Jörn Knobloch

Menschenrechte im Kulturkampf

6 Seiten | Autor: Jörn Knobloch

In der Weltgesellschaft spielen Menschenrechte nicht nur auf legislativer, sondern auch auf kultureller Ebene eine zentrale Rolle, und zwar nicht nur im Kampf zwischen Kulturen, sondern auch im Kampf einer Kultur um die Kultur. Welche Rolle spielen die Menschenrechte in diesen Komplexen? Wie wirken sie auf Kultur und Kulturen ein? Wie vermenschenrechtlichen sich Kulturen und in welchen Weisen und Formen kulturalisieren sich Menschenrechte?

PDF: 0,00 €

Erschienen in
Welttrends 156 | 2019
Des Menschen Rechte
72 Seiten

Der neue Kulturkampf

Zur Einleitung

11 Seiten | Autor: Jörn Knobloch

Irgendwie hatte man sich an den positiven Habitus der Kultur in den letzten Jahrzehnten gewöhnt. Nach dem Ende des Kalten Krieges erlaubte die Aufwertung der Kultur als positiver Ordnungsbegriff eine neue, flexiblere Strukturierung der Welt jenseits starrer Landesgrenzen, wodurch einer Integration aller Menschen in die Weltkultur nichts mehr im Wege zu stehen schien. Eine solche Weltkultur wäre dann die säkulare Version der uralten Idee der Ökumene (Voegelin 2004). Zwar gab es noch die düstere Prognose Samuel P. Huntingtons vom „Kampf der Kulturen“ (1996), doch schien sich sein antagonistisches Szenario des Kulturkontaktes vorerst nicht zu bewahrheiten. Stattdessen weckte die sich von seinem restriktiv-essenzialistischen Kulturkonzept abgrenzende und daher viel populärere konstruktivistische Variante der Kultur die Hoffnung auf eine finale Verständigung aller Kulturen durch eine produktive, in Begriffen der Hybridisierung und Transdifferenz gedachte Kulturvermischung (Allolio-Näcke u.a. 2005). Kurzum, die Möglichkeit der Kultur versprach ein tatsächliches „Ende der Geschichte“ (Fukuyama 1992), so glaubte man.

PDF: 0,00 €

Erschienen in
Berliner Debatte 1 | 2019
Der neue Kulturkampf
159 Seiten

Berliner Debatte Initial 1 | 2019

Der neue Kulturkampf

Herausgeber: Jörn Knobloch

ISBN 978-3-947802-23-4 | ISSN 0863-4564 | 159 Seiten

Der Politikwissenschaftler Heinz Theisen machte darauf aufmerksam, dass sich der Westen überdehnt hat, nicht nur machtpolitisch, sondern auch kulturell. Westliche Intellektuelle meinten, Nationen, Religionen und Kulturen ausreichend dekonstruieren zu können, um dann Demokratie und Freiheit zu implantieren. Clans, Ethnien und Religionen wollten sich aber nicht dekonstruieren lassen, so dass sie durch die geöffneten Demokratiefenster wieder hereinschlüpfen. „Solange sich der Westen als universal gültige Kultur versteht, kann er sich prinzipiell nicht begrenzen und solange er seine Einflusssphäre mit der Universalität der Menschenrechte gleichsetzt, droht jedes Problem auf der Welt zu einem Problem des Westens zu werden, ob die mangelnde Autonomie der Tibeter, die Unterdrückung der Frauen Afghanistans, der Landverlust der Palästinenser oder die Sicherheit der Aufständischen in Libyen.“ (Heinz Theisen: Der Westen und die neue Weltordnung, Stuttgart 2017, S. 18) Theisens Monitum ist der Aufruf zur Begrenzung. Die Frage ist, ob der Westen dazu bereit und in der Lage ist. Kultur wurde der bestimmende Begriff unserer Gegenwart und avancierte zur entscheidenden Sinnressource der Gesellschaften. In unsicheren Zeiten berufen sich diese auf die Kultur, und die wiederum stattet das kollektive Selbstverständnis sowohl mit Selbstbewusstsein als auch mit Selbstzweifel aus. Der Schwerpunkt dieses Heftes beschäftigt sich mit der kritischen Frage, ob im „neuen Kulturkampf“ die überkommenen Konflikte kulturell maskiert und reformuliert werden oder aber ob sich im Zeichen der Kultur eine zusätzliche Polarisierung gesellschaftlicher Differenzen vollzieht.

Inhalt

Was ist und was soll Kulturkritik?

Eine Einführung

Kulturkritik ist allgemein zu begreifen als eine diagnostisch und therapeutisch motivierte Beurteilung von menschlichen Gesellschaften, Gemeinschaften und Gruppen. Kultur ist dabei sowohl der normative Standpunkt der Kritik an diesen Einheiten – die gemäß diesem Standpunkt als noch nicht oder als wieder nicht kultiviert auszuzeichnen sind – als auch das Objekt, auf das sich Kritik bezieht – die verkommene Gegenwartskultur dieser Einheiten vs. eine „Idealkultur“. Kulturkritik hat ihren Ursprung in einer exklusivierenden Distinktionstechnik elitärer oder sich selbst als elitär verstehender Zirkel, die den aktuell gegebenen und sich fortan abzeichnenden Abfall von einem Kulturideal beklagen. Deren Mitglieder können sich folgend kritisch, auch herablassend über „die anderen“ äußern und führen Unterscheidungen wie eigen vs. fremd ein, um das aus ihrer Sicht eigentlich Kultivierte, das perspektivisch bestimmte Hochkulturelle hervorzuheben – und das andere, Massenkulturelle bzw. Populärkulturelle, zu ächten. Dafür suchen sie Kultur von als schädlich erachteten Einflüssen und Erträgen zu reinigen und von Verdorbenem zu befreien. Dies tun sie, ohne sich selbst von dem Kritisierten schlechthin absondern zu können, wie Adorno bemerkt: „Dem Kulturkritiker paßt die Kultur nicht, der einzig er das Unbehagen an ihr verdankt. Er redet, als verträte er sei’s ungeschmälerte Natur, sei’s einen höheren geschichtlichen Zustand, und ist doch notwendig vom gleichen Wesen wie das, worüber er sich erhaben dünkt.“ Angesichts ihrer elitären oder vermeintlich elitären, somit einer minderheitlichen Herkunft überrascht es nicht, dass Kulturkritiken oft keine starke Mobilisierungskraft auf Mehrheiten entfalten; zumindest qua Definition und anfänglich.

Schlagworte: Kulturkritik | Gesellschaft | Politik

PDF: 0,00 €

Erschienen in
Kultursoziologie 1 | 2017
Kulturkritik
122 Seiten

Hybridisierung und Ökumene

Soziale Ordnung im Kontext von Entterritorialisierung und Globalisierung

17 Seiten | Autor: Jörn Knobloch

Die veränderte Wahrnehmung sozialer Ordnung im Kontext von Entterritorialisierung und Globalisierung sieht sich mit einem Paradox konfrontiert: Auf der einen Seite ermöglichen die verdichteten Kommunikationsmöglichkeiten eine intensive weltweite Kommunikation zwischen verschiedensten Teilnehmern, wodurch die Erfahrung von Globalität auf eine materielle Basis gestellt wird. Auf der anderen Seite ist die Kommunikation über die veränderte Weltwahrnehmung primär durch Unsicherheit bestimmt. Das Reden mit der Welt ist demnach weniger problematisch als das Reden über die Welt. Unmittelbare Erfahrung einer durch das Internet beschleunigten Echtzeitkommunikation zu den entferntesten Orten der Erde trifft auf die schwierige Imagination einer Welt, die einen angemessenen Begriff oder eine angemessene Vorstellung von einer globalen Ordnung liefern könnte.

PDF: 0,00 €

Erschienen in
Kultursoziologie 1 | 2016
Jüdisches Leben in Deutschland
100 Seiten

Die Gegenwart der Zukunft

Zur Aktualität der sozialen Produktion von Erwartungen

8 Seiten | Autor: Jörn Knobloch

Der Soziologe Heinz Bude konstatiert in einer kritischen Zeitdiagnose, dass sich die Politik aus dem Prozess der Produktion von Zukunft zurückgezogen hat.1 Die Nüchternheit der Feststellung wird ihrem radikalen Impetus kaum gerecht, denn sie bedeutet nichts weniger, als dass die Gesellschaft angesichts vermehrter Warnungen vor existenziell bedrohlichen Szenarien der Zukunft der Welt ihre eigene Zukunft politisch nicht mehr reflektiert. Nun ist zwar die Politik schon längst nicht mehr das herausgehobene Steuerungszentrum einer Gesellschaft, dennoch ist sie immer noch der exklusive Ort, an dem kollektiv legitime Entscheidungen getroffen werden. Geht dort nun der Zugriff auf die Zukunft verloren, dann ist dies unter normativen Gesichtspunkten bedenklich und mahnt zu einer weitergehenden Auseinandersetzung mit Budes Rückzugsdiagnose an. Hierfür ist die Plausibilität des Verlustes von Zukunft in der Politik zu prüfen, wobei zunächst differenziert werden muss: Geht es hier allein um den Verlust von Zukunftsvisionen als Orientierungsprogramm für die Politik oder darum, dass in politischen Auseinandersetzungen divergierende Zukunftsentwürfe nicht mehr gegeneinander in Stellung gebracht werden? Im Sinne normativer Leitideen zirkulieren keine unterschiedlichen Ansichten über die Zukunft, die miteinander konkurrieren bzw. zu Auslösern politischer Konflikte werden. Schließlich kann Budes Diagnose auch ein Hinweis darauf sein, dass innerhalb politischer Handlungen, Kommunikationen und Interaktionen keine konkrete Gestaltung von künftigen, noch nicht existenten gesellschaftlichen Zuständen angestrebt wird, weil den Akteuren die Fähigkeit zum strategischen Handeln abhandengekommen ist.

PDF: 0,00 €

Erschienen in
Kultursoziologie 1 | 2015
Die Renaissance
108 Seiten