Berliner Debatte Initial
Harald Simons: Transfers und Wirtschaftswachstum
3 Seiten | Autor: Ulrich Busch
Im Ergebnis der friedlichen Revolution von 1989/90 gingen die Staaten Mittel- und Osteuropas zu Demokratie, Marktwirtschaft und Kapitalismus über. Der Umbruch war umfassend und radikal. Er bedeutete nicht nur einen politischen Macht- und Systemwechsel, sondern die Umwälzung der gesamten Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung. Damit verbunden war eine erhebliche Entwertung alles Bisherigen, aller Errungenschaften und Werte des Staatssozialismus, sowie der Neuaufbau von Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft. Die Kosten dafür waren immens und von den Betroffenen allein kaum aufzubringen. Es fehlte an Kapital, Investitionen, Wissen und Personal. Ein riesiger Transferbedarf tat sich auf. Dieser wurde teilweise von außen gedeckt, durch Hilfen internationaler Organisationen, Kredite, Direktinvestitionen usw. Im Falle Ostdeutschlands aber vor allem durch innerdeutsche Transferleistungen.
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Transformation für alle(s)?
9 Seiten | Autor: Raj Kollmorgen
Rolf Reißig, Politik- und Sozialwissenschaftler am Berlin-Brandenburger Institut für Sozialwissenschaftliche Studien (BISS e.V.), der vielen durch seine Mitarbeit am SED-SPD-Dialogpapier (1987) sowie wichtige Beiträge in der Ostdeutschland- und Vereinigungsforschung bekannt sein dürfte, hat im letzten Jahr eine länger angekündigte Monographie mit dem Titel „Gesellschafts-Transformation im 21. Jahrhundert. Ein neues Konzept sozialen Wandels“ vorgelegt. Diese verfolgt – wie Haupt- und Untertitel verraten – ein ambitioniertes Ziel. Reißig zielt auf nicht weniger als ein „neues Konzept sozialen Wandels“. Die Studie will sich in Rücksicht auf die postsozialistischen Umwälzungen nach 1989 mit den westlichen und globalen Umbrüchen seit den 1970er Jahren und eskalierend zu Beginn des 21. Jahrhunderts auf neue Weise auseinandersetzen, will deren Prozessspezifiken und (alternative) Entwicklungsrichtungen aufklären und einer Bewertung zugänglich machen.
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Wie elitär war das Ministerium für Staatssicherheit?
11 Seiten | Autor: Matthias Finster, Uwe Krähnke
Einzelne, medienwirksam aufbereitete Enttarnungen von inoffiziellen Mitarbeitern (IM) des DDR-Staatssicherheitsministeriums2 in den letzten zwei Jahrzehnten sorgten dafür, dass die hauptamtlichen Geheimdienstmitarbeiter weiterhin im Verborgenen blieben. Tatsächlich waren es jedoch die Berufssoldaten in den MfS-Kreisdienststellen, Bezirksverwaltungen und der Berliner Zentrale, die als „Schild und Schwert der Partei“ das staatssozialistische Herrschaftssystem stützten.
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Ist das Land anders?
13 Seiten | Autor: Stephan Beetz
Die Frage nach den Besonderheiten einer ländlichen Gesellschaft ist bereits oft gestellt und mehr oder weniger befriedigend beantwortet worden. Die Selbstverständlichkeit, mit der Begriffe wie „Land“ oder „ländlich“ verwendet werden, steht in schroffem Kontrast zu den Mühen, sie soziologisch zu definieren. Das führte nicht selten dazu, dass die Versuche ganz aufgegeben und eine pragmatische Lösung gesucht werden, d. h. die Begriff soweit zu gebrauchen, wie sie gesellschaftliche Strukturen gut zu beschreiben vermögen. Der Grund, der Frage nach den Besonderheiten erneut nachzugehen, resultiert weniger aus der eigenen Forschungstätigkeit in ländlichen Räumen, sondern liegt mehr in der aktuellen öffentlichen Diskussion, die räumliche Begriffe oft sehr unreflektiert verwendet. So werden in den neuen globalen Ordnungen die Metropolen fast durchgängig als Gewinner, das Land als Verlierer nominiert, ohne dass hinreichend klar wäre, welche gesellschaftlichen Unterschiede mit diesen Begriffen erfasst werden. Dieser Artikel rekapituliert zunächst die unterschiedlichen Ansätze der Beschreibung und Definition der Kategorie Land, und geht anschließend der Frage nach, ob die räumlich orientierten Fachwissenschaften dem gegenwärtigen Metropolendiskurs zu unkritisch gegenüberstehen.
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Zwischen den Fronten humanitärer Interventionen
7 Seiten | Autor: Johannes Peisker
Als Anfang Mai 2008 der Zyklon „Nargis“ weite Teile Myanmars verwüstete und das Militärregime des Landes die angebotene internationale Hilfe zunächst ausschlug, ohne selbst in der Lage zu sein der eigenen Bevölkerung schnell zu helfen, kamen Forderungen auf, es nicht beim Angebot der Hilfe zu belassen, sondern sie gleich selbst und notfalls militärisch durchzusetzen. Ein solches Vorgehen wäre ein Paradebeispiel für eine humanitäre Intervention gewesen: Staatsversagen führt zu einer Katastrophe, die das Eingreifen ausländischer Mächte nach sich zieht. Im vorliegenden Fall ist diese Option, außer von Frankreich, nicht ernsthaft erwogen worden. Dennoch, nicht nur von Naturgewalten ausgelöste und durch menschliches Versagen verstärkte, sondern vor allem auf massiven Menschenrechtsverletzungen beruhende humanitäre Katastrophen lassen regelmäßig den Ruf nach einer militärischen Lösung laut werden. Im Für und Wider dieser Option konstituiert sich eine zentrale Debatte über den legitimen Einsatz militärischer Staatsgewalt gegenüber souveränen Staaten, die aufgrund ihres moralischen Charakters und den immanenten Widersprüchen des Themas kontrovers geführt wird.
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Kein Ende der Demokratie
11 Seiten | Autor: Markus Linden
Diagnosen, die ungeachtet der stetig gestiegenen Anzahl demokratischer Regierungssysteme ein „Ende der Demokratie“ verkünden, erfreuen sich derzeit großer Beliebtheit. Der Gedanke selbst ist natürlich nicht neu. Krisenszenarien haben seit jeher Konjunktur. Kurz nach dem Epochenbruch von 1989/90, der einige zu einem naiven „End-of-History-Denken“ animierte, kursierten beispielsweise Warnungen vor einer „Siegkrise“ der nunmehr „feindlosen“ und deshalb auf ihre endogenen Begründungsmöglichkeiten zurückgeworfenen Demokratie. Zeitgleich stellten Globalisierungsprozesse eine Herausforderung für republikanische Vorstellungen dar. So schrieb Jean-Marie Guéhenno: „Das Ende der Nation bringt den Tod der Politik mit sich. Die politische Auseinandersetzung, gleich welcher Tradition man sich zurechnet, setzt nämlich die Existenz eines politischen Gemeinwesens voraus.“ Sein Buch trug denn auch den Titel „Das Ende der Demokratie“. Solche Zuspitzungen blieben jedoch die Ausnahme. Dominant waren Sichtweisen, die Reform- und Anpassungsoptionen offerierten, wobei in der neuen Konstellation sogar verbesserte Möglichkeiten für die angestrebte globale Durchsetzung des Demokratieprinzips gesehen wurden.
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Frenemies und das „wahre Selbst“
11 Seiten | Autor: Michael Dellwing
Themenfelder werden an ihren Grenzen und Randgebieten konstituiert: Erst die Auseinandersetzungen über unklare Fälle lassen erkennen, wo die Konstruktion eines Feldes sich gerade befindet. Das Feld der Freundschaft ist selbst ein Bereich, dessen soziologische Konstruktion sich noch in den Kinderschuhen befindet und dessen Grenzen noch weitgehend unbearbeitet sind. Gemeinhin wird Freundschaft als freiwillige Verbindung zwischen Individuen thematisiert, als Verhältnis, in denen ein „wahres Selbst“ offenbart wird, und als Refugium in einer Welt, in der traditionelle Bindungen an Kraft verlieren. Insbesondere die Offenbarung eines „wahren Selbst“ scheint jedoch soziologisch frag- und merkwürdig, sucht die Soziologie doch nach den immer wechselnden sozialen Rollen, den alltäglichen Konstruktionsleistungen und der pluralen Emergenz von Selbsten. Sie will und kann kein „wahres Selbst“ hinter diesen Rollen und Performanzen der Person in der sozialen Welt erkennen. Dies führt zu der Frage, ob es soziologisch aufschlussreich ist, Freundschaft als Offenbarung eines „wahren Selbst“ zu begreifen.
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Das Schweizer Minarett-Verbot als Ausdruck eines politischen Paradigmenwechsels
4 Seiten | Autor: Michael Bloch
Das deutliche Ja zu einem in der Verfassung verankerten Minarettverbot durch das Schweizer Stimmvolk am 29. November 2009 stiftete in der Eidgenossenschaft Verwirrung. Nicht nur die Regierung und die Politiker sondern auch die Politikwissenschafter waren von diesem Ergebnis gänzlich überrascht worden und standen nun im Erklärungsnotstand. In den Nachbarstaaten waren die Reaktionen klar geteilt zwischen allgemeiner Ablehnung und begeisterter Zustimmung vor allem rechtsextremer Parteigänger. Die spezifische Diskussion über die Schweizer Abstimmung ist inzwischen weitgehend verebbt und macht anderen Schlagzeilen Platz: Finanzkrise und, was die Schweiz anbelangt, das Bankgeheimnis und die Libyenkrise.
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Öffnet die Schweizerische Volkspartei die Büchse der Pandora?
8 Seiten | Autor: Mathias Lindenau
Mit der Annahme der Anti-Minarett-Initiative durch das Stimmvolk im November 2009 hat die Schweizerische Volkspartei (SVP) einen Sieg auf ganzer Linie errungen. Die Wahlforscher und die Vertreter des Bundesrats gingen davon aus, dass die Bürgerinnen und Bürgern die Vorlage ablehnen würden. Deshalb waren die Konsternation und das Entsetzen groß, als die Mehrheit der Wähler – fast 60 Prozent, außer in den Kantonen Genf, Neuenburg und Waadt sowie Basel-Stadt – ebenso wie die Mehrheit der Stände für die Annahme der Initiative stimmten. Schnell wurde offensichtlich, dass die Anti-Minarett-Initiative den Bundesrat in eine Zwickmühle gebracht hat: Da nach der Schweizer Verfassung Volksinitiativen für die politischen Entscheidungsträger bindend sind, müssen diese bei Zustimmung durch das Stimmvolk in der Verfassung festgeschrieben werden. Andererseits ist auch die Schweiz, z.B. durch ihre Zugehörigkeit im Europarat und der UNO, an internationale Abkommen und Verpflichtungen gebunden. Der daraus resultierende Interessenkonflikt wird am Beispiel der Anti-Minarett-Initiative plastisch: Das Verbot von Minaretten muss nun in die Verfassung aufgenommen werden und erhält damit einen rechtsverbindlichen Charakter. Gleichzeitig verstößt dieses Verbot nach einhelliger Auffassung führender Schweizer Rechtswissenschaftler gegen Artikel 14 der Europäischen Menschenrechtskonvention, die die Schweiz ratifiziert hat.
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Integration 2.0
9 Seiten | Autor: Scott Stock Gissendanner
Die Bedeutung und Praxis von Staatsbürgerschaft ist Gegenstand eines anhaltenden Diskurses und im Westen zu einem prominenten Thema geworden, großenteils aufgrund von demographischen Veränderungen. Der Anteil von Einwanderern der ersten und zweiten Generation an der Bevölkerung Nordamerikas und Europas ist in den letzten Jahrzehnten gestiegen. Noch bedeutender ist die Zunahme der ethnischen und religiösen Heterogenität der Bevölkerungsstruktur in Folge einer wachsenden Zahl asiatischer, lateinamerikanischer und muslimischer Immigranten. Zur Beunruhigung der Europäer trägt auch ein neues Bewusstsein darüber bei, dass Europas Entwicklungsperspektiven aufgrund der niedrigen Geburtenraten der einheimischen Bevölkerung in zunehmendem Maße von Einwanderung abhängen. Vor diesem Hintergrund sowie aufgrund des steigenden muslimischen Anteils unter den Migranten, die nach Europa kommen, hat der Islam hier auch politische Debatten stärker beeinflusst als in den USA.
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