Gesellschaftskritik

Konvivialismus oder Die Ohnmacht des Sollens

5 Seiten | Autor: Dirk Jörke

Gut sieben Jahren nach dem Erscheinen des ersten Manifestes ist jetzt das „Zweite konvivialistische Manifest“ erschienen. Verfasst wurde es von einer Gruppe von Intellektuellen um den französischen Soziologen Alain Caillé. Im Zentrum des Manifests stehen „fünf Prinzipien“, die das individuelle und kollektive Handeln anleiten sollen: die Prinzipien „der gemeinsamen Natürlichkeit“, „der gemeinsamen Menschheit“, der „gemeinsamen Sozialität“, der „legitimen Individuation“ und „des schöpferischen Konfliktes“. Hinzu tritt als eine Art Metaprinzip der „Imperativ, die Hybris zu beherrschen“. Dirk Jörke setzt sich in diesem Artikel kritisch mit den politischen Forderungen und theoretischen Prämissen des Manifests auseinander. Der in „Berliner Debatte Initial“ schon mehrfach diskutierte Konvivialismus (z. B. Heft 4/2015, 3/2019), der auf eine neue Art bzw. Kunst des Zusammenlebens zielt, verstrickt sich, so Jörke, aufgrund der im Manifest durchscheinenden Individuumzentrierung in Widersprüche.

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Erschienen in
Berliner Debatte 1 | 2021
Vor der Abwicklung
142 Seiten

Wenn Zukunft zu optimierter Gegenwart verkommt

Eugen Ruges Roman „Follower“ zwischen Dystopie und postdigitaler Utopie

12 Seiten | Autor: Stephanie Freide, Thomas Jung

Zukunftsentwürfe durchziehen die Literaturgeschichte wie Tweets das digitale Zeitalter. Als Utopien melden sie paradiesische Zustände, als Dystopien schlagen sie Alarm. Den Ausgang bildet hier wie da eine Diagnose der Gegenwart. Davon findet sich in Eugen Ruges Roman „Follower“ (2016) zuhauf. Im Mittelpunkt des Erzählens aber stehen der Mensch und sein Verhältnis zur Welt und zu sich selbst – mal als Herrschender über Technik, Kultur und die eigene Natur, mal als Beherrschter, der der Technik oder einer anonymen ökonomischen und/oder politischen Macht ausgeliefert ist. Heute scheint diese Trennung von Herrschendem und Beherrschtem nicht mehr trivial. Kapitalismus- und globalisierungskritische Analysen der Soziologie, Philosophie und Kulturwissenschaften legen Herrschaftsmechanismen offen, die sich scheinbar unbemerkt in das Selbst einschreiben. Es geht um Optimierung, Effektivierung und Quantifizierung des Individuums. Es geht um Selbstausbeutung. Selbstinszenierungspraktiken inklusive. Herrschende sind gleichzeitig Beherrschte. Sie wohnen im selben Haus. Ihre Untermieter sind Algorithmen, ihre Nachbarn Follower.

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Erschienen in
Berliner Debatte 1 | 2020
Digitale Dystopien
168 Seiten

Widerspenstige Kulturkritik

Oder: Das Projekt einer postmarxistischen Gesellschaftskritik

20 Seiten | Autor: Thomas Linpinsel

Im Kontext der um sich greifenden gesellschaftlichen Krisendiagnosen ist auch Gesellschaftskritik wieder en vogue. Der vorliegende Artikel findet seinen Platz in den vielfältigen Kontroversen um ein neues Modell der Gesellschaftskritik. Ich werde den Blick auf die Veränderung der Kritik selbst legen und herausarbeiten, dass der Niedergang des Marxismus im gesellschaftskritischen Diskurs zu einem Bedeutungsgewinn kulturkritischer Denkmotive geführt hat. In einem ersten Schritt werde ich auf die aktuellen Versuche eingehen, die sich gegenwärtig wandelnden Formen der Gesellschaftskritik innerhalb eines Ordnungsmodells zu deuten und anschließend zeigen, dass und wie sich die Kulturkritik diesen Modellen entzieht; Kulturkritik kann hier als eine widerspenstige Form der Gesellschaftskritik ausgeflaggt werden. Von dieser Diagnose ausgehend, lege ich im zweiten Schritt meinen eigenen ideengeschichtlichen Deutungsvorschlag zur Transformation der Kritik vor. Dazu werde ich die sozialhistorische These einer sich unter dem Eindruck der neuen sozialen Bewegungen immer stärker klassischen Kulturphänomenen öffnenden neuen Linken in den 1960er- und 1970er-Jahren in Verbindung mit der ideengeschichtlichen Genese des postmodernen Denkens stellen und zeigen, dass sich aus dieser Verbindung eine Kulturalisierung der Gesellschaftskritik in der Postmoderne ableiten lässt. Im abschließenden dritten Teil werde ich am Beispiel des Theorieentwurfes von Cornelius Castoriadis die Konturen einer postmarxistischen Kulturkritik umreißen.

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Erschienen in
Kultursoziologie 1 | 2017
Kulturkritik
122 Seiten

Fernsehen und Kulturkritik

Soziologische Konturen einer selbstreflexiven Mediendeutung

17 Seiten | Autor: Gregor Balke

Seit es das Fernsehen gibt, wird es lebhaft kritisiert. Kulturkritik und Fernsehen stehen sich gemeinhin als Antipoden gegenüber. Gewöhnlich wendet sich der kulturkritische Blick eher abfällig dem Fernsehen zu – nämlich nach unten. Höhe und Tiefe verweisen als räumliche Kategorien gleichsam auf die kulturelle Wertschätzung innerhalb einer Gesellschaft, die sich in der Dichotomie von U- und E-Kultur ein gängiges Referenzsystem geschaffen hat, das Orientierung versprechen soll – mit dem (vorläufigen) Ergebnis, dass das Fernsehen als Unterschichtenmedium und „Blödmaschine“ gilt. Der schlechte Leumund des Fernsehens ist derart verbreitet, dass er sich in das Medium und seine Selbstwahrnehmung längst eingeschrieben hat. Was sich etwa daran zeigt, dass ein Pay-TV-Anbieter wie HBO in den USA jahrelang mit dem Slogan warb: „It’s not TV, it’s HBO.“ Ein Empfangsgerät überhaupt zu besitzen, scheint in nicht wenigen sozialen Kreisen zumindest so anrüchig zu sein, dass der eigene fernsehlose Haushalt immerhin eine Erwähnung in geselligen Runden wert ist und die Propagierung der televisuellen Leerstelle als Distinktionsmittel taugt. Das Fernsehen kritisch zu sehen, gehört zum gesellschaftlichen Mainstream wie zur Tradition der Kulturkritik seit Mitte des 20. Jahrhunderts. Doch das Fernsehen ist nicht nur ein Medium, das gesehen wird (etwa von der Kulturkritik), es sieht auch selbst. Es ist nicht allein die passive „Erzählmaschine“, die unter dem kulturkritischen Blick verurteilt werden kann. Vielmehr ist diese Erzählmaschine selbst ein gesellschaftlicher Akteur, der massenmediale Öffentlichkeiten erschafft und deshalb auch distanziert, skeptisch, ironisch, fragend, entlarvend, verachtend, spöttisch, kurzum: kulturkritisch agiert.

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Erschienen in
Kultursoziologie 1 | 2017
Kulturkritik
122 Seiten

Dystopie im Kino

Für eine kritische Theorie

13 Seiten | Autor: Tobias Albrecht, Anastasiya Kasko

In der ambivalenten Natur von Utopie und Dystopie liegt ihre schöpferische Kraft als Mittel der ästhetisierten Kritik der gesellschaftlichen Verhältnisse. Zum 500. Jahrestag von Morus’ „Utopia“ scheint eine Revision dieses kritischen Potentials geboten zu sein. Ausgehend von drei Dikta der kritischen Theorie Theodor W. Adornos – das notwendige Verzichten auf die Utopie, die Sensibilität der ästhetischen Zeugnisse für die gesellschaftlichen Missstände und die immanente Tendenz der kapitalistischen Gesellschaft, alles und alle zur Ware zu machen – untersucht der Aufsatz das gesellschaftskritische Potential dystopischer Darstellungsform am Beispiel von drei Filmen: „Children of Men“, „Snowpiercer“ und „Mad Max: Fury Road”.

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Erschienen in
Berliner Debatte 2 | 2016
Die Lücke der Utopie
182 Seiten

Kritik, Ermächtigung, Trost

Die Lücke der Utopie

Die neun Beiträge des Schwerpunkts zum Vorzugspreis – Vor 500 Jahren, 1516, erschien Thomas Morus’ „Utopia“. Der Titel wurde zum Begriff eines literarischen Genres wie einer „Form von Zukunftserwartung, ja eines Weltverhaltens überhaupt“ (Jürgen Teller): Das Entwerfen gesellschaftlicher Alternativen verband sich mit dem Begriff der Utopie. Wir nehmen das Jubiläum zum Anlass, zu erkunden, wie Utopien die Lücke zwischen Sein und Sollen denken. Welche gesellschaftlichen Probleme und Erwartungen artikulieren sich in ihnen? Was leisten Utopien: Sind sie Kritik, Handlungsanleitung oder hypothetisches Ideal, reales oder gedankliches Experiment? Und wofür stehen Utopien heute? Führen die gegenwärtigen Krisen zu neuen Utopien? Ermächtigen diese zum gesellschaftlichen Verändern? Oder schaffen sie eher Rückzugsräume, die über die elende Gegenwart trösten? Die Beiträge des Schwerpunkts erkunden die Möglichkeiten der Utopie in historischer und aktueller Perspektive: u. a. zur Politikberatung in Morus’ „Utopia“, zur utopischen Piratenrepublik Libertalia, zu Dystopien im Kino, zu feministischen Utopien im 20. Jahrhundert und zum Verhältnis von Sozialismus und Utopie.

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Erschienen in
Berliner Debatte 2 | 2016
Die Lücke der Utopie
182 Seiten

Berliner Debatte Initial 2 | 2016

Die Lücke der Utopie

Kritik, Ermächtigung, Trost

ISBN 978-3-945878-09-5 | ISSN 0863-4564 | 182 Seiten

Vor 500 Jahren, 1516, erschien Thomas Morus’ „Utopia“. Der Titel wurde zum Begriff eines literarischen Genres wie einer „Form von Zukunftserwartung, ja eines Weltverhaltens überhaupt“ (Jürgen Teller): Das Entwerfen gesellschaftlicher Alternativen verband sich mit dem Begriff der Utopie. Wir nehmen das Jubiläum zum Anlass, zu erkunden, wie Utopien die Lücke zwischen Sein und Sollen denken. Welche gesellschaftlichen Probleme und Erwartungen artikulieren sich in ihnen? Was leisten Utopien: Sind sie Kritik, Handlungsanleitung oder hypothetisches Ideal, reales oder gedankliches Experiment? Und wofür stehen Utopien heute? Führen die gegenwärtigen Krisen zu neuen Utopien? Ermächtigen diese zum gesellschaftlichen Verändern? Oder schaffen sie eher Rückzugsräume, die über die elende Gegenwart trösten? Die Beiträge des Schwerpunkts erkunden die Möglichkeiten der Utopie in historischer und aktueller Perspektive. Außerdem: Astrid Volpert rekonstruiert die vergessenen Biographien der Bauhaus-Künstler Erich Borchert und Gerhard Moser, die 1930 bzw. 1935 in die Sowjetunion gingen. Gerd Irrlitz geht den Ursachen für die aggressive Ablehnung von Flüchtlingen und Einwanderern durch Pegida und AfD nach. Eckhard Hein stellt mit Josef Steindl eine alternative Sicht auf Stagnation in modernen kapitalistischen Ökonomien vor. Und wir eröffnen eine Debatte über das Erklärungspotential von Theorien und Modellen sozialer Evolution.

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