Berliner Debatte Initial
„Bei Fürsten ist kein Raum für Philosophie.“
8 Seiten | Autor: Felix Wassermann
Utopien und Politikberatung – nichts scheint weniger miteinander gemein zu haben. Wer ferne utopische Welten imaginiert, der erscheint ungeeignet für die naheliegende Beratung der praktischen Politik. Wer umgekehrt versucht, der politischen Praxis Ratschläge zu erteilen, der scheint seinerseits gut beraten, von utopischen Vorstellungen Abstand zu nehmen. Doch steht am Anfang der Utopie die Frage der Politikberatung: Thomas Morus’ „Utopia“ lässt sich als Erörterung darüber lesen, inwieweit die Politik durch Gelehrte beraten werden kann oder ob eine solche Politikberatung „utopisch“ ist. Ausgehend vom „Dialogue of Counsel“ im ersten Teil der „Utopia“ geht der Aufsatz dem facettenreichen Wechselverhältnis von politischer Utopie und Politikberatung nach und fragt nach den damit verbundenen Politik- und Politikberatungsverständnissen.
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Libertalia – eine utopische Republik der Seeräuber?
10 Seiten | Autor: Thomas Schölderle
Die Libertalia-Legende ist eine fiktionale Episode in der ansonsten historisch weitgehend zuverlässigen „Allgemeinen Geschichte der Piraten“. Diese erschien 1724 unter Pseudonym und wurde später lange Zeit Daniel Defoe zugeschrieben. Mittlerweile erscheint auch Defoe als Autor unwahrscheinlich. Von der Utopieforschung blieb der Text bisher weitgehend unbeachtet – zu Unrecht, denn die Geschichte der Koloniegründung durch eine libertäre Piratengemeinschaft ist nicht nur durch eine fundamentale Kritik an den sozialen, religiösen und politischen Strukturen des alten Europa motiviert, sondern liefert auch das Porträt einer alternativen Gesellschaftsorganisation mit erstaunlich fortschrittlichen Ideen: Viele Jahrzehnte vor der Französischen Revolution und der Erklärung der Menschenrechte imaginiert die Libertalia-Geschichte eine Gemeinschaft auf Basis von Freiheit, Demokratie, Gleichberechtigung, Gütergemeinschaft, Sozialversicherung und kultureller Toleranz.
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Gesamtkunstwerke als Form des Utopischen
14 Seiten | Autor: Magdalena Schulz-Ohm
Ab 1921 gestaltete der expressionistische Bildhauer und Maler Johann Michael Bossard sein Anwesen in der Lüneburger Heide zu einem der umfassendsten realisierten Gesamtkunstwerke. Der Aufsatz stellt dieses als Versuch vor, „Utopie zu leben“ und setzt es in Beziehung zu Richard Wagners Konzept des Gesamtkunstwerks. Bossard folgte Wagners Anspruch einer Neuschöpfung der Gesellschaft durch die Kunst. Am Beispiel von Bossards Gesamtkunstwerk werden die sowohl theoretischen wie praktischen Bemühungen gezeigt, durch die Kunst die erforderlichen Veränderungen für eine gesellschaftliche Utopie zu initiieren. Die Ernsthaftigkeit dieser Anstrengungen, aber auch das Scheitern der Utopie am gesamtgesellschaftlichen Anspruch werden deutlich.
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Zur Ordnungsform der Utopie: Zwischen Ermächtigungs- und Trostfunktion
11 Seiten | Autor: Sandra Markewitz
Utopien haben die Menschen getröstet, aber sie haben auch Wege aufgezeigt, wie zu leben sei. Nach dem theoretischen Abschied vom Möglichen, das sich nicht zu verwirklichen schien und im Blick auf konkrete Handlungsoptionen blass blieb, stellt sich die Frage nach der Funktion des Utopischen im Sozialen neu: Unterschieden wird zwischen Ermächtigung und Trost, die die Utopie bietet. Im Unterbrechen des Abbildimpulses in symbolischen Beschreibungen gesellschaftlicher Situationen liegt eine Pointe der Schreibweisen des Utopischen, die einen Interpretationsraum öffnen, der bis heute nicht ausgeschritten ist und Trost an die Möglichkeit bindet, ermächtigend zu wirken, indem Ermächtigung im Sinne der Mentalisierung der Utopie als Fähigkeit gedacht wird, die unterschiedlichen Zeiten angepasst werden kann.
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Transhumanismus und Sozialphysik
10 Seiten | Autor: Reinhard Heil
Der Aufsatz untersucht das Verhältnis von auf die Gestaltung der Gesellschaft zielenden Technikvisionen und Utopien. Führen solche Technikzukünften das Erbe der Utopie fort? Und welche Implikationen hat das für den utopischen Diskurs? Am Beispiel von Fereidoun M. Esfandiarys „Up-Wingers“ und Alex Pentlands „Social Physics“ wird in dem Aufsatz diskutiert, inwieweit sich transhumanistische und technikvisionäre Entwürfe als Utopie betrachten lassen. Dafür werden die beiden Technikzukünfte vor der Folie des intentionalen Utopiebegriffs Gustav Landauers und Karl Mannheims, des klassischen Utopiebegriffs von Richard Saage sowie der Utopiekritik Karl R. Poppers betrachtet und im Kontext der Utopie verortet.
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Dystopie im Kino
13 Seiten | Autor: Tobias Albrecht, Anastasiya Kasko
In der ambivalenten Natur von Utopie und Dystopie liegt ihre schöpferische Kraft als Mittel der ästhetisierten Kritik der gesellschaftlichen Verhältnisse. Zum 500. Jahrestag von Morus’ „Utopia“ scheint eine Revision dieses kritischen Potentials geboten zu sein. Ausgehend von drei Dikta der kritischen Theorie Theodor W. Adornos – das notwendige Verzichten auf die Utopie, die Sensibilität der ästhetischen Zeugnisse für die gesellschaftlichen Missstände und die immanente Tendenz der kapitalistischen Gesellschaft, alles und alle zur Ware zu machen – untersucht der Aufsatz das gesellschaftskritische Potential dystopischer Darstellungsform am Beispiel von drei Filmen: „Children of Men“, „Snowpiercer“ und „Mad Max: Fury Road”.
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Beyond (Re-)Production
11 Seiten | Autor: Felicita Reuschling
Die Geschichte einer feministischen Perspektive in literarischen und gesellschaftlichen Utopien ist relativ jung und von vielen Auseinandersetzungen geprägt. Der Aufsatz zeichnet die Vorstellungen zu Reproduktionsverhältnissen und Fortpflanzung in den utopischen Texten von Charlotte Perkins Gilman, Alexandra Kollontai, Shulamith Firestone, Marge Piercy und Donna Haraway nach. Anhand dieser werden exemplarisch Etappen der feministischen Utopie im 20. Jahrhundert aufgezeigt.
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Utopiebewusstsein – Formen und Funktionen utopischen Denkens
10 Seiten | Autor: Alexander Neupert-Doppler
In dem Aufsatz werden drei Perspektiven auf das utopischen Denkens zusammengeführt. Zunächst wird die Entwicklung der Formen der Utopie nachgezeichnet, dabei wird zwischen literarischen Roman-Utopien, (früh-)sozialistischen Siedlungs-Utopien und politischen Befreiungs-Utopien unterschieden. In einem zweiten Schritt werden Ansätze zu einer Rehabilitation von Utopie, wie sie im 20. Jahrhundert diskutiert wurden, anhand möglicher Funkionen von Utopie erörtert. Im Mittelpunkt der Überlegungen stehen Utopie als Ausdruck von Kritik und Möglichkeitssinn, als Tradition und als Motivationsquelle. Schließlich wird mit der Frage nach den TrägerInnen utopischen Bewusstseins eine Perspektive eröffnet, wie Utopieforschung mit einem funktionalen Utopiebegriff zur Erforschung sozialer und politischer Bewegungen beitragen könnte.
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Postsozialistische Romantik
13 Seiten | Autor: Ulrich Busch
„Zukunftsvorstellungen strukturieren den Erwartungshorizont einer Gesellschaft“ (Lucian Hölscher). Utopien bilden eine spezifische Variante davon. Angesiedelt zwischen Fiktion und Realität überschreiten sie die Faktizität, bleiben aber mit ihrer Kritik auf die Wirklichkeit bezogen. Das Verhältnis von Sozialismus als Idee einer Alternative zum Kapitalismus und Utopie war von Anfang an ein besonderes. Lange Zeit zunächst als Utopie existierend, dann, wenn auch verzerrt und defizitär, zur Realität geworden, tritt der Sozialismus heute erneut als Utopie auf. Deren Rückgriff auf utopische Vorstellungen aus der Vergangenheit führt, so die These, zu einer „postsozialistischen Romantik“. Mit welchen Implikationen eine solche Entwicklung verbunden ist und mit welchen Modifizierungen der ursprünglichen Idee diese einhergeht, soll in diesem Aufsatz erörtert werden.
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Vom Traum, der narrte bis zum Irresein
19 Seiten | Autor: Astrid Volpert
Als die Studenten der Dessauer Werkstatt für Wandmalerei im Sommer 1928 auf der Baustelle von Haus Lewin in Zehlendorf für die Kamera eines Freundes posieren, sind sie voller Tatendrang. Am Bauhaus stellen sie Denken und Arbeit in den Dienst einer ersehnten neuen Gesellschaft. Mit Kostufra-Kommilitonen agitieren sie für die sowjetische Avantgardekunst und neue Wohnformen im Sozialismus. Erich Borchert (1907–1944) und Gerhard Moser (1908–1939) sind zwei junge Bauhäusler aus Erfurt und Berlin, die zunächst eigene Wege gehen. 1935 treffen sie in Moskau wieder zusammen: Borchert steht seit sechs Jahren in intensiven Arbeitsaufgaben bei der Planung und Ausgestaltung neuer Architekturformen. Die Partei als führende Kraft braucht er dazu nicht. Das Überleben des jüdischen Preußen Moser aber hängt von der Hilfe der Genossen ab: Seit der Haft im KZ Börgermoor plagt ihn eine Lungen-TBC, die UdSSR bietet ihm die lebensrettende Kur. Sie war sein Traumland, das er schon 1928 bereist hatte. Acht Jahre später ist er als Politemigrant angewiesen auf das, was MOPR (IAH) und Komintern ihm gestatten. Ende der 1930er Jahre wandelte sich auch Borcherts Traumjob in einen Alptraum. Obwohl beide Bauhäusler engagiert mit künstlerischer Feder den deutschen Nationalsozialismus bekämpfen, in Moskau Integrationswillen und innovative Berufsleistungen zeigen, bleiben sie für die Sowjets Außenstehende. Unter Stalins Herrschaft werden sie zu Fremden und Feinden gestempelt. Moser starb 31-jährig im Haftkrankenhaus der Butyrka, Borchert im Alter von 37 Jahren in der kasachischen Steppe. Der Aufsatz erschließt anhand bislang unbekannter russischer Nachlass- und Archivquellen die verdrängten Biographien und das in Deutschland vergessene Erbe dieser beiden Bauhausmaler und Kommunisten.
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