Sowjetunion

Am nuklearen Abgrund

Die Karibik-Krise im Oktober 1962

5 Seiten | Autor: Raimund Krämer

Am 14. Oktober 1962 entdeckten Aufklärungsflugzeuge der USA sowjetische Raketen auf Kuba. Zwei Tage später erhielt US- Präsident John F. Kennedy die Fotos. Er bildete sofort eine Gruppe von hohen Regierungsbeamten und Militärs, das Exekutivkomitee (ExComm) des Nationalen Sicherheitsrates. 90 Meilen vor der eige- nen Haustür baute der Gegner Mittelstreckenraketen mit nuklearen Sprengköpfen auf. Nikita Chruschtschow, der starke Mann in Moskau, wollte im nuklearen Schach des Kalten Krieges einen strategischen Zug machen. Kennedy, der von Anfang an im Inland wie auch im Ausland dem Verdacht der Schwäche ausgesetzt war, wollte das nicht akzeptieren. Er verkündete am 22. Oktober 1962 eine Seeblockade. US-Kriegsschiffe schlossen einen Ring um Kuba. Der Armada sowje- tischer Schiffe standen in der Karibik die Kriegsschiffe der US-Navy gegenüber. Fünf Tage später, am 27. Oktober, schien der Konflikt zu eskalieren; der Kalte Krieg drohte zum heißen zu werden. Kurz darauf, am Morgen des 28. Oktober war die Krise gelöst. Die UdSSR verkün- dete, dass die Raketen sofort abgezogen werden. Um dies so schnell wie möglich zu übermitteln, wurde Radio Moskau genutzt. Die Erklä- rung ging über den Äther. Chruschtschow hatte darum gebeten, dass sie „weich“ und „nicht ultimativ“ verlesen werde. Unverschlüsselt und unmissverständlich kam sie in Washington an. Die Krise führte nicht zum nuklearen Schlagabtausch, der Weltfrieden war gerettet. Fidel Castro erfuhr davon zusammen mit dem Rest der Welt am folgenden Tag aus den Nachrichten. Er tobte vor Wut.

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Erschienen in
Welttrends 192 | 2022
USA: Zerrissene Weltmacht
72 Seiten

Who was Mr. Gorbachev really?

3 Seiten | Autor: Alexander Rahr

Im Herbst 1985 begann ich die erste deutschsprachige Biografie über den neu gewählten Generalsekretär des ZK der KPdSU, Michail Gor- batschow, zu schreiben. Über den 54-jährigen Parteifunktionär war damals im Westen wenig bekannt. Im damaligen Westen gingen die Meinungen weit auseinander. Die einen sahen in Gorbatschow den Anführer einer neuen Generation von Parteifunktionären, die zu radikalen Reformen in der UdSSR und zu einer Verständigung mit dem Westen bereit waren. Viele andere erwarteten von ihm nur Täuschungsmanöver gegenüber dem Westen, um wirtschaftliche Überlebenshilfe für die marode Sowjetunion zu erhalten.

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Erschienen in
Welttrends 192 | 2022
USA: Zerrissene Weltmacht
72 Seiten

Das nüchterne Denken: Michail Gorbatschow

3 Seiten | Autor: Hans-Heinrich Nolte

„Nicht immer haben die Pläne eine wissenschaftliche Grundlage und sie tragen oft willkürlichen Charakter. In vielen Betrieben, in gan- zen Rajons und sogar in Oblasty werden die produktiven Ressourcen nicht vollständig erfasst und werden mit der Produktion in Beziehung gesetzt und in anderen sind im Gegenteil die Pläne unrealistisch, so dass sie chronisch nicht erfüllt werden und zur Überanstrengung in der Arbeit der Kolchosen und Sowchosen führen.“1 Gorbatschow hat in seinen Memoiren2 beschrie- ben, dass seine Rede vorm Plenum des Zentralkomitees der KPdSU 1978 anfangs normal aufgenommen wurde – die Chefs in der ersten Reihe lasen Zeitung, die jungen Sekretäre im Hintergrund hörten zu, was die Konkur- renz vortrug. Bei ihm aber horchte der Generalsekretär Leonid Breschnew auf – Kritik am Plan, dem zentralen Instrument des Monopolsozialismus, im zentralen Machtorgan der Partei? Die Folge für den vortragenden Sekretär aus dem Vorkaukasus war aber nicht der Verlust der Position oder Schlim- meres, sondern ein schneller Aufstieg in der Partei: Schon 1985 wurde er zum Generalsekretär gewählt – mit gerade einmal 54 Jahren.

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Erschienen in
Welttrends 192 | 2022
USA: Zerrissene Weltmacht
72 Seiten

Andrej Platonows ätherische Waffe

14 Seiten | Autor: Michael Leetz

Andrej Platonows Fragment gebliebener Roman „Der makedonische Offizier“ (1932–1936) ist eine der frühesten und schärfsten literarischen Reaktionen auf den Stalinismus. Die Handlung des Romans, die sich während des Feldzuges von Alexander dem Großen zuträgt, stellt in verschlüsselter Form die unmittelbare Gegenwart des Schriftstellers dar – die Sowjetunion der ersten Hälfte der 1930er Jahre bis zum Beginn des Großen Terrors. Doch zugleich wohnt dem Text eine zukünftige Dimension inne: Platonow warnt vor einer globalen Katastrophe, die droht, wenn es dem Menschen nicht gelingt, sein Bewusstsein zu ändern und in ein vollkommen neues Verhältnis zur Natur zu treten. Nun ist „Der makedonische Offizier“ im Suhrkamp Verlag erstmals auf Deutsch erschienen. Michael Leetz, der Übersetzer des Fragments, unternimmt den Versuch einer Entschlüsselung dieses hochpoetischen und vielschichtigen Textes. Besondere Aufmerksamkeit widmet er der Gegenüberstellung von Sonne und Mond, die als Leitmotiv auf geheimnisvolle Weise das ganze Werk durchzieht. Bei der Lüftung des Rätsels kommt den naturwissenschaftlichen Auffassungen Platonows, die sich im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Ingenieur herausgebildet haben, eine zentrale Bedeutung zu.

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Erschienen in
Berliner Debatte 4 | 2021
Weltall Erde Mensch
156 Seiten

Der auf der Erde gestrandete Marsianer (1924)

Mit dem im Oktober 1920 vollendeten und 1924 veröffentlichten Poem über den auf der Erde gestrandeten Marsianer greift Alexander Bogdanow das in der Roman-Utopie „Der rote Stern“ (1907) und im phantastischen Roman „Ingenieur Menni“ (1912) entwickelte Thema der konfliktreichen Begegnung von Vertretern der irdischen und der Marszivilisation auf. Seinen Zeitgenossen war Bogdanow, der eigentlich Alexander Malinowski (1873–1928) hieß, auch unter den Pseudonymen Mirski und Doktor Werner bekannt, denn er gehörte neben Georgi Plechanow und Wladimir Lenin zu den produktivsten, wenngleich nicht einflussreichsten Theoretikern der russischen Sozialdemokratie. Sein Gedicht veröffentlichen wir in neuer Übersetzung, nachgedichtet von Stefan Döring und kommentiert von Wladislaw Hedeler.

Schlagworte: Kosmos | Mars | Utopie | Sozialismus | Sowjetunion

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Erschienen in
Berliner Debatte 4 | 2021
Weltall Erde Mensch
156 Seiten

Dem Wunschtraum entgegen

Kosmosbegeisterung in der Sowjetunion

15 Seiten | Autor: Matthias Schwartz

Kosmosbegeisterung hatte in der Sowjetunion in der Tauwetterzeit unter Nikita Chruschtschow eine zentrale Ventilfunktion für die Gesellschaft, sowohl kommunistische Visionen für die nahe Zukunft zu formulieren als auch fantastische und utopische Wunschträume von anderen Lebens- und Gesellschaftsformen zu artikulieren. Matthias Schwartz rekonstruiert in diesem Essay die kulturpolitischen und publizistischen Debatten der 1950er und 1960er Jahre vor allem anhand von populärwissenschaftlichen Zeitschriften, die in jener Zeit zu einem wichtigen Medium der Beschäftigung mit dem Weltall und der Raumfahrt wurden. Dabei spielten Erörterungen und Spekulationen über interplanetare Kontakte, vernunftbegabte Wesen aus dem All oder außerirdische Zivilisationen eine wesentliche Rolle, um auch über den Zustand der eigenen Gesellschaft zu reflektieren. Insbesondere die sowjetische Science-Fiction, die Wissenschaftliche Fantastik, entwickelte sich in dieser Periode zu einer beliebten Literaturgattung, in der auch sozialkritische, philosophische und moralische Fragen und Probleme teils in allegorischer und verschlüsselter Form dargestellt werden konnten, die ansonsten verschwiegen und marginalisiert wurden. Der Essay geht solchen ambivalenten Wunsch- und Angstträumen anhand von exemplarischen Lektüren näher nach und zeigt deren Nachleben bis die Gegenwart des postsowjetischen Russlands auf.

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Erschienen in
Berliner Debatte 4 | 2021
Weltall Erde Mensch
156 Seiten

„Solaris“: Eine Deutung aus translatorischer Perspektive

14 Seiten | Autor: Annett Jubara

„Solaris“ (1972) von Andrei Tarkowski sollte die sowjetische Antwort auf Stanley Kubricks „2001: Odyssee im Weltall“ (1968) werden: ein unterhaltsamer wissenschaftlich-fantastischer und nationaler Prestige-Film, mit dem sich die sowjetische Nation als „kosmonautische“ positioniert und der amerikanischen „astronautischen“ als ebenbürtig gegenübertritt. Es mag Ironie des Schicksals sein, dass dieser als Prestige-Projekt geplante Film bei seiner Fertigstellung die Signatur des Autorenfilms trug und weder auf unkomplizierte Weise unterhaltsam war noch eine naive propagandistische Wirkung entfaltete. Vielmehr präsentiert er einen filmischen Diskurs, der kulturphilosophische und -kritische Elemente enthält. Er bezieht sich auf die Romannovelle „Solaris“ von Stanislaw Lem, die den Drehbuchautoren Andrei Tarkowski und Friedrich Gorenstein als Vorlage diente. In den Prozess der Entstehung des Films im weitesten Sinne waren somit die Werke zweier Autoren involviert – des Romanautors und des Filmautors. Doch nicht deren Kunstwille bildet hier den Zugang zu dem künstlerischen Dialog beider Werke. Vielmehr betrachtet Annett Jubara Tarkowskis Film als Übersetzung des Romans. Mit „Übersetzung“ meint sie die intersemiotische Übersetzung (nach Roman Jakobson) des Textes der wissenschaftlich-fantastischen Erzählung in den Film als Text. Der inhaltliche Hauptakzent bei diesem translatorischen Deutungsversuch liegt auf den kulturkritischen Elementen beider erzählerischer Diskurse; vor allem auf ihrer Stellungnahme zum wissenschaftlich-technischen Fortschritt, die sich in ihrer Haltung zum damals aktuellen „Aufbruch in den Kosmos“ konkretisiert.

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Erschienen in
Berliner Debatte 4 | 2021
Weltall Erde Mensch
156 Seiten

30 Jahre Gemeinschaft Unabhängiger Staaten

6 Seiten | Autor: Ilham T. Nematov, Hubert Thielicke

Vor 30 Jahren zerfiel die Sowjetunion; Ende 1991 entstand die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS). Dazu interviewte Hubert Thielicke Botschafter Dr. Ilham T. Nematov (Usbekistan), seit 1. Januar 2021 Stellvertreter des Vorsitzenden des GUS-Exekutivkomitees.

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Erschienen in
Welttrends 181 | 2021
Indo-Pazifik
72 Seiten

Verordnetes Vergessen

Eine Polemik

11 Seiten | Autor: Yana Milev

Der Umbau erinnerungskultureller Paradigmen in Ostdeutschland seit 1989/90 war für viele DDR-Sozialisierte mit einer wissenssoziologischen Schocktherapie verbunden, da bisher gültige Geschichtsbilder und Geschichtsdeutungen sowie damit im Zusammenhang stehende Erinnerungsgemeinschaften und kollektive Identitäten systematisch aufgelöst wurden. In polemischer Absicht formuliert Yana Milev die provokante These, dass es nach 1990 in Ostdeutschland ein „verordnetes Vergessen“ gegeben habe, das vor allem darin bestehe, die Leistungen der Roten Armee und der Sowjetunion bei der Befreiung Deutschlands von der nationalsozialistischen Diktatur kleinzureden und zu verdrängen.

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Erschienen in
Berliner Debatte 2 | 2021
Belarus – eine Revolution?
146 Seiten

Umkämpft: Das zeitgenössische belarusische Literaturfeld aus institutioneller Perspektive

14 Seiten | Autor: Kristina Kromm

Kristina Kromm zeigt in diesem feldtheoretisch geleiteten Artikel, dass institutionelle Gegebenheiten im heutigen belarusischen Literaturfeld als Manifestationen eines Ringens um literarische Legitimität zu begreifen sind, in dem politisch-ideologische Faktoren mit literarischen Auffassungen verzahnt sind. Die Autorin geht auf Besonderheiten der heutigen institutionellen Struktur des belarusischen Literaturfeldes ein, die sie auf grundlegende kulturelle, politische und ideologische Veränderungen und Entwicklungen seit Ende der 1980er Jahre zurückführt. Angesichts des nach den Massenprotesten 2020 gestiegenen Interesses an belarusischer Literatur im deutschsprachigen Raum spricht sie auch die Frage an, wie ausländische Rezeptionsprozesse auf Positionierungen belarusischer Schriftsteller und auf Prozesse im belarusischen Literaturfeld zurückwirken.

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Erschienen in
Berliner Debatte 2 | 2021
Belarus – eine Revolution?
146 Seiten