Berliner Debatte Initial
Die Privatisierung des Krieges und die Globalisierung der Gewalt
7 Seiten | Autor: Siegfried Weichlein
Technische Innovationen in der Kriegsführung gab es nach Georg Wilhelm Friedrich Hegel immer dann, wenn ein Bedürfnis danach bestand. So war es auch beim Schießpulver: „Die Menschheit bedurfte seiner, und alsobald war es da.“ Doch dabei beließ er es nicht. Mit dem Schießpulver und dem Gewehr begann eine neue Phase in der Weltgeschichte. Mit dem Gewehr wurde die Tapferkeit abstrakt. „Das Schießpulver hat [...] eine vernünftige, besonnene Tapferkeit, den geistigen Mut zur Hauptsache gemacht. Nur durch dieses Mittel konnte die höhere Tapferkeit hervorgehen, die Tapferkeit ohne persönliche Leidenschaft, denn beim Gebrauch der Schießgewehre wird ins Allgemeine hineingeschossen, gegen den Feind und nicht gegen besondere Personen.“ Der Einsatz von „high tech bombing“ und Präzisionswaffen im zweiten Golfkrieg und im Kosovokrieg trieb den Krieg tatsächlich auf ein bisher nicht gekanntes Abstraktionsniveau. Nicht nur sah und kannte der Pilot seine Opfer nicht. Mit von der Partie war auch das heimische Publikum der Nachrichtensendungen, das an den Bombardierungen teilnahm. Die Abstraktionsleistung der Videokamera erzeugte den Eindruck eines sauberen Krieges. Es entstand das Bild einer chirurgischen Operation am Feind aus der Luft mit dem Sezierbesteck. Der zweideutige medizinisch-militärische Begriff der ,Operation‘ verwandelte den Krieg in eine Wohltat, das Sterben in eine Gesunderhaltungsmaßnahme. Die Waffen zielten auf einen Feind und gleichzeitig auf den Eindruck einer alternativlosen medizinischen Operation zur Gesunderhaltung.
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Heiligkeit und Leidenschaft der russischen Intelligencija
11 Seiten | Autor: Svetlana Klimova
In diesem Beitrag geht es um die Spezifik der russischen Intelligencija im philosophischen und kulturellen Raum vom 19. bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts, insbesondere um ihre Identifikation mit den Konzepten von Heiligkeit und Leidenschaft. In den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts, als die Philosophie der Slawophilen entstand, war die emotionale Beziehung zur Welt zugleich eine psychologische Voraussetzung für rationales Begreifen und das Erschaffen einer Ideenwelt. Die Geschichte der literarischen, philosophischen und sozialen Ideen war damals nichts anderes als die der Formung der russischen Intelligencija. Ohne diese zu kennen, kann man weder die Natur der russischen Kultur jener Periode noch die Spezifik des russischen philosophischen Bewußtseins hinreichend verstehen. Am besten erschließt sich die Natur der russischen Intelligencija im Prozeß der „Selbstbeschreibung“, im Verlauf der Hervorbringung unterschiedlicher Texte der Kultur. Ich gehe in diesem Kontext der Frage nach, wie die russische Intelligencija – im Akt der Identifizierung ihres Wesens mit den Konzepten „Heiligkeit“ und „Leidenschaft“ – sich selbst wahrgenommen hat, und wie der Mythos von der heiligen russischen Intelligencija entstand – ein einzigartiges Phänomen der russischen Kultur.
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Das MEGA-Unternehmen
11 Seiten | Autor: Harald Bluhm, Henri Band, Christian Luther
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Ungarn
9 Seiten | Autor: Máté Szabó
Ungarn hat im Frühjahr 2002 gewählt. Bei der Wahl standen zwei Parteienkoalitionen einander gegenüber. Niemand hat vor den Wahlen geahnt, daß der Sieg der linksliberalen Koalition ein Ende und einen Neubeginn bedeutet. Ein Ende des relativ schwachen Interesses für die Vergangenheit, für die Aktivitäten der Staatssicherheit und des Kádár-Regimes sowie dessen Hinterlassenschaften. Die Wahl von Péter Medgyessy, einem früheren Nomenklatura- Mitglied, zum Ministerpräsidenten der neuen Regierung hat nämlich eine Flut von politischen, moralischen und historischen Diskussionen, Enthüllungen und Konflikten eröffnet, die bis in den Herbst 2002 hinein das politische Klima in Ungarn nachhaltig beeinflussen. Trifft der Eindruck zu, daß die zwölf Jahre Ruhe um die Hinterlassenschaften der ungarischen Stasi jetzt zu Ende gehen? Und inwiefern hängt das mit einem wichtigen Akt der neuen Demokratie, mit den nationalen Parlamentswahlen, zusammen? Der Sturm auf die Archive hat in Ungarn nicht im Jahre 1989, sondern nach den Wahlen von 2002 stattgefunden, und nicht 1989 sind Bürgerkomitees für die Stasi-Vergangenheit gegründet worden, sondern 2002 entstanden Bürgerinitiativen für den Rücktritt des Ministerpräsidenten der MSZP, Péter Medgyessy.
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Herrschaftskultur
15 Seiten | Autor: Timm Beichelt
„Kultur“ hat als sozialwissenschaftliche Kategorie in den letzten Jahren eine Renaissance erfahren. Selbst eingefleischte Liberale räumen inzwischen ein, daß Prinzipien des Marktes allein nur bedingt erklären helfen, warum einige Entwicklungsländer dynamische Volkswirtschaften entwickeln, während dies vielerorts trotz der Präsenz von Marktinstitutionen nicht gelingen mag. Auch in der Demokratieforschung kommt der institutionelle Ansatz an seine Grenzen, wenn die Entwicklung der politischen Regime im postsozialistischen Europa im großen und ganzen mit jahrhundertealten Einflußzonen zwischen Deutschland, Österreich-Habsburg, Rußland und dem Osmanischen Imperium übereinstimmen. In beiden Fällen werden „kulturelle“ Faktoren vorgeschlagen, um festgefahrenen Erklärungsansätzen neues Leben einzuhauchen.
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Verfassungsrechtliche Potentiale des Republikprinzips
15 Seiten | Autor: Michael Anderheiden
In der verfassungsrechtlichen Dogmatik und Rechtsprechung zum Grundgesetz fristet das Republikprinzip ein Schattendasein. Das kann sich nur ändern, wenn es als Grundprinzip des materialen Kollektivverfassungsrechts anerkannt wird. Es könnte so neben die Grundrechte als Ausprägungen des materialen Individualverfassungsrechts und neben die Demokratie-, Föderalismus- und Rechtsstaatsprinzipien als Grundnormen des formellen Kollektivverfassungsrechts treten. Mittels eines so verstandenen Republikprinzips ließe sich der Umstand beseitigen, daß weite Teile des Grundgesetzes als disparate und scheinbar unverknüpfte Einzelvorschriften nebeneinander stehen, denn sie könnten nunmehr unter einem dem Gemeinwohl verpflichteten Prinzip zusammengefügt werden, nämlich der Verfolgung kollektiver Güter. Ein solcher Inhalt des Republikprinzips gibt, wie ich zunächst zeigen will, dem materialen Gehalt unter dem altbekannten Konzept des Gemeinwohls jene Deutung, die nach den Ergebnissen von Arrows Unmöglichkeitstheorem allein noch in einer demokratischen Gesellschaft auf individualistischer Grundlage denkbar ist (I und II). Danach diskutiere ich die Gemeinwohlbindung in der Verfassung (III). Abschließend wird in einem verfassungshistorischen Abriß die Relationierung von Republikprinzip und Gemeinwohl verfolgt (IV). Dabei wird die ältere Tradition aufgewertet, das Republikprinzip nicht bloß formal und exklusiv als Nichtvorhandensein oder Abwehr von Monarchie zu verstehen. Die vorgestellten Überlegungen sind tentativer Art, sie sollen eine neue Perspektive eröffnen und umreißen.
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Brauchen wir Bürgertugenden oder demokratischere Institutionen?
11 Seiten | Autor: Alessandro Pinzani
Böckenfördes Diagnose, moderne Demokratien lebten von Voraussetzungen, die sie nicht imstande sind, selbst zu produzieren, ist fast zum locus communis der politischen Philosophie (nicht nur in Deutschland) geworden. Gebetsmühlenartig wird sie von Kritikern des liberalen Staats zitiert, die in einem moralisch oder zumindest ethisch desengagierten Gesetzgeber die größte Gefahr für das Weiterbestehen unserer Demokratien sehen. Dem in unseren demokratischen Gesellschaften dominierenden Individualismus und Pluralismus wird angelastet, die Grundsätze jener Gesellschaften selbst irreparabel verändert zu haben, und die Bürger werden aufgefordert, sich ihrer Verpflichtungen gegenüber der politischen Gemeinschaft zu besinnen. Gemeint sind dabei natürlich nicht nur die rechtlichen Verpflichtungen, denn es ist schließlich Aufgabe des Staates selbst, deren Erfüllung zu fordern. Auf etwas mehr als die bloße Legalität im Kantschen Sinne kommt es an: auf authentische Bürgertugenden, die von den Individuen aus anderen Gründen als einfachem Rechtsgehorsam entwickelt werden sollten.
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Ein republikanischer Aufbruch für Europa?
18 Seiten | Autor: Emanuel Richter
Wir werden zu Zeugen eines einschneidenden Strukturwandels von Politik, der uns neue Anstrengungen zur Realisierung von Demokratie abverlangt. An der Wende zum 21. Jahrhundert erscheinen die europäischen Nationalstaaten weniger denn je als monolithische Machtblöcke, in denen nationale Regierungen völlig autonom regieren und die Bürger der jeweiligen Staaten zielgerichtet nationale Demokratie praktizieren. Das nationale Regieren ist vielmehr hin zur höheren Ebene des trans-, interund supranationalen Regierens, aber auch hin zur niedrigstufigeren Ebene des substaatlichen Regierens diffundiert. Das angestammte Arsenal der nationalen Demokratie wirkt teilweise veraltet und hinkt den politischen Strukturwandlungen erst einmal hinterher. Mittlerweile hat sich freilich unter den Impulsen aus der politischen Praxis und aus der politischen Theorie im Bereich der demokratischen Modellbildung eine wohltuende Betriebsamkeit entwickelt, in deren Sog innovative Konzepte für Kontroll- und Mitgestaltungsmöglichkeiten auf den neuen Ebenen und Formen des kollektiven Handelns entwickelt werden.
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Der Republikanismus:
13 Seiten | Autor: Marcus Llanque
Unter „Republikanismus“ ist ein Ausschnitt aus der Geschichte des politischen Denkens zu verstehen, ein Gespräch über Epochen hinweg, oft unterbrochen, doch stets wieder aufgenommen und umgedeutet, das man anhand bestimmter begrifflicher Merkmale und typischer Argumentationsmuster identifizieren und verfolgen kann. Von der Erörterung des politischen Gemeinwesens bei Aristoteles und der politischen Pflichtenlehre Ciceros über die Wiederentdekkung der Antike im Bürgerhumanismus des 15. Jahrhunderts, von Niccolò Machiavelli und James Harrington bis zur Atlantischen Revolution und schließlich zur unmittelbaren Bezugnahme auf republikanische Vorbilder in den revolutionären Bemühungen der Neuzeit reicht eine Weise politischen Denkens, die ganz bestimmte Argumentationstopoi tradiert. Dieser Argumentationstypus findet auch in der Moderne zahlreiche Nachahmer, wofür nicht nur die Schriften Hannah Arendts den Beweis liefern. Dabei wurde immer die Tyrannis verschiedenster Art bekämpft und die gesetzmäßige und gemeinwohlorientierte Freiheit propagiert, zu deren Sicherung man auch zu so problematischen Mitteln wie der Diktatur zu greifen bereit war, allerdings konzipiert als ein Amt und nicht als eine schrankenlose Herrschaftsbefugnis. Republikaner vertrauen eher historisch geronnener Erfahrung praktizierender Politiker als den Einsichten der reinen Vernunft und mißtrauen rein theoretischen Erwägungen politikferner Philosophen.
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Tanz die Leidenschaft!
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