Berliner Debatte Initial
Das Projekt der Wissenssoziologie
Ideengeschichtlichen Gebilden nachzuspüren, gleicht oft dem detektivischen Blick der Enträtselung. Der Eifer, mit dem inbrünstig Ideen, Geschichtsbilder oder einfach Alltagsvorstellungen ans „wahre“ Licht ihrer Existenz gebracht werden, suggeriert die Metapher des unbefleckten Beobachters, des geistigen Kundschafters. im Labyrinth engmaschiger Verästelungen von Denkobjektivierungen stehend, ähnelt er dem vermeintlich kontextfreien Aufklärer, dem nichts heiliger ist als ein ernstes, geselliges oder amüsantes Gespräch mit Plato, Aristoteles, Kant oder Hegel - und dies über Jahrhunderte hinweg. Bibliotheken werden angehäuft, professorale Hermeneutiken entwickelt. Welch ein Ergötzen, dem Gespür der Zeiten nachzugehen, sich in den Geist der Zeiten zu versetzen! Von einer Versammlung ehrwürdiger oder ketzerischer Geister umgeben, räsoniert der Zeitdetektiv über Denksysteme oder philosophische Metaphysiken mit einer Akribie und Stringenz, die ihn selbst ins Reich der Unsterblichen erhebt, kultiviert er den extramundanen Blick, den Blick der Vernunft in ihre eigene Immanenz.
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Stephen Toulmin: Kosmopolis - Die unerkannten Aufgaben der Moderne
Thomas S. Kuhns Buch über "Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen" von 1962 war eine Fundamentalkritik an der Wissenschaft, überführte es doch den überzeitlichen Geltungsanspruch ihrer Axiome seiner Geschichtlichkeit. An die Stelle der bis dato behaupteten evidenten Grundlagen setzte Kuhn das "Paradigma", wonach die Geschichte der Wissenschaft als eine historische Folge von Erklärungsmustern verstanden wurde. Diese Wendung zum Paradigma war gleichsam eine Kritik am Wahrheitsabsolutismus des logischen Empirismus und erstmals 1953 von Stephen Toulmin in "The Philosophy of Science" formuliert worden. Toulmin, Professor für Geisteswissenschaften an der Northwestern University und ursprünglich Physiker, hat in der Verbindung von Naturwissenschaft und Philosophie neue Wege der Wissenschaftstheorie beschritten.
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Die Wiederentdeckung der Geopolitik
Geopolitik gehört in der Nachkriegszeit zu den am stärksten tabuisierten Begriffen. Das gilt besonders für Deutschland, wo gegen die Schule des Begründers der modernen politischen Raumlehre in Deutschland, Karl Haushofer, und schließlich auch gegen die Geopolitik ganz allgemein der Vorwurf erhoben wurde, sie habe das Klima für die aggressiv-expansive Außenpolitik der Nationalsozialisten geistig vorbereitet und deren Kriegsplanung mit einem theoretischen Unterbau versehen.
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Wertwandel und religiöser Wandel in Ostdeutschland
Im Laufe der Geschichte der DDR lassen sich drei Phasen des Wertwandels unterscheiden. Alle drei Phasen stehen in einem engen Zusammenhang mit allgemeinen gesellschaftsstrukturellen, ökonomischen und politischen Veränderungen. Damit ist noch keine Aussage über die Einflußrichtung innerhalb dieses Zusammenhanges getroffen. Man wird sowohl mit einem Einfluß des Strukturwandels auf den Wertwandel als auch umgekehrt rechnen müssen. Im Falle der DDR freilich darf man aufgrund des repressiven und geschlossenen Charakters der Gesellschaft annehmen, daß der dominante Einfluß vonseiten des Strukturwandels ausging. Sofern man die DDR allerdings nicht ausschließlich als ein repressives, geschlossenes System faßt, sondern auch die Herausbildung Subkultureller Einstellungen, aber ebenso auch systemtragende Wertorientierungen beachtet, liegt die Annahme nahe, daß der Einfluß auch in entgegengesetzter Richtung verlief.
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Vom Eigensinn der DDR-Intellektuellen
Infrage steht schon, ob die Simulation eines Intellektuellendiskurses in der DDR nicht bereits mit einer kontrafaktischen Unterstellung arbeitet. Gab es sie also überhaupt, die Intellektuellen der DDR? Oder wenigstens ein Substitut, das sich dann wohl in Funktionslücken der gleichermaßen lebensfüllenden Rollen von Legitimationsbeschaffung und politischer Opposition herausgebildet hätte?
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Für ein parsimonisches Prinzip
In den letzten Jahren hat sich in den Sozialwissenschaften eine neue Disziplin namens Internationale Politische Ökonomie etablieren können, die in einem Gebäude mit traditionellen Gebieten wie etwa Außenpolitik und Außenwirtschaftstheorie und -politik koexistiert. Das Dach dieses Gebäudes ist groß genug, daß die verschiedensten wissenschaftstheoretischen Ansätze, Theorietraditionen und Schulen unter ihm hausen können. Die Koexistenz ist freilich keineswegs immer friedlich, vielmehr gibt es zum Teil harsche und direkte, letztlich aber meist konstruktive Auseinandersetzungen darüber, wie das Fundament des gemeinsamen Hauses zu konstruieren und der weitere Ausbau des Hauses zu gestalten sei. Viel Bewegung ist zu verzeichnen: Im Zuge dieser Debatten hat beispielsweise ein ausgewiesener Vertreter der vornehmlich in den USA beheimateten Schule des Neorealimus wie Robert O. Keohane die mit diesem Ansatz verbundene Fixierung auf den Staat und das Machtinteresse überwunden und seine neorealistischen Vorstellungen mit weiteren politikwissenschaftlichen wie polit-ökonomischen Konzepten zu verknüpfen versucht -was freilich Kritiker wie Richard K. Ashley nicht davon abgehalten hat, auch solchen neorealistischen Weiterungen eine Armut an historischer Phantasie und einen Mangel an analytischer Tragfähigkeit vorzuhalten.
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Weltwirtschaft im Wandel
Kurt Hübner hat in der Berliner Debatte INITIAL 5/1992 dankenswerterweise eine Debatte über die analytischen Probleme eröffnet, die mit den gegenwärtig zu beobachtenden globalen Umbruchprozessen verbunden sind. Die Bedeutung der von Hübner geforderten "analytischen Vorsicht" kann aus mindestens zwei Gründen unterstrichen werden: Erstens kann Wandel nur dann politisch begleitet und gesteuert werden, wenn sein Charakter und seine Richtung bekannt sind (oder zu sein scheinen). Und zweitens hat sich gezeigt, daß die tradierten Ansätze viele der empirisch zu beobachtenden "Phänomene" nicht hinreichend erklären. Folglich stellt die Gegenwart eine Herausforderung an die Sozialwissenschaften dar und bietet vielfältigen Anlaß zur Theoriebildung beziehungsweise zu einer umfassenden Überprüfung der bestehenden Theorien.
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Vereint entzweit
In drei Schritten möchte ich hier meine Ansicht zu den Auf- und Abbrüchen in einem Teil der orientalischen Sozialwissenschaften aus einer Einrichtung der Berliner Akademie der Wissenschaften erhellen. An solchen Akademien waren au Baruniversitäre Forscher Ostdeutschlands versammelt. Vorab: an den drei DDR-Akademien für Wissenschaften, Landwirtschaft und Bauwesen wirkten rund 32.000 Menschen. Nicht gezählt ist hier die Potsdamer Akademie der Pädagogischen Wissenschaften, die als Extremfall und "Kind der Bildungsministerin" (1963-1989) Margot Honecker am Ende der DDR von Westdeutschen aus politischen Gründen gar nicht erst "evaluiert", also bewertet wurde, sondern wie die "Titanic" unterging.
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Die KSPW im Transformationsprozeß
Der Titel des Aufsatzes ist beabsichtigt doppeldeutig: Die Kommission für die Erforschung des sozialen und politischen Wandels in den neuen Bundesländern steht nicht nur im Transformationsprozeß als Gegenstand ihrer Förder- und Forschungstätigkeit, sondern unterliegt auch selber Wandlungsprozessen. Dies kann angesichts der fragilen und kaum zu überschauenden Ausgangsbedingungen ihrer Tätigkeit sowie der laufenden Strukturierungsprozesse der Sozialwissenschaften in den neuen Bundesländern auch gar nicht anders sein. Im folgenden möchten wir versuchen, die Geschichte der Kommission in groben Schritten nachzuzeichnen, über deren Arbeitsweise und Zielpunkte zu berichten sowie erste Ergebnisse der bisherigen Forschungs- und Fördertätigkeit – wenn auch selektiv und skizzenhaft - vorzustellen. Ergebnisse der Fördertätigkeit bedeutet hier nicht in erster Linie die Anzahl der geförderten Wissenschaftler/innen bzw. Vorhaben etc., sondern v.a. Überblicke zu Struktur und Dynamik der sozialwissenschaftlichen Forschungslandschaft aus Sicht der KSPW.
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Michael Th. Greven, Dieter Koop (Hrsg.): War der Wissenschaftliche Kommunismus eine Wissenschaft?
Mit der deutschen Vereinigung stand die westdeutsche Zunft der Politologen plötzlich vor einem ungewollten Erbe: Die Politikwissenschaft in der Nach-Wende-DDR war aus einer "Mutation" des "dritten Bestandteils" des Marxismus-Leninismus hervorgegangen. Nicht verwunderlich, daß das "Erbe" nicht angenommen werden sollte, denn bislang hatten sich beide Seiten eher ihre Gegnerschaft, ihre Inkompatibilität, mehr noch ihre Irrelevanz, keinesfalls aber ihre Verwandtschaft bescheinigt. Auf den ersten Blick mußte dies als "Etikettenschwindel" in der Geschichte der deutschen Wissenschafts-Vereinigung erscheinen. Frühzeitig wiesen aber auch westdeutsche Wissenschaftler auf die differenzierten Entwicklungsprozesse in dieser Disziplin hin, die jegliche Pauschalisierung dieses "Mutationsprozesses" verbieten. Jedoch: Mit der Legitimation, daß es sich um Nicht-Fachkollegen handele, und mit der Legitimation des "Zeitgeistes" konnte die fast hundertprozentige Abwicklung erfolgen.
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