern, und vielleicht noch sichtbarer, in Äußerungen von Vertretern politischer Parteien, die mit Kritik an „Europa“ oder einzelnen Elementen der Integration Wählerstimmen an sich binden können.

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Erschienen in
Berliner Debatte 2 | 2010
Europäische Integration und EU-Kritik
160 Seiten