2010

Forschungsteilnahme als Sozialpflicht?

Zur Vergesellschaftung von Geweben und Daten in der Biobankforschung

10 Seiten | Autor: Imme Petersen

Ob in Island, Estland, Großbritannien, Lettland, Singapur oder Japan – das nationale Interesse an ‚Populationsbiobanken‘ boomt. Bürger werden aufgefordert, DNA-Proben zusammen mit Informationen über Vorerkrankungen, Genealogien und Lebensstil der genetischen Forschung zur Verfügung zu stellen. Um Freiwillige für solche nationalen Großprojekte zu gewinnen, wird in ethischen Diskursen die Forschungsteilnahme des Einzelnen in den Dienst der Allgemeinheit gestellt. In diesem Beitrag möchte ich die diskursive Auseinandersetzung um die ethische Rechtfertigung für die Teilnahme an der Biobankforschung analysieren und diskutieren, welche Konsequenzen sich durch eine veränderte Rechtfertigungslogik für die Teilnehmer von Populationsbiobanken ergeben.

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Erschienen in
Berliner Debatte 4 | 2010
Gesampelte Gesellschaft
160 Seiten

Spendende Verkäuferinnen – Eizellen für die Klonforschung

13 Seiten | Autor: Susanne Schultz, Kathrin Braun

Ein begehrter Rohstoff der biotechnologischen Forschung wird aus Frauenkörpern gewonnen: Eizellen. Dabei handelt es sich um eine in mehrerer Hinsicht flüchtige Forschungsressource, denn Eizellen sind im Unterschied zu anderen Körperteilen und -materialien extrem verderblich. Stammzellforschungsprojekte, die mit dem somatischen Zellkerntransfer – auch als Klonen bekannt – experimentieren, sind auf sehr frische, höchstens einige Stunden „alte“ und reife Eizellen angewiesen. Um Zugriff auf den zumeist als knapp beschriebenen Rohstoff zu bekommen, bedarf es somit einer engen räumlich-zeitlich-institutionellen Koordination der Forschungslabore mit den Reproduktionskliniken, die die „Eizellernte“ organisieren. Zudem haben StammzellforscherInnen inzwischen die Erfahrung gemacht, dass nur wenige Frauen bereit sind, ohne Gegenleistung Eizellen für die Forschung abzugeben, schließlich sind die Belastungen und gesundheitlichen Risiken der Eizellgewinnung enorm. Bisher gibt es jedoch in europäischen Ländern, aber auch etwa im Stammzellforschungs-Eldorado Kalifornien regulatorische Beschränkungen für eine offene Kommerzialisierung von Eizellen für die Forschung.

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Erschienen in
Berliner Debatte 4 | 2010
Gesampelte Gesellschaft
160 Seiten

Cui bono?

Eigentum am eigenen Körper in der internationalen juristischen Diskussion

9 Seiten | Autor: Nils Hoppe

In den letzten Jahren hat sich die Diskussion über die „Eigentumsfähigkeit“ des menschlichen Körpers intensiviert. Zahlreiche Publikationen beschäftigen sich mit der Frage, ob und wie weit der Körper und seine Produkte als Sache betrachtet werden können.1 Oft verirrt sich die Diskussion dabei in sehr theoretischen Fragestellungen und versäumt es, die gelebte Realität zu berücksichtigen: Das vom menschlichen Körper getrennte biologische Material ist längst eine Sache und wird auch so behandelt. Inzwischen geht es vielmehr darum, diese (im Übrigen meist wünschenswerte) Realität auf vernünftige Art und Weise zu regeln. Es ist die Arbeitsthese dieses Beitrags, dass die derzeit international diskutierten Regelungsansätze auf fehlerhaften Annahmen beruhen. Das soll am Beispiel einiger oft als paradigmatisch gesehener Fälle aus der internationalen Literatur demonstriert werden. Im Vorfeld soll hier zunächst kurz auch auf einige grundlegende Fragen eingegangen werden, ehe anhand von Fallbeispielen das wichtigste Problem in diesem Themenkreis beleuchtet wird: Wer darf nun eigentlich Nutzen aus humanem Material ziehen, wer nicht und weshalb?

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Erschienen in
Berliner Debatte 4 | 2010
Gesampelte Gesellschaft
160 Seiten

Ökonomie der Körperteile

Wie weit reicht das Verbot der Kommerzialisierung des menschlichen Körpers?

10 Seiten | Autor: Christian Lenk

Dass der menschliche Körper und seine Teile nicht als Ware betrachtet und gehandelt werden dürfen, stellt einen weithin anerkannten ethischen Grundsatz dar, der in den Transplantationsgesetzgebungen vieler Länder fest verankert ist. In Deutschland dürfen Organe daher zum Beispiel nur mit Zustimmung der Spender oder – im Falle der postmortalen Spende – ihnen nahestehender Angehöriger entnommen werden. Mit Blick auf die Forschung an menschlichen Geweben gerät das für Organe geltende Kommerzialisierungsverbot indessen auf den Prüfstand. Die Tatsache etwa, dass es sich bei den entnommenen Geweben häufig um „operative Reste“ handelt, die ihren Wert erst durch die Aufbereitung und Auswertung seitens der Forscher erhalten, könnte als Einfallstor für die Kommerzialisierung derartiger Körpermaterialien herangezogen werden.

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Erschienen in
Berliner Debatte 4 | 2010
Gesampelte Gesellschaft
160 Seiten

Gesampelte Gesellschaft

Die Forschung mit Biobanken, menschlichen Geweben und genetischen Informationen. Zur Einleitung

6 Seiten | Autor: Katharina Beier

Die Sammlung und Archivierung menschlicher Körperteile und -gewebe zu medizinischen Lehr- und Forschungszwecken hat eine mehrere Jahrhunderte zurückreichende Tradition. Nichtsdestotrotz hat diese Praxis immer wieder auch Kontroversen ausgelöst, so etwa die vom Anatomen Gunther von Hagen initiierte Wanderausstellung plastinierter menschlicher Körper. Aber auch jenseits solch spektakulärer Fälle ist die Anlage anatomischer und pathologischer Sammlungen von menschlichen Substanzen – zum Beispiel von Körperteilen oder Tumorgeweben – nicht unproblematisch. So wurden diese Sammlungen, die heute in jedem größeren Krankenhaus zu finden sind, häufig ohne die informierte Einwilligung der Patienten aufgebaut bzw. die im Zuge von Operationen anfallenden „Restmaterialien“ lange Zeit ohne Wissen der Patienten der Forschung zugeführt. Die zunehmende Kontroversität dieser Praxis innerhalb des letzten Jahrzehnts ist vor allem das Resultat eines durch neue (genetische) Analyseoptionen sowie Fortschritte in der Massendatenverarbeitung hervorgerufenen Paradigmenwechsels. Dieser betrifft sowohl die Organisationsstruktur als auch die Anwendungsmöglichkeiten biologischer Materialsammlungen.

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Erschienen in
Berliner Debatte 4 | 2010
Gesampelte Gesellschaft
160 Seiten

Stephan Truninger: Die Amerikanisierung Amerikas.

Thorstein Veblens amerikanische Weltgeschichte

4 Seiten | Autor: Oliver Römer

Die „diffuse Rede“ von Amerikanisierung bildet den Ausgangspunkt von Stephan Truningers Buch. Häufig wird sie verwendet, als ob es unter den zeitgenössischen weltgesellschaftlichen Bedingungen um einen Prozess der zunehmenden Anpassung nichtamerikanischer Gesellschaften an die amerikanische „Führungsgesellschaft“1 gehe. Wie der Titel bereits andeutet, möchte Truninger diesen Pfad soziologischer Modernisierungstheorien, aber auch zeitgenössischer antiamerikanischer Ressentiments verlassen, indem er die Perspektive umkehrt und die „Amerikanisierung Amerikas“ als historischen Prozess wieder aufnimmt, der jedoch „kein Prozess [ist], der einmal stattgefunden hat und nun zu Ende ist, vielmehr schreitet er immer noch fort“. Die leitende Intention ist der Tatsache geschuldet, dass es nur schwer möglich ist, von einem einheitlichen Traditionszusammenhang zu reden, der einen Kern oder die Essenz der amerikanischen Gesellschaft ausmachen könnte und dann in einem zweiten Schritt noch auf andere, ursprünglich nichtamerikanische Gesellschaften zu übertragen wäre. Den zeitgeschichtlichen Kontext, den Truninger seiner Analyse einer fortschreitenden Genese Amerikas zugrunde legt, bildet die Phase des melting pot – also vom Beginn der 1890er Jahre bis zur Ära des New Deal in den 1930er Jahren.

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Berliner Debatte 3 | 2010
Autokratie Heute
191 Seiten

Heinrich Parthey, Günter Spur, Rüdiger Wink (Hg.): Wissenschaft und Innovation. Jahrbuch 2009

4 Seiten | Autor: Sven Trantow

Innovationen gelten als die neue alte Zauberformel für langfristige Wettbewerbsfähigkeit und eine nachhaltige sozioökonomische Entwicklung. Zumindest in den fortgeschrittenen Industrienationen und Wissensgesellschaften ist man sich einig: Wer nicht innoviert, bleibt auf der Strecke. Dabei sind es nicht nur Unternehmen, die auf den zunehmend dynamischen und komplexen Märkten von heute unter Innovationsdruck stehen. Jeder Einzelne muss innovativ sein, um eigenverantwortlich und geradezu unternehmerisch die Herausforderungen eines (hyper)flexiblen Arbeits- und Privatlebens zu meistern. Teams und Netzwerke versuchen durch Heterogenität und Vielfalt neue Ideen zu schaffen und kooperativ umzusetzen. Ja, letztlich sind es ganze Gesellschaften und Kulturkreise, deren langfristiger sozioökonomischer Wohlstand von der gebündelten Kreativität der Mitglieder und der strategischen Umsetzung ihrer Human- und Innovationspotenziale abhängt. So verlangen aktuell beispielsweise die virulenten Fragen nach einer effizienten Reformierung des Finanzsystems sowie nach neuen Wegen aus der volkswirtschaftlichen Schuldenspirale innovative Antworten. Innovationen sind also weit mehr als nur die Erfindung oder Weiterentwicklung technischer Produkte in Verbindung mit einer erfolgreichen Markteinführung. Sie umfassen letztlich alle Arten neuer Ideen, die in der sozialen, ökonomischen, wissenschaftlichen und politischen Lebenswelt umgesetzt werden.

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Berliner Debatte 3 | 2010
Autokratie Heute
191 Seiten

Angela Rohr: Der Vogel

Gesammelte Erzählungen und Reportagen

2 Seiten | Autor: Wladislaw Hedeler

Nach über zwanzig Jahren beendete die gebürtige Österreicherin Angela Rohr die Arbeit an ihren Erinnerungen. Das Manuskript übergab sie einem Diplomaten der österreichischen Botschaft in Moskau, der es 1982 außer Landes brachte. 1989, vier Jahre nach dem Tod der Verfasserin, erschien das Buch unter dem Titel „Im Angesicht der Todesengel Stalins“. Doch in der die Perestroika begleitenden Flut von Publikationen über Verfolgung und Terror gingen die Erzählungen im wahrsten Sinne des Wortes unter. Weil A. Rohr ob ihrer Erfahrungen mit sowjetischen Instanzen keine Namen nannte und sich hinter dem Pseudonym Helene Golnipa verbarg, blieb die Frage, wer sie wirklich war, viel zu lange unbeantwortet.

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Berliner Debatte 3 | 2010
Autokratie Heute
191 Seiten

Gerd Irrlitz: Rechtsordnung und Ethik der Solidarität

Der Strafrechtler und Philosoph Arthur Baumgarten

4 Seiten | Autor: Christine Weckwerth

Zieht man Standardwerke zur Rechts- und Philosophiegeschichte zu Rate, wird man über Arthur Baumgarten (1884-1966) nicht viel erfahren. Baumgarten, einst ein namhafter Rechtstheoretiker, der Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts als einer der wenigen seiner Zunft positiv an die angloamerikanische Tradition des Pragmatismus anschloss, verschwand nach dem Zweiten Weltkrieg weitgehend aus dem Theoriediskurs, und zwar im Westen wie im Osten. Auf westlicher Seite befremdete vor allem seine Annäherung an sozialistische Positionen sowie sein Entschluss, nach dem Krieg in die SBZ und spätere DDR überzusiedeln – mehr als diese Übersiedlung irritierte die westdeutschen Juristen-Kollegen nach Gerd Irrlitz wohl, dass Baumgarten dieses Land nicht wieder verließ. Baumgarten wurde bewusst ins Vergessen geschickt, welche Zurücksetzung in der Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft und Philosophie bis heute anhält. Auch auf östlicher bzw. marxistischer Seite verhielt man sich zunehmend kritisch zu Baumgarten, seine moralphilosophische und metaphysische Argumentation passte nicht ins dogmatische Schema des Marxismus- Leninismus. Der sozialliberale Denker stand offensichtlich zwischen den Fronten, was sich paradigmatisch an der Publikation seiner großen Philosophiegeschichte aus dem Jahr 1945 zeigte: Dieses Werk fand in der Schweiz keinen Verlag mehr, in der DDR durfte die ausgedruckte Neuauflage 1950 nicht erscheinen und wurde eingestampft. Baumgarten, der seine Schweizer Staatsbürgerschaft nie aufgegeben hat, blieb bis zu seinem Tod dennoch in der DDR, was angesichts der realsozialistischen Entwicklung und seiner verminderten wissenschaftlichen Publikationstätigkeit einen tragischen Zug in sich barg.

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Berliner Debatte 3 | 2010
Autokratie Heute
191 Seiten

Die „Natur“ als Einzugsgebiet der Soziologie

'Über Matthias Groß'' Buch „Natur“'

9 Seiten | Autor: Henri Band

Die Soziologie ist ein sonderbares Fach. Von Zeit zu Zeit wird sie von heftigen Allzuständigkeitsfieberphantasien geschüttelt. Dann wiederum brechen massive Minderwertigkeitskomplexe auf, gepaart mit Selbstvorwürfen an die Zunft, man habe wichtige Entwicklungen verschlafen und Schlüsselfragen ignoriert, die längst schon in der Öffentlichkeit diskutiert und von anderen Wissenschaften erfolgreich bearbeitet werden. Manche soziologische Fachpublikationen erwecken bei einem naiven oder fachfremden Leser den Eindruck, die Disziplin pendele zwischen akademischem Tiefschlaf und halbblindem Aktivismus, verpasse häufig den Zug der Zeit, wisse bis heute nicht sicher, worin ihr Kanon an Gegenständen, Theorien und Methoden besteht, und fange gerade erst an, sich ihrer eigentlichen Aufgaben zu besinnen. Neben der relativen Kleinheit, um nicht zu sagen institutionellen Randständigkeit der Soziologie dürften die Auslegungsoffenheit, Komplexität und Politikrelevanz des eigenen Gegenstandsbereiches mit ursächlich für die kommunikative Anschluss-Panik sein, die unter Teilen der Fachvertreter von Zeit zu Zeit aufkommt. Die Annahme, dass Soziologen nichts Menschliches fremd zu sein habe, verführt manche von ihnen zur Suspendierung der Frage, was der spezifische Erkenntnishorizont einer Wissenschaft des Sozialen sein soll – allen guten Soziologie-Definitionen, die es gleichwohl gibt, zum Trotz.

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Berliner Debatte 3 | 2010
Autokratie Heute
191 Seiten