Kultursoziologie

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Kultursoziologie
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Journal

Natalia Ginzburg

Die Literarisierung des Alltäglichen

8 Seiten | Autor: Anna Charlotte Thode

Das Schreiben der italienischen Schriftstellerin Natalia Ginzburg (1916–1991) wird als Erzählen eines einfachen Alltagslebens rezipiert, dessen Sprache auf das Wesentliche reduziert ist und das oft die hoffnungslose Existenz des Einzelnen innerhalb einer familiären Schicksalskonstellation zum Gegenstand hat. Die Erzählerinstanzen in ihren Texten enthalten sich dabei jeglicher Wertung. Die Betrachtung von Alltäglichem und Nichtalltäglichem scheint häufig von Dichotomien geprägt: privat/öffentlich, unwesentlich/wesentlich, weiblich/männlich. Laut Solte-Gresser gelte es bei der wissenschaftlichen Betrachtung des Alltäglichen, diese Dichotomien zugunsten einer Betrachtung aufzugeben, die auf die Verschränkungen der beiden Dimensionen abhebt. In der Literaturwissenschaft wird die literarische Bearbeitung von Alltäglichkeit als ein ästhetischer Wahrnehmungsund Darstellungsmodus aufgefasst. Alltag bildet also im allgemeinen Verständnis die Folie, vor der sich das Ungewöhnliche, Ereignishafte vollzieht, das die eigentliche Handlung in der fiktionalen Welt vorantreibt. Erst durch den Hintergrund des Alltags wird das ereignishaft Hereinbrechende zu etwas Ungewöhnlichem, Außergewöhnlichem. Im Werk von Ginzburg wird jedoch das Alltägliche selbst zum Gegenstand. Es stellt sich dabei die Frage, ob das Alltägliche nicht nur Erfahrungsraum, sondern auch Erkenntnisraum sein kann. Im Folgenden soll anhand ausgewählter Textbeispiele der Frage nachgegangen werden, welche Funktion die nüchterne, kommentarlose Alltagsdarstellung im Werk von Natalia Ginzburg erfüllt. Es handelt sich dabei zweifelsohne um die Aufforderung an den Leser, angesichts der scheinbaren Klarheit zwischen den Zeilen zu lesen und die Komplexität des Impliziten und Konnotierten zu reflektieren.

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Erschienen in
Kultursoziologie 1 | 2015
Die Renaissance
108 Seiten

Die Gegenwart der Zukunft

Zur Aktualität der sozialen Produktion von Erwartungen

8 Seiten | Autor: Jörn Knobloch

Der Soziologe Heinz Bude konstatiert in einer kritischen Zeitdiagnose, dass sich die Politik aus dem Prozess der Produktion von Zukunft zurückgezogen hat.1 Die Nüchternheit der Feststellung wird ihrem radikalen Impetus kaum gerecht, denn sie bedeutet nichts weniger, als dass die Gesellschaft angesichts vermehrter Warnungen vor existenziell bedrohlichen Szenarien der Zukunft der Welt ihre eigene Zukunft politisch nicht mehr reflektiert. Nun ist zwar die Politik schon längst nicht mehr das herausgehobene Steuerungszentrum einer Gesellschaft, dennoch ist sie immer noch der exklusive Ort, an dem kollektiv legitime Entscheidungen getroffen werden. Geht dort nun der Zugriff auf die Zukunft verloren, dann ist dies unter normativen Gesichtspunkten bedenklich und mahnt zu einer weitergehenden Auseinandersetzung mit Budes Rückzugsdiagnose an. Hierfür ist die Plausibilität des Verlustes von Zukunft in der Politik zu prüfen, wobei zunächst differenziert werden muss: Geht es hier allein um den Verlust von Zukunftsvisionen als Orientierungsprogramm für die Politik oder darum, dass in politischen Auseinandersetzungen divergierende Zukunftsentwürfe nicht mehr gegeneinander in Stellung gebracht werden? Im Sinne normativer Leitideen zirkulieren keine unterschiedlichen Ansichten über die Zukunft, die miteinander konkurrieren bzw. zu Auslösern politischer Konflikte werden. Schließlich kann Budes Diagnose auch ein Hinweis darauf sein, dass innerhalb politischer Handlungen, Kommunikationen und Interaktionen keine konkrete Gestaltung von künftigen, noch nicht existenten gesellschaftlichen Zuständen angestrebt wird, weil den Akteuren die Fähigkeit zum strategischen Handeln abhandengekommen ist.

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Erschienen in
Kultursoziologie 1 | 2015
Die Renaissance
108 Seiten

Jacob Burckhardt, Peter Burke und der Genuss Italiens

16 Seiten | Autor: Gerhard Katschnig

In der Umgebung der familiären Basler Geistlichkeit begann Jacob Burckhardt 1837 neben Geschichte und Philologie das Studium der Evangelischen Theologie. Dem protestantischen Ansinnen, das für seinen Vater als reformierten Pfarrer am Münster kennzeichnend war, stand eine Reise entgegen, die den jungen Burckhardt 1838 erstmals nach Florenz brachte. Auf der Domkuppel von Florenz stehend, so lesen wir in einem Brief an Johannes Riggenbach 1838, betrachtete er den Sonnenuntergang und sog Italiennostalgie ein: „Vor mir lagen die Reichthümer der Kunst und Natur, als wäre die Gottheit wie ein Säemann über dieß Land geschritten.“ Dieser Eindruck, als seien Natur und Kunst in der Landschaft Italiens verschmolzen, blieb für Burckhardts späteres Schaffen bestimmend und gab in seinem Studium die Bevorzugung der Geschichtswissenschaft vor. 1839 wechselte er durch sein jugendliches, geradezu überschwängliches Interesse an Kunst und Geschichte nach Berlin, um Philologie, Geschichte und Kunstgeschichte zu studieren sowie Vorlesungen bei den Historikern Leopold von Ranke und Johann Gustav Droysen, dem Philologen Jacob Grimm und dem Kunsthistoriker Franz Kugler zu hören. In der wissenschaftlich anforderungsreichen Umgebung von Berlin kann man, wenn man seinen Briefverkehr ernst nimmt, die zweite zentrale Prägung für seine spätere Schaffensphase entnehmen: „[…] ich hatte meine Wissenschaft auf Hörensagen hin geliebt, und nun trat sie plötzlich in gigantischer Größe vor mich […] Jetzt erst bin ich fest entschlossen, ihr mein Leben zu widmen, vielleicht mit Entbehrung des häuslichen Glückes.“3 Während das Verhältnis zu Ranke und Droysen distanziert blieb, knüpfte er zu Franz Kugler eine freundschaftliche Beziehung, die in seiner ersten Kulturgeschichte, Renaissance, Italien größeren Veröffentlichung, »Die Kunstwerke der belgischen Städte«, im Sommer 1842 ihren Niederschlag fand.

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Erschienen in
Kultursoziologie 1 | 2015
Die Renaissance
108 Seiten

Produkte als Botschaften und deren Bewerbung als lächelndes Aas

Soziokulturelle Implikationen der (Plakat-)Werbung

15 Seiten | Autor: Ronald Ivancic

Plakatwerbungen sind als eine der ältesten Formen der Marketingkommunikation zu nennen, prägen unsere Stadtbilder, regen zum Kauf an, induzieren öffentliche Diskurse, polarisieren und mobilisieren. Im Zentrum des Beitrages steht das Werk »Produkte als Botschaften« von Helene Karmasin, das über 15 Jahre nach seiner Erstauflage nicht an Relevanz eingebüßt hat, vielmehr als aktueller denn je bezeichnet werden kann. Dabei werden insbesondere Implikationen für die Werbeindustrie im Allgemeinen als auch für die Plakatwerbung im Besonderen hervorgehoben und kritisch reflektiert. Werbung ist in diesem Kontext primär als Mittler, als Medium, zu betrachten, mit dem Bedeutungen des Produkts (Teil-)Öffentlichkeiten vermittelt werden. Konfrontiert werden die Ausführungen Karmasins mit Gedanken des Fotografen Oliviero Toscani, der in den 1990er-Jahren durch seine kontrovers diskutierten und umstrittenen Plakatkampagnen für die Modemarke Benetton bekannt geworden ist. In seinem Werk »Die Werbung ist ein lächelndes Aas« geht er mit der Branche hart ins Gericht. Im Zusammenhang mit seinen Kampagnen wurde oftmals und zutreffend der Begriff Schockwerbung verwendet, welchen er selbst eher im Feld der Kunst verortet und von der restlichen Werbeindustrie, die er verdammt, abgrenzt.

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Erschienen in
Kultursoziologie 1 | 2015
Die Renaissance
108 Seiten

Versuch über Giorgio Vasari

Ein Abendessen bei Kardinal Farnese

16 Seiten | Autor: Jakob Grollitsch

Es soll ein Abend freundlicher Unterhaltung und guter Gespräche werden. Die anwesenden Männer, es sind nur Männer zugegen, sind eine Elite. Auserwählt durch Geburt, Geld oder Talent. Männer an der Spitze einer Hierarchie, die Rücksichtslosigkeit und Skrupellosigkeit als Geschäftsalltag verstehen. Aber Härte allein genügt nicht. Ein Mann von Welt muss auch in den Künsten, der Literatur und nicht zuletzt in der Religion bewandert sein, um in diese Runde aufgenommen zu werden. Und er darf nicht den Familiennamen Medici tragen. Ansonsten ist der Gastgeber Grand Cardinale Farnese ein offener und freundlicher Mensch. Die so häufig veranstalteten Abendessen sind weniger Ausdruck einer Hofhaltung, einer tributsartigen Versicherung seiner Klienten ihm gegenüber, als ein tatsächliches Bemühen des Kardinals, mit den klügsten Köpfen seiner Zeit, oder zumindest den klügsten Köpfen der unmittelbaren Umgebung, Wissen zu sammeln und Erkenntnisse zu gewinnen. Natürlich ist es ein Wettbewerb. Die Männer buhlen um den Beifall des Kardinals, versuchen, sich mit rhetorischem Schliff und Fachwissen zu empfehlen. Doch die Freundlichkeit des Kardinals löst die Spannung, weicht die Rivalität auf, die zwischen Höflichkeitsfloskeln unter der Oberfläche schimmert. Der Gastgeber ist reich und mächtig. Das Haus Farnese regiert Parma. Die Mutter des Gastgebers ist eine Orsini, er selbst ist der Enkel eines Papstes. Der Kardinal kann in Rom ein mächtiger Gönner oder ein unangenehmer Feind sein.

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Erschienen in
Kultursoziologie 1 | 2015
Die Renaissance
108 Seiten

Alfred von Martin: Soziologie der Renaissance

Zur Physiognomik und Rhythmik bürgerlicher Kultur

5 Seiten | Autor: Wolfgang Geier

Alfred von Martin (1882–1979) widmete seine titelgebende und folgend zitierte Studie „Karl Mannheim, dem Meister historisch-soziologischen Forschens und Denkens“, wie es im Vorspruch heißt. Im Vorwort erklärt Martin: „Die vorliegende Arbeit verdankt ihre Entstehung einer […] Aufforderung des Berliner Soziologen Alfred Vierkandt, für sein ‚Handwörterbuch der Soziologie‘ den Mittelalter- und Renaissance-Artikel zu übernehmen“ (S. V). Er erklärt dann die verschiedenen Fassungen des Textes sowohl für das »Wörterbuch« als auch für das »Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik« (1903–1933). Bezüge auf Martin enthalten einige in ihrer Zeit und Anlage einmalige Publikationen, so das von Vierkandt herausgegebene »Handwörterbuch der Soziologie« (Stuttgart 1932, rd. 700 Seiten), das von Gottfried Eisermann herausgegebene Buch »Gegenwartsprobleme der Soziologie. Vierkandt zum 80. Geburtstag « (Potsdam 19492) und das von Werner Ziegenfuß herausgegebene »Handbuch der Soziologie« (Stuttgart 1956, 1243 Seiten).

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Erschienen in
Kultursoziologie 1 | 2015
Die Renaissance
108 Seiten

Zwischen dignitas hominis und Kabbala

Giovanni Pico della Mirandola als Vertreter der Renaissance

16 Seiten | Autor: Gian Franco Frigo

Die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts stellt in Italien eine Epoche dar, in der die studia humanitatis einen kritischen Blick auf die scholastische Tradition erlauben. Die „Studien der Humanität“ werten die logischheuristische Bedeutung der klassischen Rhetorik gegenüber dem Formalismus der quaestio und der controversia der scholastischen Methode wieder auf. Wenn anfänglich der von der philologischen Kritik bevorzugte Bereich der sprachlich-literarische gewesen war, erkennt man nun, dass die Sprache nicht nur eine grammatische oder rhetorische Bedeutung hat, sondern auch das politische und ethische Moment mitbringt, das die menschliche Kommunikation in sich trägt. Nur wenn man diesen Aspekt im Auge behält, kann man verstehen, warum die humanistische Hermeneutik ein wichtiges Moment einer kulturellen renovatio wird, die das moralische, zivile und politische Leben umfasst. Nicht nur gewinnt man die symbolisch-erkennende Bedeutung der poetischen Bilder der antiken Mythologie wieder, sondern man nimmt die Vorbildlichkeit der Vergangenheit zum Ansporn, um mit neuen Instrumenten die eigene Zeit zu deuten oder utopische Gesellschaftsmodelle zu entwerfen.

Schlagworte: Renaissance | Philosophie | Religion

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Erschienen in
Kultursoziologie 1 | 2015
Die Renaissance
108 Seiten

Zwischen Glauben und Unglauben

Lucien Febvres Renaissance

8 Seiten | Autor: Thomas Bitterlich

Renaissance … „Tyrannei des Wortes, Tyrannei des Namens, vor der sich die Naturvölker fürchteten. Nur daß für jene der Akt der Namensgebung bedeutet, daß der Benennende das Benannte in Besitz nimmt. Im Falle des Historikers nimmt nur zu oft das Benannte den Benennenden in Besitz.“ Nach dieser von Ulrich Raulff übersetzten Aussage Lucien Febvres, eines Mitbegründers und Herausgebers der schulemachenden französischen Zeitschrift »Annales d’histoire économique et sociale«, mag es seltsam erscheinen, ihn in ein Themenheft zur Renaissance aufzunehmen. Tatsächlich lassen sich kaum Publikationen finden, die im Titel das Wort „Renaissance“ führen. Da geht es um „un destin“, „l’incroyance“ oder „la sensibilité“, um menschliche Probleme und keine Epochen. Nur selten, z. B. in »Comment Jules Michelet inventa la Renaissance«, nutzt er das Wort als historiografische Orientierungskategorie. Trotzdem hat er viel zu der Geschichte der Epoche gearbeitet und dadurch den Weg für Perspektiven eröffnet, die in dieser Zeit nicht mehr ausschließlich die Wiedergeburt der Antike und ein (Zerr-)Bild moderner Gegenwart sehen; Perspektiven, die ihre Zeiteinteilungen gemäß ihrem Gegenstand vornehmen und etablierte Ordnungsmuster hinterfragen.

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Erschienen in
Kultursoziologie 1 | 2015
Die Renaissance
108 Seiten

Bulgarien in der EU – Europas „Kyrillisierung“?

18 Seiten | Autor: Hilmar Walter

Als die Aufnahme Bulgariens in die EU bevorstand, wurde in der Presse häufig darüber geschrieben, dass neben dem griechischen nun auch das kyrillische Alphabet in die Union Einzug hält. Bei der Vorbereitung auf den Eintritt Bulgariens hatte die bulgarische Regierung eine Erklärung zu dem Vertrag unter der Überschrift »Deklaration der Republik Bulgarien bezüglich der Nutzung des kyrillischen Alphabets in der Europäischen Union« mit folgendem Wortlaut hinzugefügt: „Mit der Anerkennung der bulgarischen Sprache als authentische Vertragssprache und auch als offizielle und Arbeitssprache, die in den Institutionen der Europäischen Union verwendet wird, wird die kyrillische Schrift (Kyrilliza) zu einem der drei Alphabete, die offiziell in der Europäischen Union benutzt werden. Dieser wesentliche Teil des kulturellen Erbes Europas stellt einen spezifischen bulgarischen Beitrag zur sprachlichen und kulturellen Vielfalt der Union dar.“ Manche Publikationen in den deutschsprachigen Medien zeugen von Objektivität und Toleranz, wie z. B. ein längerer Text des österreichischen Standard („EU bekommt durch Beitritt Bulgariens drittes Alphabet“, 30.12.2006). Es wurde allerdings auch geringere Akzeptanz geäußert. In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung las man eine dramatisierend aufbauschende Überschrift: „Die Kyrillisierung Europas“, nach ein paar Tagen gefolgt von „Balkantiger auf dem Sprung“. Aufhänger war der Disput, die der damalige bulgarische Minister Nikolaj Vasilev mit der Europäischen Zentralbank über einen kyrillischen Aufdruck auf den Euronoten führte, der nicht „Euro“ sondern „евро (evro)“ lautet, wie es auch in anderen slawischen Ländern für die Währung der Eurozone üblich ist. Vasilev hat unter Berufung auf die Statuten der EU den Disput gewonnen. Deshalb gibt es nun inzwischen 5- und 10-Euronoten mit dem kyrillischen Aufdruck „евро“.

Schlagworte: Europa | Slawistik | Byzanz

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Erschienen in
Kultursoziologie 3 | 2014
Vergessene Programme
110 Seiten

Friedrich Ratzel – Pionier moderner Sozialgeografie?

Ein Missverständnis

13 Seiten | Autor: Hans-Dietrich Schultz

Friedrich Ratzel ist schon über 100 Jahre tot, gleichwohl ist er noch kein Petrefakt, sein Werk bebt in wie außerhalb der Geografie, positiv wie negativ, noch immer nach. Üblicherweise wird er, der gelernte Apotheker, promovierte Zoologe und schließlich Professor der Geografie, als Begründer der modernen Anthropogeografie und Politischen Geografie sowie Mitbegründer der Völkerkunde erinnert, weniger jedoch als Landschafts- und Naturschilderer, der er auch war. Seine jüngste Konjunktur gehört zum spatial turn in den Geschichts-, Kultur- und Sozialwissenschaften. Hier erscheint er (mit anderen) als einer der „Pioniere einer modernen sozialwissenschaftlichen Sichtweise“ und „als eine der Gründerfiguren der heutigen Human- bzw. Sozialgeographie“. Methodisch wird ihm Bahnbrechendes attestiert, nur relativiert durch eine Neigung „zum schematischen Theoretisieren“. Besonders nahe kommt ihm diesbezüglich der Historiker Karl Schlögel, der ein griffig umgestelltes Ratzel-Zitat – „Im Raume lesen wir die Zeit“ – zum Titel eines zivilisationsgeschichtlichen Großessays gemacht hat, mit dem er die Ignoranz des Räumlichen in historischen Narrativen rügt, die Geschichtsvergessenheit der Geografie bedauert und Ratzel resolut von dem häufigen Vorwurf entlastet, legitimierender Vordenker der Rassen- und Raumpolitik Hitlers gewesen zu sein.

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Erschienen in
Kultursoziologie 3 | 2014
Vergessene Programme
110 Seiten