Berliner Debatte Initial 2 | 2004

Die Überflüssigen

Herausgeber: Andreas Willisch

128 Seiten

Kann man als Sozialwissenschaftler erahnen, was es bedeutet, „überflüssig“ zu sein? Was genau damit bezeichnet werden soll? Natürlich!, möchte man antworten. Die Profession selbst ringt um den Statuserhalt – mit negativem Ausgang: die Soziologie der FU Berlin wird aufgelöst, landauf, landab stehen sozialwissenschaftliche Fakultäten zur Disposition; dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, früher eine Hochburg der Soziologie, steht heute ein ausgewiesener Sozialhistoriker vor. Die Arbeit der „fünf Wirtschaftsweisen“ schafft zwar viele soziale Probleme, aber keine Beschäftigung für Soziologen. Dabei liegt die Arbeit doch auf der Straße. In den Buchläden boomen Biographien, nur sind die Ghostwriter dieser neuen Bestseller keine Biographieforscher, sondern Journalisten. Auch die „Berater“, denen zur Zeit die Türen zur Macht geöffnet werden, verstehen sich selbst als Medienexperten, geübt, den Schein aufzupolieren. Es gibt keinen Bedarf an neuen soziologischen Fragen, wir haben auch so schon genug Probleme. „Die Überflüssigen“ waren immer die Boten der Zukunft. Bei Oblomow, dem Vater aller Überflüssigen, kündet der geschäftstüchtige Freund Stolz vom Aufkommen des Kapitalismus in Rußland. Die Menschen, die Walter Ballhause während „der großen Krise“ fotografiert hat, wirken wie die Flaneure des Elends: Sieben Straßenbauarbeiter arbeiten mit Preßlufthämmern, fünfundzwanzig stehen hinter der Absperrung und schauen zu. „Das Lied vom überflüssigen Menschen“ von Johannes R. Becher beschwört schon den Sozialstaat und die soziale Marktwirtschaft des 20. Jahrhunderts:

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