Kommunismus

Schwingkreise der Erregung

Einige Bemerkungen zum Begriff der Resonanz bei Lothar Kühne

17 Seiten | Autor: Jörg Petruschat

Ästhetik kann mit und seit Lothar Kühne, so die Hypothese, nicht bloß als eine philosophische Disziplin entworfen werden. Sondern umgekehrt kann seit Kühne Philosophie gedacht werden als gestützt auf eine Anthropologie und Erkenntnistheorie, die maßgeblich ästhetisch und kulturell figuriert ist auf der Basis ihr zugrunde liegender Gestaltungsprozesse. Eine kritische Aneignung von Kühnes Theorien hat jedoch zu zeigen, dass für sein Denken der Marxismus-Leninismus nicht nur eine Startbahn und Ermöglichung war, sondern die Theorieverhältnisse, auf die er sich stützte und in denen er sein Denken entfaltete, bildeten zugleich Einhegungen und Diskursstereotype, die seine Entfaltung behinderten. In dem Beitrag soll auf zwei Aspekte hingedeutet werden, nach denen eine derart kritische Revue zum Denken Kühnes choreografiert werden könnte. Der eine Aspekt betrifft die gesellschaftstheoretischen Grundannahmen, die Kühne aus dem Marxismus-Leninismus übernommen hat, sie aber auf ein Individualitätskonzept und ein Menschenbild hin konkretisierte: das „Überschreiben“ eines sinnlich-konkreten Gemeinschaftsmodells durch den abstrakten Begriff einer bürgerlichen Gesellschaft. Der zweite Aspekt betrifft Kühnes Begreifen von Gestalt und Gestaltung und führt heran an Grundmotive seines ästhetischen Denkens. Beiden Gesichtspunkten liegt die Annahme zugrunde, dass die Auffassungen zu Gestalt und Gestaltung und deren Zentralstellung in Kühnes ästhetischem Denken zwar sehr oft als Ableitungen eines ökonomisch geprägten Konzepts von Gesellschaftsformationen auftauchen. Aber umgekehrt sind in der systematisch ausgelegten Theorie Kühnes Gestalt, Gestaltung und das Motiv der Resonanz eben auch als Basisprozesse entworfen, von denen her ihrerseits die Formationen von Individualität, Produktion und Gesellschaft modelliert werden können.

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Architektur, Haus und Landschaft

Dokumentation eines Vortrags zum 70. Geburtstag Lothar Kühnes 2001

6 Seiten | Autor: Bruno Flierl

Für Lothar Kühnes Denken waren architekturtheoretische und -historische Fragestellungen konstitutiv. Kühnes erste publizistische Arbeiten in den 1950er und 1960er Jahren befassten sich mit architekturtheoretischen Fragen, etwa: Was ist „sozialistische“ Architektur? Welche Rolle kann Architektur beim Aufbau des Sozialismus spielen? Seine Dissertation A (1965) widmet sich schließlich erkenntnistheoretischen und ästhetischen Problemen der Architekturtheorie. Kühnes Beschäftigung mit Architektur kulminierte in einer Position, die – quer zu traditionellen Ansätzen – die Architektur aus der Kunst herauslöste und als räumliche Organisationsform gesellschaftlicher Praxis deutet. Auf dieser Basis entwickelte Kühne den raumtheoretischen Begriff der „Landschaft“, mit dem er eine dem Kommunismus adäquate Siedlungsform zu fassen suchte, die den Gegensatz zwischen Stadt und Land aufhebt. Diesen Entwicklungsweg zeichnet Bruno Flierl in einem Vortrag von 2001 zum 70. Geburtstag Kühnes nach. Der bislang unveröffentlichte Vortrag wird hier aus dem Vorlass Flierls publiziert.

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Maß der Freiheit

Behutsamkeit bei Lothar Kühne

14 Seiten | Autor: Martin Küpper

Ein zentraler Pfeiler der Ästhetik Lothar Kühnes ist die Kategorie der „Behutsamkeit“. Der behutsame Umgang mit den Gegenständen meint ein freies Verhältnis, das den Druck der Verunsicherung, die Zwänge der Vergeudung und die bloße Sorge um ihren Erhalt nicht mehr kennt. Er ist eine Voraussetzung für die kommunistische Beziehung der Menschen zueinander, doch nicht ohne ihr politisches Komplement, die Solidarität, zu verwirklichen. In dem Aufsatz werden die Genese des Begriffs der „Behutsamkeit“ bei Kühne rekonstruiert und dessen diskursive Hintergründe nachgezeichnet. Kühne gründet „Behutsamkeit“ zum einen auf der Rolle der Konsumtion in der Kritik der Politischen Ökonomie von Marx. Zum anderen präzisiert er das Konzept in der Abgrenzung zu anderen Auffassungen über die Gestaltung der Konsumtion, die sowohl im Sozialismus wie im Kapitalismus um Deutungshoheit konkurrierten. Als besonderes Verhalten der Individuen zu ihren gesellschaftlichen wie natürlichen Lebensbedingungen konzipiert er Behutsamkeit als Konkretion von Freiheit, die im Kapitalismus als Mittel der Kritik fungiert.

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„In der Zeit des Verrats sind die Landschaften schön“

Lothar Kühnes ästhetische Fortbildung des Marx’schen Vergegenständlichungskonzepts

12 Seiten | Autor: Christiane Weckwerth

Das Thema, das den Philosophen und Ästhetiker Lothar Kühne bewegte, ist die räumliche Umwelt. In dieser sah er nicht nur die Grundlage und Vermittlung der gesellschaftlichen Lebensweise der Menschen, sondern ebenso deren aktive Formierung. Gestaltung, Haus und Landschaft fungieren bei ihm als Schlüsselkategorien, diese komplexe Problematik zu fassen, wozu er auf Marx, insbesondere auf dessen Feuerbach-Thesen, zurückgreift. In dem Aufsatz werden Kühnes Fortbildung der Marx’schen Theorie nachgezeichnet. Ein erster Punkt befasst sich mit Kühnes Rezeption des Marx’schen Vergegenständlichungskonzepts. Ein zweiter betrachtet die ästhetische Fortbildung dieses Konzepts. Als Dreh- und Angelpunkt wird hier die Bestimmung der Arbeit als Gestaltungsprozess angesehen. Ein dritter Punkt behandelt Kühnes ästhetisch-ethische Perspektive auf die Gesellschaft als eine Erweiterung von Marx’ ökonomisch begründetem Gesellschafts- und Emanzipationskonzept. Ein vierter Punkt erörtert Kühnes ästhetischen und gesellschaftstheoretischen Auffassungen abschließend als Phänomen und zugleich Überschreitung realsozialistischer Verhältnisse.

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Dialektik des Kommunistischen und Bürgerlichen

Die sozialismustheoretischen Grundlagen der Ästhetik Lothar Kühnes

12 Seiten | Autor: Michael Brie

Lothar Kühne hatte ein wissenschaftlich-philosophisches Projekt marxistischer Ästhetik entwickelt, das von bleibender Bedeutung ist, weil es eine radikale Suche formuliert. Durch seine Konsequenz zeigt es auf, was im Rahmen dieses Paradigmas Großes möglich ist und wo die Grenzen liegen. In dem Aufsatz werden die normativen Leitfragen nachgezeichnet, die Kühnes Werk zugrunde liegen: Wie kann die entstandene sozialistische Gesellschaft als werdende kommunistische Gesellschaft gestaltet werden? Welches sind die Maßstäbe, welches die Triebkräfte, welches die hemmenden Formen? Was bedeutet dies für eine kommunistische Ästhetik? Kühnes kommunistische Ideal war radikal emanzipatorisch, doch liegt in ihm zugleich ein Problem: Kühne fasst, wie Marx, dieses als unmittelbare Gesellschaftlichkeit. Der Blick darauf kann helfen, die Leitfragen für Heute im ersten Drittel des 21. Jahrhunderts zu reformulieren, den kategorialen Rahmen neu zu fassen und sich der transformierten ästhetischen Wirklichkeit anders zu stellen.

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Editorial

4 Seiten | Autor: Martin Küpper, Thomas Möbius

Der Themenschwerpunkt „Die Ästhetik des Kommunismus“ ist dem Kulturphilosophen, Ästhetiker und Architekturtheoretiker Lothar Kühne (1931–1985) gewidmet. Mit seinen originären wie originellen Bezügen auf die Marx’sche Theorie, wie etwa der Bestimmung von Arbeit als Gestaltungsprozess, prägte Kühne die Debatten zu Architektur und Stadtplanung sowie die Ästhetik in der DDR. Er verband Ästhetik, verstanden als Gestaltung der materiellen Lebensbedingungen der Menschen, mit der Perspektive des Kommunismus – mit dem Anspruch auf Veränderung der Lebensweise. Es war nicht zuletzt diese Radikalität seines Denkens, die faszinierte und provozierte – und die ihn zu einem wichtigen Bezugspunkt in der Suche nach einem alternativen Verständnis des Sozialismus werden ließ. Was ihn leitete, war die Anteilnahme an einer Bewegung, die aus dem Sozialismus die kommunistischen Konsequenzen für die Ästhetik zieht: Welche gesellschaftlichen Herausforderungen benötigen Ästhetik? Und welche Anforderungen sind an die Ästhetik gestellt, um gesellschaftlichen Herausforderungen zu begegnen? Es ging darum, „in der praktischen Lebenstätigkeit und in den materiellen Lebensbedingungen der Menschen die Funktionen ästhetischer Faktoren zu erfassen“. Die Beiträge beleuchten Kühnes Stellung im „intellektuellen Haushalt“ der DDR, die Bildungsgründe und Bezüge seines Denkens und sie fragen danach, wie Kühnes Werk heute, unter anderen gesellschaftlichen Bedingungen als jenen, in denen und für die es entstand, neu gelesen und daran angeknüpft werden kann.

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Berliner Debatte Initial 2 | 2019

Die Ästhetik des Kommunismus – Lothar Kühne

ISBN 978-3-947802-24-1 | ISSN 0863-4564 | 148 Seiten

Der Themenschwerpunkt von Heft 2/2019 von „Berliner Debatte Initial“ ist dem Kulturphilosophen, Ästhetiker und Architekturtheoretiker Lothar Kühne (1931–1985) gewidmet. Mit seinen originären wie originellen Bezügen auf die Marx’sche Theorie, wie etwa der Bestimmung von Arbeit als Gestaltungsprozess, prägte Kühne die Debatten zu Architektur und Stadtplanung sowie die Ästhetik in der DDR. Sein radikaler Anspruch, Ästhetik, verstanden als Gestaltung der materiellen Lebensbedingungen der Menschen, mit der Perspektive des Kommunismus zu verbinden, faszinierte und provozierte – und ließ ihn auch zu einem wichtigen Bezugspunkt in der Suche nach einem alternativen Verständnis des Sozialismus werden. Die Beiträge beleuchten Kühnes Stellung im „intellektuellen Haushalt“ der DDR, die Bildungsgründe und Bezüge seines Denkens und sie fragen danach, wie Kühnes Werk heute, unter anderen gesellschaftlichen Bedingungen als jenen, in denen und für die es entstand, neu gelesen und daran angeknüpft werden kann.

Inhalt

Vom Traum, der narrte bis zum Irresein

Die Bauhaus-Künstler und Kommunisten Gerhard Moser und Erich Borchert in der Sowjetunion

19 Seiten | Autor: Astrid Volpert

Als die Studenten der Dessauer Werkstatt für Wandmalerei im Sommer 1928 auf der Baustelle von Haus Lewin in Zehlendorf für die Kamera eines Freundes posieren, sind sie voller Tatendrang. Am Bauhaus stellen sie Denken und Arbeit in den Dienst einer ersehnten neuen Gesellschaft. Mit Kostufra-Kommilitonen agitieren sie für die sowjetische Avantgardekunst und neue Wohnformen im Sozialismus. Erich Borchert (1907–1944) und Gerhard Moser (1908–1939) sind zwei junge Bauhäusler aus Erfurt und Berlin, die zunächst eigene Wege gehen. 1935 treffen sie in Moskau wieder zusammen: Borchert steht seit sechs Jahren in intensiven Arbeitsaufgaben bei der Planung und Ausgestaltung neuer Architekturformen. Die Partei als führende Kraft braucht er dazu nicht. Das Überleben des jüdischen Preußen Moser aber hängt von der Hilfe der Genossen ab: Seit der Haft im KZ Börgermoor plagt ihn eine Lungen-TBC, die UdSSR bietet ihm die lebensrettende Kur. Sie war sein Traumland, das er schon 1928 bereist hatte. Acht Jahre später ist er als Politemigrant angewiesen auf das, was MOPR (IAH) und Komintern ihm gestatten. Ende der 1930er Jahre wandelte sich auch Borcherts Traumjob in einen Alptraum. Obwohl beide Bauhäusler engagiert mit künstlerischer Feder den deutschen Nationalsozialismus bekämpfen, in Moskau Integrationswillen und innovative Berufsleistungen zeigen, bleiben sie für die Sowjets Außenstehende. Unter Stalins Herrschaft werden sie zu Fremden und Feinden gestempelt. Moser starb 31-jährig im Haftkrankenhaus der Butyrka, Borchert im Alter von 37 Jahren in der kasachischen Steppe. Der Aufsatz erschließt anhand bislang unbekannter russischer Nachlass- und Archivquellen die verdrängten Biographien und das in Deutschland vergessene Erbe dieser beiden Bauhausmaler und Kommunisten.

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Erschienen in
Berliner Debatte 2 | 2016
Die Lücke der Utopie
182 Seiten