Kapitalismus

Denkzettel aus der Karibik

Wann war die Dekolonisierung?

6 Seiten | Autor: Manuela Boatcă

Lateinamerikanische Dependenztheorien boten in den 1960er und 1970er Jahren die ersten Analysen der politischen Ökonomie globaler Ungleichheiten. Ausschlaggebend für sie war die Kritik an der internatio- nalen Arbeitsteilung als asymmetrische Zentrum-Peripherie-Struktur, die auf die europäische Kolonisierung zurückzuführen ist und die Ausbeu- tung von Ressourcen ehemals kolonisierter Gebiete prägt. Die präsentier- ten wirtschaftspolitischen Lösungen hatten jedoch die nationale, nicht die globale Ebene im Blick, und sahen als Ausweg aus der kapitalistischen Sys- temlogik, die für diese strukturellen Ungleichheiten verantwortlich war, oft nationale sozialistische Revolutionen an. Die kubanische Revolution diente dabei als paradigmatisches Beispiel für eine erfolgreiche Entkoppe- lung vom globalen kapitalistischen System und als politische Perspektive für den anschließenden Abbau bestehender (nationaler) Ungleichheiten jenseits des globalen Kapitalismus.

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Erschienen in
Welttrends 195 | 2023
Europa global
72 Seiten

Wohnbau im Roten Wien

Spukende Erinnerungen an eine linke Politik aus der Krise

11 Seiten | Autor: Georg Spitaler

Am Beispiel des Wohnungsbaus fragt Georg Spitaler nach der Aktualität des Roten Wiens (1919-1934) in einer Gegenwart, die ähnlich wie diese historische Epoche von zahlreichen Krisenphänomenen gekennzeichnet ist. Er rekapituliert Konzepte und Debatten des Roten Wiens im Bereich der Wohnbaupolitik, wirft Schlaglichter auf die Rezeptionsgeschichte und fragt nach dem Erbe des Roten Wiens in der gegenwärtigen Wiener Politik. Spitaler argumentiert, dass jene Ideen, Konflikte und Zukunftsentwürfe, die das historische Rote Wien ausmachten, im Angesicht gegenwärtiger Krisen wieder an Relevanz gewonnen haben. Vor dem Hintergrund der Schwierigkeit, sich heute eine Zukunft nach dem Kapitalismus vorzustellen, stellen die spukenden Hinterlassenschaften des Roten Wiens einen Möglichkeitsraum dar, der den Blick auf die Veränderbarkeit sozialer Verhältnisse gerade in Zeiten der Krise öffnet.

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Erschienen in
Berliner Debatte 4 | 2022
Schwächen der Linken
135 Seiten

Von den Schwierigkeiten der Linken, gegen den Sturm zu segeln

11 Seiten | Autor: Michael Brie

Im Wahlverhalten in westlichen liberalen Ländern hat sich ein umfassender Umbau der parteipolitischen Orientierungen vollzogen. Dabei entstand ein Vakuum: Die große Gruppe der Lohnarbeitenden, die nicht über hohe Bildung und hohes Einkommen verfügen, wurde politisch heimatlos. Sie hat keinen dauerhaften verlässlichen politischen Ansprechpartner mehr – der in den 1950er und 1960er Jahren die Sozialdemokratie und westliche Kommunistische Parteien war. Der Siegeszug des neoliberalen Finanzmarkt-Kapitalismus war möglich, weil er verhindern konnte, dass die mit der „Wissensgesellschaft“ aufstrebenden neuen Gruppen mit höherer Bildung ein Bündnis mit der „alten“ organisierten Arbeiterbewegung eingingen. Die soziale Frage wurde durch die Frage der Freiheit der Individuen, der Unternehmen, der Erfolgreichen abgelöst.

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Erschienen in
Berliner Debatte 4 | 2022
Schwächen der Linken
135 Seiten

Kommunismus im Weltall?

Zur politischen Ökonomie utopischer Welten

9 Seiten | Autor: Bernd Kulawik

Bernd Kulawik diskutiert in diesem Essay, welche Typen ökonomischer Systeme in den Zukunftswelten populärer Science-Fiction-Literatur und -Filme dargestellt werden. In Dystopien scheinen Großkonzerne u. ä. bzw. expansive, aggressive, gierige Gesellschaften oder Gruppen eine auslösende oder zumindest entscheidende Rolle für den jeweils behandelten Konflikt zu spielen. Im Unterschied dazu scheinen Utopien Konflikte höchstens episodenhaft zu behandeln und kapitalistische Verwertungszusammenhänge nahezu komplett auszublenden. Dies zeige sich insbesondere in der (virtuellen) Absenz des Geldes oder ähnlicher Tauschäquivalente. Auch die nach heutigen Maßstäben prohibitiven Kosten interstellarer Reisen oder auch nur regelmäßiger Reisen innerhalb unseres Sonnensystems scheinen keinerlei Bedeutung zu haben, unterliegen in diesen Welten also wohl nicht kapitalistischen Verwertungszusammenhängen.

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Erschienen in
Berliner Debatte 4 | 2021
Weltall Erde Mensch
156 Seiten

Das Ende der Gig Economy?

Plattformlieferdienste zwischen Ausdehnung und Arbeitskonflikten

13 Seiten | Autor: Janis Ewen

Im Feld der einfachen Dienstleistungen haben sich Plattformunternehmen angesiedelt, die zu neuen Formen digitaler Arbeitsorganisation führen. Insbesondere in der plattformvermittelten Kurierarbeit verbindet sich die technische Infrastruktur der Plattform mit einer algorithmischen Steuerung des Arbeitsprozesses. Die Ausgestaltung der Plattform-Lieferarbeit ist jedoch ein umkämpftes Feld, in dem Beschäftigte versuchen, auf ihre Arbeitsverhältnisse einzuwirken und die Plattformlogik zu modifizieren. Janis Ewen fragt nach Arbeitsansprüchen und Handlungsorientierungen der Plattformarbeiter*innen von Lieferdiensten. Anhand von Material aus qualitativen Interviews zeigt er, dass aus der Arbeit resultierende Sinnverluste, Anerkennungsdefizite und Planungsunsicherheiten bei den Kurieren (Rider) zur Delegitimierung der Plattformen führen und damit zu subjektiven Voraussetzungen von Arbeitskonflikten werden können.

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Erschienen in
Berliner Debatte 3 | 2021
digital arbeiten
166 Seiten

Dienstleistungsplattformen als dualistische Meta-Organisationen

Eine ethnografische Analyse von Kontingenzarbeit und ihren Organisationskulturen

14 Seiten | Autor: Oliver Nachtwey, Simon Schaupp

Oliver Nachtwey und Simon Schaupp untersuchen den Charakter von Serviceplattformen aus wirtschafts- und organisationssoziologischer Sicht. Ihr Beitrag basiert auf einer ethnografischen Studie und semi-strukturierten Interviews, die bei einem deutschen Lieferdienst durchgeführt wurden. Die Autoren argumentieren dafür, Serviceplattformen als dualistische Metaorganisationen zu verstehen. Im Zentrum des Unternehmens findet sich ein organisationaler Kern mit Rechten und Pflichten der Mitglieder. Außerhalb dieses Kerns gibt es eine periphere Organisation, die ein Hybrid aus Organisation und Markt ist. Die Rechte und Pflichten der in diesem Organisationsteil Beschäftigten sind begrenzt. Diese prekären Arbeitsbeziehungen der digitalen Ökonomie bezeichnen die Autoren als Kontingenzarbeit. In einem solchen Rahmen erfahren die Arbeitnehmenden neue Formen der Unsicherheit.

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Erschienen in
Berliner Debatte 3 | 2021
digital arbeiten
166 Seiten

Das Agilitäts-Dispositiv

Die Coder-Klasse zwischen Selbstermächtigung und digitalem Taylorismus

10 Seiten | Autor: Timo Daum

Vor 20 Jahren entstand das „Manifest für Agile Softwareentwicklung“. Seine Prinzipien haben sich in der Zwischenzeit in Gestalt agiler Methoden in der Softwarebranche etabliert. Kleine Teams entwickeln in kurzen Iterationen funktionsfähige Prototypen, kommunizieren ständig und steuern sich weitgehend selbst. Das Streben des Managements nach Geschwindigkeit & Kontrolle wird in die Teams hinein verlagert. Überall da, wo kognitiv-kreative Arbeitsprozesse organisiert werden müssen, wird Agilität zur Methode der Wahl. Ein agiles Dispositiv hat sich herausgebildet, das die einstmals befreienden Prinzipien als erhöhte Anforderungen an die Kreativen und Programmiererinnen zurückspielt. Aus dem revolutionären Aufbegehren gegen Hierarchien ist mittlerweile eine maßgeschneiderte Ausbeutungsmethodik für kognitive Arbeit geworden. Das Manifest gab den Startschuss für die reelle Subsumption der kognitiv-kreativen Kopfarbeit im digitalen Kapitalismus.

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Erschienen in
Berliner Debatte 3 | 2021
digital arbeiten
166 Seiten

Berliner Debatte Initial 3 | 2021

digital arbeiten

ISBN 978-3-947802-73-9 | ISSN 0863-4564 | 166 Seiten

„Zoom Fatigue“, zu Deutsch „Videokonferenz-Erschöpfung“, ist vielleicht das neueste Phänomen eines zunehmend digitalisierten Büroalltags. Seit der Corona-Pandemie und dem notgedrungenen Umzug ins Home-Office sind Videokonferenzen allgegenwärtig. Zum digitalen Arbeiten gehören heute außerdem kollaborative Tools, die Echtzeiteinblicke in die Arbeitsfortschritte von Teams gewähren, sowie Applikationen und KI-Elemente, die Arbeitsprozesse erleichtern sollen. Digitales Arbeiten wird dadurch transparenter, jedoch in einer Weise, die für die Beschäftigten in der Regel intransparent ist. Dadurch verändern sich die Möglichkeiten der Überwachung und die Modi der Fremd- und Selbstkontrolle.

Dass die Digitalisierung in alle Lebensbereiche eingreift, Nebenwirkungen hat, Herausforderungen verschiedenster Art (politisch, kulturell, ökologisch etc.) mit sich bringt und wir erst lernen, mit ihr und ihren Effekten umzugehen, wird seit Jahren breit diskutiert. Im Themenschwerpunkt „digital arbeiten“ geht es vor allem darum, wie sich Arbeit unter digitalen Vorzeichen verändert. Besonders auffällig an der digitalen Arbeitswelt ist, dass sie zur Entgrenzung neigt: Ständige Erreichbarkeit am Smartphone sowie fließende Übergänge zwischen Arbeit und Freizeit sind längst selbstverständlich. Zugespitzt könnte man fragen, ob wir heute nicht alle Digitalarbeiter:innen sind, die Daten für Internetfirmen und -konzerne liefern, wenn sie Updates installieren, im Internet einkaufen, Apps nutzen, Bewertungen posten, Likes vergeben usw. usf.

Mit der digitalen Transformation scheint die Arbeitswelt im Stadium der permanenten Veränderung angekommen zu sein. Das betrifft nicht nur die digitalen Arbeitsmittel, die ständig auf den neuesten Stand gebracht werden sollen. Auch die Arbeitsprozesse selbst werden stetig umgestaltet: Algorithmen übernehmen die Steuerung und Managementkonzepte, die aus der Softwarebranche stammen, dienen als Überbau. Während das Management für eine „agile“ Arbeitskultur mit flachen Hierarchien schwärmt, hangeln sich viele Beschäftigte von Projekt zu Projekt und von Job zu Job. Dies gilt für an Hochschulen tätige „Wissensarbeiter“ genauso wie für die Fahrradkuriere von Essenslieferdiensten.

Die im Themenschwerpunkt „digital arbeiten“ zusammengestellten Artikel setzen sich mit Konzepten und Ansprüchen dieser „schönen neuen“ Arbeitswelt auseinander, bieten empirisch fiundierte Einblicke in das digitale Arbeiten, legen aktuelle Entwicklungstendenzen offen und diskutieren politische und normative Fragen, die sich aus der Digitalisierung der Arbeit ergeben.

Hier finden Sie eine Leseprobe dieser Ausgabe: Leseprobe digital arbeiten

Inhalt

Digitale Dystopien utopisch aufheben – durch gesellschaftliche Aneignung

14 Seiten | Autor: Magnus Kulke, Christian Wadephul

Wer an konkrete Utopien glaubt, muss sich zwei grundsätzlichen Problemen stellen: Was als utopisch bzw. dystopisch zu gelten hat, ist erstens perspektivabhängig. Des einen Utopie, des anderen Dystopie, könnte man sagen. Zweitens ist immer ein Umschlagen von Utopie in Dystopie möglich. So schlägt algorithmische Objektivität in statistische Verzerrung, Fairness in algorithmenbasierte Diskriminierung um. Aus Demokratie und freiem Markt werden Überwachungskapitalismus und monopolistische Plattformökonomie. Doch wäre nicht auch ein Umschlagen vice versa möglich? Also von der fremdbestimmenden Kontroll-Dystopie in eine zu planende Utopie? Könnten neue digitale Technologien mit algorithmen- und datenbasierten Echtzeit-Verfahren bessere Lösungen für die ökonomischen Probleme unserer komplexen Gesellschaft liefern als die gute alte freie Marktwirtschaft? Welche Rolle spielt die Kybernetik für eine anzustrebende deliberative Wirtschaftsdemokratie? Diesen Fragen gehen Magnus Kulke, Christian Wadephul in diesem Artikel nach.

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Erschienen in
Berliner Debatte 1 | 2020
Digitale Dystopien
168 Seiten

Wenn Zukunft zu optimierter Gegenwart verkommt

Eugen Ruges Roman „Follower“ zwischen Dystopie und postdigitaler Utopie

12 Seiten | Autor: Stephanie Freide, Thomas Jung

Zukunftsentwürfe durchziehen die Literaturgeschichte wie Tweets das digitale Zeitalter. Als Utopien melden sie paradiesische Zustände, als Dystopien schlagen sie Alarm. Den Ausgang bildet hier wie da eine Diagnose der Gegenwart. Davon findet sich in Eugen Ruges Roman „Follower“ (2016) zuhauf. Im Mittelpunkt des Erzählens aber stehen der Mensch und sein Verhältnis zur Welt und zu sich selbst – mal als Herrschender über Technik, Kultur und die eigene Natur, mal als Beherrschter, der der Technik oder einer anonymen ökonomischen und/oder politischen Macht ausgeliefert ist. Heute scheint diese Trennung von Herrschendem und Beherrschtem nicht mehr trivial. Kapitalismus- und globalisierungskritische Analysen der Soziologie, Philosophie und Kulturwissenschaften legen Herrschaftsmechanismen offen, die sich scheinbar unbemerkt in das Selbst einschreiben. Es geht um Optimierung, Effektivierung und Quantifizierung des Individuums. Es geht um Selbstausbeutung. Selbstinszenierungspraktiken inklusive. Herrschende sind gleichzeitig Beherrschte. Sie wohnen im selben Haus. Ihre Untermieter sind Algorithmen, ihre Nachbarn Follower.

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Erschienen in
Berliner Debatte 1 | 2020
Digitale Dystopien
168 Seiten