Berliner Debatte Initial
Kurt Bohr, Arno Krause (Hg.): 20 Jahre Deutsche Einheit
4 Seiten | Autor: Günter Krause
Diskurse um die jüngere deutsche Geschichte sind bis heute Kampffelder von politisch wie wissenschaftlich unterschiedlich orientierten Kräften. Gerade das Beispiel der Historisierung von Phänomenen und Prozessen der deutschen Einigung belegt dies überzeugend. Jürgen Kocka machte bereits vor einiger Zeit darauf aufmerksam: „Wie sehr einige unserer Kategorien in der Erfahrung und intellektuellen Verarbeitung des West-Ost-Konflikts verankert waren, beginnt sich erst langsam zu zeigen“1. Doch wo Bemühen um Offenheit und Gleichberechtigung für unterschiedliche Perspektiven, wo erkenntnisbringende Differenzierung und Distanz geboten sind, dominiert nicht selten ein Drang zur Fortschreibung eigener Überzeugungen und Denkmuster.
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In Rußland vor und nach 1989: Zweierlei Grenzüberschreitungen
3 Seiten | Autor: Wladislaw Hedeler
Beide hier vorzustellenden Bücher fußen auf langjährigen, von der Universität Tübingen geförderten Forschungsprojekten. Sie handeln von sowjetischen Lebens- und Erfahrungswelten, die im Westen kaum bzw. nur einem kleinen Kreis von Wissenschaftlern bekannt sind. Dem Buch von Gesine Drews-Sylla über den „Moskauer Aktionismus“ liegt ihre im Sommersemester 2007 an der Eberhard Karls Universität Tübingen angenommene Dissertation zu Grunde. Bei der Studie „Sowjetisch wohnen“ von Sandra Evans, heute am Slavischen Seminar tätig, handelt es sich um die 2008 vorgelegte Dissertationsschrift, die im Rahmen des DFG-Projektes „Intime Texte, intime Räume. Intimität und Nähe der russischen Kultur“ entstand.
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Ans Vergessen erinnern
11 Seiten | Autor: Sebastian Huhnholz
Wie fruchtbar die nur vermeintlich „alte“ Geschichte für unsere Gegenwart ist, hat der große Gelehrte Christian Meier schon häufig gezeigt. Umso bemerkenswerter ist, dass sich in seinem neuen Buch über Erinnerungs- bzw. Vergessenspolitik Alte Geschichte und Gegenwart eher aneinandergereiht sehen, getrennt in zwei ungleich gewichtige Kapitel. Ums Vergessen soll es gehen, auch ums Erinnern, womöglich auch um Gedenkstile und -möglichkeiten angesichts von unzähligen, ja manch monströsen „schlimmen Vergangenheiten“. Entsprechend fragend steht man vor Meiers neuem Buch, in dem ein schon berühmter, älterer und vor allem universalhistorisch angelegter Text über die Nachkriegsoptionen früherer Konfliktparteien kombiniert wird mit einem ausschließlich zeitgenössisch relevanten Beitrag, der uns seine Gedanken zur neuen deutschen Gesellschaft näherbringt.
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Judith Butler: Die Macht der Geschlechternormen und die Grenzen des Menschlichen
2 Seiten | Autor: André Häger
Es gibt eine Reihe von Einführungsbüchern und Überblicksdarstellungen zum Denken von Judith Butler, aber das jüngste Buch der prominenten Theoretikerin kann selbst als Einführung dienen. Das gilt für die darin versammelten elf Aufsätze, die von 1997 bis 2004 bereits an anderer Stelle veröffentlicht wurden, in dreierlei Hinsicht.
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Das Wittenberge-Projekt
6 Seiten | Autor: Heinz Bude, Michael Thomas, Rainer Land, Andreas Willisch
Nach der kulturellen Wende der 80er und 90er Jahre, die den Geisteswissenschaften ihre stillen normativen Voraussetzungen im Sinne einer unbedachten Präferenz für den europäisch-amerikanischen Weg des „weißen fleischessenden Mannes“ bewusst gemacht haben, finden sich diese heute in einer gewissen Isolation von den harten sozialen Problemen unserer Gegenwartsgesellschaft wieder. Man ist diskursanalytisch höchst reflexiv, aber hat den Kontakt zu den Lebensproblemen der Leute verloren, die plötzlich „Nein“ zu Europa sagen, sich zu ursprungsmythischen Volksbegriffen flüchten oder sich überaus wechselhaft in ihren politischen Optionen verhalten. Mit großer Überraschtheit entdeckt man die „Unterschichten“ oder „Verworfenes Leben“ (Zygmunt Bauman) in einem gesellschaftlichen Umbruchsprozess, der scheinbar fortwährend die Richtung verändert und Kontinuität nur in seiner anhaltenden Dynamik aufweist. Nachdem sich die Geisteswissenschaften über die Bedeutung der „Kultur“ aufgeklärt haben, ist die „Gesellschaft“ wieder zu einem unbekannten Gegenstand geworden. Die Menschen haben Angst vor plötzlichem Statusverlust und sehen sich mehr als Opfer unbeherrschbarer anonymer Kräfte denn als Akteure in einem nachvollziehbaren sozialen Wandel. Vor allem aber fühlen sich bestimmte Teile der Bevölkerung abgehängt vom Lebenszuschnitt der „Mehrheitsklasse“ (Ralf Dahrendorf) und aufs Überleben verwiesen.
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Transnationale Märkte zwischen Überlebensökonomie und neuem Kosmopolitismus
10 Seiten | Autor: Regina Bittner
„Ich musste meine Stelle aufgeben, weil mir kein Gehalt mehr gezahlt wurde. Jeder weiß, dass das heute sehr oft und in vielen Unternehmen geschieht. Seit sechs Jahren betreibe ich hier auf dem Markt mein eigenes Geschäft. Und es ist schwer, ein wenig Profit damit zu machen, weil wir eine Menge Steuern zahlen müssen. Das Einkommen hier reicht nur zum Überleben. Aber da ich Selbstunternehmerin bin, habe ich doch ein paar Vorteile: Ich kann freimachen, wann ich möchte, oder eben an bestimmten Tagen nicht arbeiten. Die meisten Waren kommen aus Moskau, Ismailowski und Chernizovskaja sind die billigsten Märkte, um Waren einzukaufen. Ich fahre mit dem Bus dorthin. Wie oft ich fahre, hängt vom Handel ab, manchmal einmal, manchmal zweimal die Woche oder auch nur einmal im Monat. Ich kann es mir nicht leisten, in die Türkei oder nach Polen zu reisen, was die meisten Leute taten, als sie mit ihrem Pendelhandel (shuttle-trade business) Mitte der 1990er Jahre anfingen, zu einem Zeitpunkt, als die Bedingungen dafür günstig waren. Inzwischen können es sich immer weniger Leute leisten, in die Türkei zu fahren. Die, die Anfang der 1990er Jahre damit begannen, haben heute teure Kioske, einige haben sogar Geschäfte eröffnet. Sie können teure Waren verkaufen, ich verkaufe billige.
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Fragmentierung – Realität der Globalisierung
17 Seiten | Autor: Fred Scholz
Seit Ende der 1980er Jahre finden strukturell tief greifende Veränderungen im Entwicklungs- geschehen sowohl der Länder des Nordens als auch des Südens statt. Sie stehen im Zusammenhang mit einer sich weltweit durchsetzenden Liberalisierung, Privatisierung und Deregulierung, dem neoliberalen Credo der Globalisierung. Eindeutiger noch als bisher wird dabei auf Wachstum gesetzt, was in der Vergangenheit fortdauernd aufsteigende wirtschaftlich begründete Entwicklung von Ländern und deren Gesellschaften als Ganze bedeutete. Für die Länder des Südens erlangte dieses Entwicklungsverständnis in der sowohl modernisierungs- als auch dependenztheoretisch begründeten Strategie der nachholenden Entwicklung praktische Bedeutung. Doch die Erfolge gerade im Süden sind bescheiden gewesen und daran hat sich seit der Globalisierung mit ihrer wachstumsbasierten Ideologie nichts geändert. Im Gegenteil: die bestehenden Gegensätze zwischen Nord und Süd und innerhalb dieser, zwischen Reich und Arm, haben sich überall dramatisch verschärft. Diese noch zu erörternde Tatsache veranlasst dazu, das bisher geltende und durch die Globalisierung neu belebte und bestärkte Entwicklungsverständnis kritisch zu hinterfragen.
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Große Welt – Kleine Welt
13 Seiten | Autor: Jörg Dürrschmidt
Als die „Empire Windrush“ am 22. Juni 1948 die ersten 492 Einwanderer aus Jamaika nach London bringt, beginnt der nachhaltige postkoloniale Wandlungsprozess der englischen Gesellschaft. Der Verlust der Empires ist dabei der Gewinn der urbanen Gesellschaft Englands. Einwanderer aus dem karibischen Teil des Commonwealth haben den Alltag der „global city London“, aber auch anderer Großstädte wie Manchester und Bristol, unübersehbar geprägt. Sie kamen als dringend benötigte Arbeitskräfte vor allem für den unterbesetzten Dienstleistungssektor. So sehr man sie aber als Krankenschwestern und Busfahrer brauchte, so schleppend verlief die Überwindung des kulturellen Ressentiments, das ihnen im Alltag entgegenschlug, trotz britischer Staatsbürgerschaft und trotz Sozialisation durch britische Institutionen.
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Überleben in der Peripherie
6 Seiten | Autor: Mathias Wagner
In der öffentlichen Diskussion um die Erweiterung der Europäischen Union seit 2004 werden üblicherweise die Vorteile eines größeren Europäischen Marktes für Individuum und Gesellschaft gepriesen. In der allgemeinen Euphorie werden damit verbundene Verarmungsprozesse an den neuen EU-Außengrenzen freilich oft unterschlagen. Die Verlierer des gesellschaftlichen Wandlungsprozesses entwickeln in dieser Situation Techniken des Überlebens, um sozialer Exklusion zu entgehen. Vor dem Hintergrund unzureichender Systeme der sozialen Transferleistungen bietet sich der informelle Sektor als Alternative an. So sorgen in Polen, als dem größten und bevölkerungsreichsten ostmitteleuropäischen EU-Mitglied, vor allem der illegale Abbau von Kohle in sogenannten „Armengruben“ und der Zigarettenschmuggel an den nordöstlichen Grenzen für mediale Aufmerksamkeit. Am Beispiel des Schmuggels, der sich an der polnisch-russischen Grenze vollzieht, wird an dieser Stelle der Frage nach den gesellschaftlichen Auswirkungen dieses informellen Kleinhandels nachgegangen.
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Victoria by night mit Herrn XXL
4 Seiten | Autor: Judit Miklos
Die Stadtratssitzung heute hat lange gedauert. Die Frühlingssonne geht gerade unter in Victoria, der kleinen Stadt am Fuße der rumänischen Karpaten. Frau B., die jüngste Stadträtin, und ich treten in den kühlen Abend hinaus. Wir zünden uns gerade eine Zigarette an, als Herr S. mit den letzten Stadtratsmitgliedern aus dem Rathaus herauskommt. Alle wollen nach Hause, nur Herr S. nicht. Mit einem leisen Pfeifen nähert er sich uns und zieht seine Amtskollegin Frau B. an sich: „Schätzchen, Du hast heute wieder mal die gesamte Sitzung dominiert, und wie immer hast Du Dich auch heute durchgesetzt!“. Frau B. nimmt das Kompliment mit einem breiten Lächeln entgegen.
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