Berliner Debatte Initial
Manfred Hettling, Bernd Ulrich (Hg.): Bürgertum nach 1945
3 Seiten | Autor: Peter Fischer
Der von dem Historiker Theodor Mommsen (1817–1903) geäußerte und seit der Erstveröffentlichung seines politischen Testaments 1948 viel zitierte Wunsch, ein Bürger zu sein, sowie die gleichzeitige Unmöglichkeit, diesen Wunsch in der Gesellschaft seiner Zeit einzulösen, können exemplarisch für die Geschichte des Bürgertums stehen. Schien doch die Möglichkeit, bürgerliche Tugenden auch über ihre Ursprungsklasse hinaus zu verallgemeinern, wenn überhaupt, nur zu Zeiten einer Hegemonie bürgerlicher Kultur gegeben. Das Beispiel Mommsen zeigt, daß es häufig die „großen Bürger“ sind, die als Vorbild für Bürgerlichkeit stehen und die gleichzeitig für die Ausweitung des Modells des citoyen zu einem allgemeinem gesellschaftlichen Konzept eintreten. Aber noch die größten Kritiker des Bürgertums in der Hochphase des bürgerlichen Zeitalters sind mit ihm verwoben und können dies nie ganz überwinden. Selbst der Übervater der Kritik am Bürgertum, Karl Marx, heiratet in eine zutiefst bürgerliche Familie ein.
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Birgit Schwelling (Hg.): Politikwissenschaft als Kulturwissenschaft
3 Seiten | Autor: Thilo Raufer
Was macht die Politikwissenschaft als Kulturwissenschaft aus? Was sind die zentralen theoretischen und methodologisch-methodischen Annahmen, die derartigen Ansätzen zugrunde liegen? Welche politikwissenschaftlichen Nachbardisziplinen leisten in welcher Weise Beiträge zu dieser Diskussion? Dies alles sind Fragen, die in dem von Birgit Schwelling herausgegebenen Sammelband zur ‚Politikwissenschaft als Kulturwissenschaft‘ aufgegriffen und von den Autoren in theoretischer und empirischer Perspektive bearbeitet werden. Heraus kommt ein lesenswerter, wenn auch disparater Überblick dessen, was alles unter kulturwissenschaftlicher Politikanalyse verstanden werden kann, wie sich ein solcher Ansatz gewinnbringend in divergierenden Forschungsfeldern einsetzen läßt und was der derzeitige Kenntnisstand auf diesem Forschungsgebiet ist.
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Sprache ist nicht das Problem
13 Seiten | Autor: Nicole Dörr
Der Versammlungssaal eines Theaters, irgendwo in Genua, Juli 2003, 40 Grad Hitze, die Luft zum Schneiden. Es tagt die Vorbereitungsversammlung zum Europäischen Sozialforum (ESF). Europas globalisierungskritische Bewegungen sind an den Ort der Demonstrationen gegen den G8-Gipfel zurückgekehrt, um in Genua über die Zukunft eines „anderen Europas“ zu reden. Hier spricht nicht jedeR die gleiche Sprache. Doch begleitet von Simultandolmetschern debattieren die etwa 150 AktivistInnen miteinander. Es wird gestritten, verhandelt, geschrieen und auf den Gängen getuschelt. Nach der Versammlung geht es weiter auf die Demonstration zum Gedenken an Carlo Giuliani, der hier zwei Jahre zuvor unter den Schüssen der Polizei starb. Die angereisten TeilnehmerInnen an der Vorbereitungsversammlung zum Europäischen Sozialforum kommen aus Portugal oder Rußland, Bulgarien und Schweden, Paris oder Istanbul und lassen sich offenbar nicht von der massiven Polizeipräsenz vor dem Eingang beeindrucken. „There is a space, but a space without a place. There are networks. It’s a new place but the same scene for the same people. And some work. And I live a lot of my life inside ...“, sagt Helena Torgeson von Attac Schweden.
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Drache gegen Sonne
8 Seiten | Autor: Roland Benedikter
Die jüngsten Spannungen zwischen China und Japan – mit wochenlangen chinesischen Demonstrationen, ungewöhnlich scharfen öffentlichen Auseinandersetzungen und gegenseitigen diplomatischen Brüskierungen – im April und Mai 2005, aber auch der Besuch des taiwanesischen Oppositionsführers in Peking Ende April 2005 haben es ein weiteres Mal symptomatisch gezeigt: Der Raum zwischen China, Japan und Taiwan wird immer mehr zu einem mitentscheidenden Raum für die globale Zukunft. Hier herrscht nicht nur die dichteste Militärkonzentration der Welt – zwischen China, Rußland, den USA, Japan, Taiwan, Nord- und Südkorea sowie den angrenzenden asiatischen Staaten. Sondern hier schwelt auch ein enormes Konfliktpotential für die kommenden Jahre. Es handelt sich um die Region, die nicht wenige renommierte Autoren als den Herd eines möglichen dritten Weltkrieges, aber auch als den Ort der wichtigsten Weichenstellungen für die Richtung der künftigen Weltgesellschaft bezeichnen. Dabei kommt dem Verhältnis zwischen China und Japan eine Schlüsselrolle zu.
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Gibt es überhaupt „Staatszerfall“?
11 Seiten | Autor: Klaus Schlichte
Spätestens seit die Europäische Union wie auch die USA das Problem von failed states als eine zentrale Bedrohung in ihre sicherheitspolitischen Kerndokumente aufgenommen haben, wächst sich das Thema zu einer fragwürdigen Größe aus. Staatszerfall wird zur „globalen Bedrohung“, eine „Herausforderung an die Weltordnung“ in „einer Zeit des Terrors“, ein „globales Sicherheitsrisiko“, besonders im „hoffnungslosen Fall“ des subsaharischen Afrika – so die Formulierungen in den Titeln eines Schwerpunkthefts der Zeitschrift Internationale Politik, die die Debatte recht typisch widerspiegeln. Auch der parlamentarische Staatssekretär im deutschen Verteidigungsministerium, Walter Kolbow, sieht in „Staatszerfall und Staatsversagen Bedrohungsformen auf globaler Ebene“.
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Der Nichtnazi
8 Seiten | Autor: Hartwig Schmidt
1968, bekanntlich ein denkwürdiges Datum, findet sich eine Gruppe französischer Intellektueller zusammen, die man allerdings schwerlich als 68er in dem üblicherweise gemeinten Sinne bezeichnen kann: eine Gruppe von Rechtsintellektuellen. Fortan wird sie unter dem Namen „Nouvelle Droite“ öffentliche Aufmerksamkeit zu finden versuchen. Von Anfang an das Haupt der Gruppe: Alain de Benoist, Jahrgang 1943, Autor von rund 45 Büchern, darunter von einem, das die honorige Académie Française 1978 mit ihrem Grand Prix de l’Essai auszeichnet. Er und die Seinen legen großen Wert darauf, als neue Rechte wahrgenommen und mit den alten Rechten nicht verwechselt zu werden. Vom Nazismus, Faschismus und Antisemitismus distanzieren sie sich. Dem Selbstverständnis nach denken sie dezidiert rechts und sind doch weder dem Nazismus noch dem Neonazismus verhaftet. Das hat Benoist nun nicht davon abhalten können, zur deutschen Ausgabe eines seiner Bücher das Vorwort von Armin Mohler schreiben zu lassen – einem deutschen Rechtsintellektuellen, der gelegentlich schon einmal bekannt hat, Faschist zu sein. Um so interessanter die Frage, worin das Neue an diesen neuen Rechten bestehen soll, ob und inwiefern sie rechtes Denken, Rechtsideologie allen Ernstes auf neue Weise darbieten.
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Schule als soziales Unternehmen
13 Seiten | Autor: Adalbert Evers
Insbesondere im Kontext der PISA-Diskussionen ist Schule zum Politikum geworden. Im Zentrum der jüngsten international vergleichenden Untersuchungen standen Leistung und Bildungsgerechtigkeit. In Deutschland hat das Erschrecken über die extreme Leistungsstreuung an deutschen Schulen ebenso wie die Tatsache, daß mehr als in anderen Ländern Bildungserfolge an die soziale Herkunft der Schüler gebunden bleiben, zu einer Debatte geführt, die sich vor allem auf Fragen der Pädagogik, der Chancen einer frühen, im vorschulischen Bereich ansetzenden Bildung und einmal mehr auf die Infragestellung des gegliederten Schulsystems konzentriert. Gleichzeitig gibt es jedoch weitere Diskussionsstränge, die auf die Institution Schule gerichtet sind. Sie verdeutlichen, daß es bei der Veränderung von Schule um mehr geht als um die Modernisierung von Pädagogik und Curricula.
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Schulentwicklung an der Grenze
12 Seiten | Autor: Jörg Nicht
Die Öffentlichkeit ist beunruhigt: Bis 2007 schließen in Sachsen 83 der etwa 1700 Schulen. In den anderen ostdeutschen Bundesländern werden wohl ähnliche Konsequenzen aus der demographischen Entwicklung gezogen. Auch einige westdeutsche Regionen haben „Entvölkerung“ sowie „Schrumpfungen“ zu bewältigen, die allerdings im Ausmaß geringer als in Ostdeutschland ausfallen. Demographische Entwicklung und Schulentwicklung (im Sinne von Schulnetzplanung) stehen in einem Zusammenhang. Den Schülerzahlen muß das Angebot an Schulplätzen entsprechen. Das kann dazu führen, daß bei steigenden Schülerzahlen Schulen neu gebaut werden, und daß Schulen geschlossen werden, wenn die Schülerzahlen sinken. Wenn die Schülerzahlen so massiv sinken, wie in den letzten Jahren in den meisten Regionen Ostdeutschlands, erscheint die Lösung, die Zahl der Schulen zu reduzieren, als alternativlose Strategie. Doch sind wirklich keine anderen Lösungen denkbar? Zwar ist die demographische Entwicklung zunächst maßgeblich, doch hängt auch von der Struktur eines Schulsystems ab, wie das Schulnetz und die Einzelschule aufgebaut sind. Das in Deutschland etablierte differenzierte Schulsystem geht mit einer mehrgliedrigen Schulstruktur (Gymnasium, Realschule etc.) einher und benötigt – ökonomisch gesprochen – mehr Input, also höhere Schülerzahlen, als ein wenig gegliedertes System mit einzügiger Schulstruktur.
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Wächst die Gewalt an Schulen?
12 Seiten | Autor: Ulrike Popp
Über „Gewalt an Schulen“ wird gegenwärtig in Österreich intensiv diskutiert, die Nachfrage nach Forschungsergebnissen über Momente der partizipativen Gewaltprävention ist stark angestiegen. In Deutschland begann eine intensive und theoriegeleitete Forschung über Gewalt an Schulen bereits Anfang der 1990er Jahre. Das aufkommende Interesse an der Frage, inwieweit deutsche Schulen sichere oder unsichere Aufenthaltsorte sind, war zum einen den Befunden über die Zunahme von Jugendgewalt und rechtsextremen Orientierungen geschuldet.
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Die geteilte Bildungsexpansion
15 Seiten | Autor: Michael Vester
Zwischen der öffentlichen Diskussion und der soziologischen Forschung über die Bildungschancen bestehen erhebliche Diskrepanzen. In Öffentlichkeit und Politik dominiert das „meritokratische“ Marktmodell. Es verspricht allen, sich im freien Leistungswettbewerb einen angemessenen Platz in der Bildungs- und Berufshierarchie erarbeiten zu können. An die Stelle der „geerbten“ Reichtümer und Machtstellungen sei eine Struktur durch Leistung „verdienter“ Ungleichheiten getreten, die „Meritokratie“.
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