2009

Demokratie okay, aber für alle?

Demokratieunzufriedenheit und selektive Demokratie in Mittel- und Osteuropa

16 Seiten | Autor: Mihai Varga, Annette Freyberg-Inan

In der politikwissenschaftlichen Literatur zu Mittel- und Osteuropa (MOE) ignoriert man weitgehend eine Entwicklung, die seit dem Beginn der 1990er Jahre andauert und sich heute vielerorts noch verstärkt. Die Unzufriedenheit der Bürger mit ihren neuen demokratischen Systemen galt lange als wenig relevant, vor allem da sie bislang nicht direkt zu demokratiegefährdenden Massenbewegungen geführt hat und anscheinend nicht mit einer prinzipiellen Ablehnung der Demokratie als solcher einhergeht. Die wirtschaftlichen Reformen der ersten Hälfte der 1990er Jahre lösten zwar Proteste aus, diese stellten aber die Demokratie als politisches System nie explizit in Frage. In Meinungsumfragen wie den Eurobarometer-Untersuchungen und in relativ niedrigen Wahlbeteiligungen wird jedoch eine massive Enttäuschung mit den neuen politischen Systemen sichtbar.

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Umbruch ohne Revolution? Beitritt statt Transformation?

Zur Deutung des ostdeutschen Wandels seit 1989 im mittelosteuropäischen Kontext

14 Seiten | Autor: Raj Kollmorgen

Auch zwanzig Jahre nach dem Herbst 1989 bleibt trotz der Füllung ganzer Bibliotheken zum „Untergang des Kommunismus“, den „Transitionen“ und „Modernisierungen des Ostens“ strittig, worum es sich im „annus mirabilis“ und bei den mittelosteuropäischen Umwälzungsprozessen seit 1989 gehandelt hat. Dabei ragt – gleichsam in Fortsetzung der alten „Sonderweg“-Debatte – der ostdeutsche Fall heraus. Gerade für diesen wurde nicht nur der revolutionäre Charakter des Umbruchs 1989 in Frage gestellt, sondern ebenso heftig diskutiert, ob denn nach dem Beitritt überhaupt eine Transformation wie in Mittelosteuropa stattgefunden habe oder nicht vielmehr von einem postsozialistischen „Unfall“ gesprochen werden muss. Der folgende Beitrag setzt sich mit diesem doppelten Interpretationsproblem auseinander. Er beginnt mit einer ereignisgeschichtlichen Skizze des demokratischen Umbruchs im Jahr 1989, um anschließend die Prozesslogik nach dem Beitritt zusammenzufassen. Eine Bestimmung des Wandlungstypus Gesellschaftstransformation und seiner postsozialistischen Form liefert dann den Rahmen, um den 89er Umbruch hinsichtlich seines revolutionären Charakters und die Qualität der ostdeutschen Transformation nach 1990 in komparativer Perspektive gehaltvoll zu interpretieren.

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Staatseinnahmen ohne Belastung oder: Heimfall statt Besteuerung

Ein Vorschlag zur Senkung der Steuern durch eine Ausweitung des Heimfallrechts, nebst kritischen Anmerkungen zur Besteuerung von Erbfolgen in der Seitenlinie, wie sie der Haushalt vom 7. Dezember 1795 vorsieht

20 Seiten | Autor: Jeremy Bentham

Der erste der beiden hiermit dem Publikum vorgelegten Essays schlägt eine neue Einnahmequelle vor. Er wurde im September 1794 bei der zuständigen Behörde eingereicht, ohne daß ihm das Glück beschieden gewesen wäre, weiterer Aufmerksamkeit für würdig erachtet zu werden. Die Argumente, die er enthält, sprechen zweifellos für sich. Keines von ihnen wurde bestritten oder von seinem Empfänger auch nur angeführt, der lediglich sachlich feststellte, es sei in jüngster Zeit nicht üblich gewesen, daß die „Krone“ von jener Art Vorrecht Gebrauch macht, das für den öffentlichen Nutzen weiterzuentwickeln hier vorgeschlagen wird.

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Vom Nutzen der Toten für die Lebenden

Zu Jeremy Benthams „Staatseinnahmen ohne Belastung“

8 Seiten | Autor: Peter Niesen

Nachdem er seine frühen Arbeiten vornehmlich der Abrechnung mit seinen rechtstheoretischen Vorläufern, insbesondere William Blackstone, gewidmet hat, wendet sich Jeremy Bentham im Jahre 1787 erstmals Fragen der politischen Ökonomie zu. Seine ersten Überlegungen knüpfen direkt an Adam Smiths „Wohlstand der Nationen“ an. Die „Verteidigung des Wuchers“, die sich in einer Hallenser Ausgabe von 1788 auch rasch im deutschsprachigen Raum verbreiten sollte, überbietet Smith in ihrem uneingeschränkten Plädoyer für ökonomische Deregulierung. Sie stellt nach dem „Fragment on Government“ Benthams zweiten Publikumserfolg dar und ermutigt ihn, sich nach einer produktiven, aber wenig einflussreichen Phase zwischen 1788 und 1792, in der er sich vergeblich als Verfassungsberater für die Französische Nationalversammlung zu betätigen versuchte, wieder ökonomischen Fragen zuzuwenden. Diesmal beschränkt er sich nicht wie in der „Verteidigung des Wuchers“ darauf, Staatseingriffe in die Wirtschafts- und Finanzwelt zu skandalisieren, sondern setzt einen konstruktiven Vorschlag an deren Stelle. „Staatseinnahmen ohne Belastung“ von 1795 ist die erste Veröffentlichung, in der Bentham seine Neigung zu praktischen Verbesserungsvorschlägen auf dem Gebiet der politischen Ökonomie zur Geltung bringt.

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Schumpeter und der New Deal

13 Seiten | Autor: Rainer Land

Schumpeter begründete in den 1940er Jahren Zweifel an der Zukunft des Kapitalismus. Gleichzeitig aber entstand vor seinen Augen, in den USA der späten 1930er und der 1940er Jahre, diese Zukunft (eine Zukunft auf Zeit, nicht auf ewig!) – und zwar mit dem New Deal. Schumpeter hatte eigentlich alle theoretischen Instrumente, sie zu erkennen. Aber er erkannte sie nicht. Er lehnte den New Deal ab. Er sah den Beginn des größten Investitionsbooms, des größten Produktivitäts- und Wachstumsschubs, den es jemals gegeben hatte, er sah eine Reihe von neuen einzelnen Tendenzen – etwa die Massenproduktion, die bis dahin nie da gewesene Rate der Lohnsteigerung und die vorher nie denkbar gewesene Einkommensumverteilung durch die Steuerpolitik des Staates, – aber er sah diese nicht als Elemente eines neuen sozioökonomischen Settings, das den Kapitalismus für wenigstens einen langen Zyklus (von 50 bis 60 Jahren) retten könnte, er sah nicht den Geburtsakt eines neuen Kapitalismustyps, sondern ein bedrohliches Szenarium des Niedergangs.

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Schumpeters Diagnose zu Wandel und Krisen im Kapitalismus

8 Seiten | Autor: Nils Otter

Vor ungefähr zwölf Monaten löste der Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers eine weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise beträchtlichen Ausmaßes aus. Von einzelnen Ausnahmen und Krisenpropheten abgesehen wurden sowohl die Wirtschaftswissenschaftler als auch die politischen Eliten von den Krisenerscheinungen des Kapitalismus überrascht, theoretische Ratlosigkeit herrschte allerorten.

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Joseph A. Schumpeter und die kreative (Selbst-)Zerstörung des Kapitalismus

10 Seiten | Autor: Christoph M. Michael

In der Geschichte des ökonomischen Denkens steht Joseph Schumpeters Begriff der schöpferischen Zerstörung (creative destruction) wohl nur jener durch Adam Smith geprägten Metapher der unsichtbaren Hand in Bekanntheit und Singularität nach. Während Smiths Behauptung der unsichtbaren Hand des Marktes der immer komplexeren, zivilen Tausch- und Verkehrsgesellschaft (civil and commercial society) eine natürliche Selbstregulierungsfähigkeit attestiert und damit gleichzeitig auch die Gegenbegrifflichkeit zwischen Gemeinwohl und Eigeninteresse zumindest semantisch dadurch aufhebt, dass Gemeinwohl zu einem nicht intendierten Abfallprodukt der rationalen Verfolgung von Individualinteressen degradiert und als gesellschaftliches Problemfeld so quasi aufgelöst wird, beansprucht Schumpeter mit der Formel der schöpferischen Zerstörung nicht weniger als die eigentliche Triebfeder der kapitalistischen Wirtschaftsweise zu beschreiben. Statt einer Invisibilisierungsstrategie,1 die nicht nur darauf abzielt, staatliche Eingriffe in das natürliche (Markt-)System der Freiheit zurückzuweisen, sondern auch den Staat selbst unter die Kontrolle der unsichtbaren Hand zu zwingen, steht bei Schumpeter eine Dynamik von zivilisatorischer Bedeutung im Vordergrund.

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Schumpeters Politische Ökonomie und der Sozialismus

7 Seiten | Autor: Marcus Llanque

Schumpeter gehört zu jenen Vertretern der Politischen Ökonomie, die zur Erklärung gesellschaftlicher Zustände und ihrer Entwicklung zumindest anstreben, ökonomische von politischen, psychologischen oder soziologischen Faktoren beeinflusst im Blick zu behalten. Schon die „Theorie der ökonomischen Entwicklung“ von 1912 zeigte mit ihrem berühmten 7. Kapitel zu den ökonomisch wirksamen kulturellen Faktoren Schumpeters Interesse, Ökonomie als gesamtgesellschaftliches Thema zu verstehen. Von der sozialen und politischen Stellung des Unternehmers ist darin die Rede und von der „moralischen Atmosphäre“ der kapitalistischen Wirtschaft. Sein Begriff des Unternehmers lebt von Analogien mit anderen Formen von „Führung“, insbesondere ihren politischen Ausprägungen, wobei er später auch den Spuren Max Webers folgt. Den Höhepunkt dieser Verknüpfung unterschiedlichster Faktoren zu einer Gesamtanalyse bietet „Capitalism, Socialism and Democracy“ (im Folgenden CSD und für die deutsche Ausgabe KSD). Hier kombiniert Schumpeter Demokratietheorie sowohl mit ökonomie-theoretischen als auch mit ökonomie-geschichtlichen Elementen, ferner politisch-institutionentheoretische mit politisch-historischen Beobachtungen.

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Irrationale Rationalität und rationale Irrationalität

Die Grenzen der Demokratiekonzeption von Joseph Schumpeter

7 Seiten | Autor: Gary S. Schaal

„Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie“, von Joseph Schumpeter veröffentlicht, wird häufig als Vorläufer der vom Rational Choice-Ansatz inspirierten Demokratietheorie interpretiert, deren erster Klassiker im 20. Jahrhundert das 17 Jahre später publizierte Werk „An Economic Theory of Democracy“ von Anthony Downs ist. Diese Interpretation ist jedoch gleich in doppelter Hinsicht problematisch: Einerseits, da Schumpeter – anders als die gängigen Werke der Rational Choice-Theorie – davon ausgeht, dass ein ökonomisches Modell menschliches Handeln nicht in allen Sphären des Lebens erklären kann. Andererseits, da seine Demokratietheorie – wie Harald Bluhm in diesem Heft ausführt – auf eine irritierende Art und Weise von seinem sonstigen ökonomischen Werk abweicht. Dominiert bei letztem die Vorstellung eines dynamischen Marktes, so wird die Demokratie in den Kategorien eines sehr statischen Modells der Wirtschaft paraphrasiert. Doch genau aufgrund dieses theoriestrategischen Manövers verliert die Demokratie nicht nur viel von ihrer normativen Attraktivität, sondern auch ihre Adaptionsfähigkeit, die Kapazität, sich veränderten gesellschaftlichen, ökonomischen oder politischen Kontexten effizient anzupassen.

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Schumpeters Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie –

Ein Plädoyer für neue Lesarten

14 Seiten | Autor: Harald Bluhm

Es gibt verschiedene Definitionen eines Klassikers, personen- und werkbezogene, jene zum Beispiel, wonach ein Werk diesen Status erlangt, wenn es nach 50 Jahren noch gedruckt und gelesen wird. Nimmt man diese Bestimmung, dann ist Schumpeters Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie (im Folgenden auch als KSD abgekürzt) zweifellos ein Klassiker. Weitaus skeptischer hat sich Niklas Luhmann zu Klassikern geäußert: Er behauptet, dass der Klassikerstatus sozialwissenschaftlichen Büchern dann verliehen wird, wenn ihre Zeitdiagnose überholt ist und man andere Gründe finden muss, um sich mit ihnen zu beschäftigen. Diese Kritik an Klassikerexegese hat einen treffenden Punkt, greift aber für das Verständnis von Schumpeters Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie zu kurz. Was dieses Werk als Klassiker auszeichnet und warum es sich lohnt, Schumpeter neu zu lesen, soll einleitend zum Schwerpunkt dieses Heftes knapp umrissen werden, bevor ich dann einige Fragen aufwerfe, die gängige Klassifikationen von Schumpeters Schrift in Frage stellen und Voraussetzungen für neue Deutungen sind .

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