Berliner Debatte Initial
Martin Sabrow (Hg.): Geschichte als Herrschaftsdiskurs
Läßt sich das anhaltende Interesse an der Erforschung des Charakters der DDR-Geschichtswissenschaft dadurch erklären, daß es so schwer ist, ein Urteil über sie zu fällen? In der Debatte der letzten zehn Jahre reichten die Einschätzungen jedenfalls von völliger Aberkennung des Status einer Wissenschaft und damit einhergehend einem Ausschließen jeglicher wissenschaftlicher Leistungen bis zur Anerkennung als einer Wissenschaft wie jeder anderen bei gleichzeitiger Hervorhebung bestimmter Leistungen. Bei den Bewertungen spielten oft moralische Argumente und, was wohl niemand bestreiten wird, die Besetzung von Stellen eine große Rolle. Als diese dann vergeben waren, beruhigte sich auch der Streit ein wenig.
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Egon Matzner: Monopolare Weltordnung
Der Titel des Buches umreißt ein neues Forschungsfeld, das mit dem Zusammenbruch des sowjetischen Imperiums entstanden ist. In der bipolaren Welt der Systemkonkurrenz haben die militärisch-industriellen Komplexe der beiden Supermächte die wirtschaftlichen Kreisläufe entscheidend geprägt. Wie die Sozioökonomie einer monopolaren Weltordnung zu verstehen ist, dieser Frage wendet sich Egon Matzner in dem vorliegenden Band zu. Er nähert sich diesem übergreifenden Forschungsfeld insofern, als er eine Sammlung von bereits publizierten Artikeln präsentiert, die in ihrer Zusammenstellung neue Sichten erlauben. Matzner ist ja schon frühzeitig der Frage nachgegangen, welche Rückwirkungen der Wegfall der Systemkonkurrenz auf die Sozialpolitik in den westlichen Ländern hat. Nach Meinung des Autors ist „die Wiedergewinnung einer Utopie ... wichtig für eine Rückkehr in die Zukunft“.
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Theresa Wobbe: Weltgesellschaft
Daß die Analyse sozialer Prozesse und Strukturen im globalen Maßstab zu den großen Herausforderungen der Soziologie im beginnenden 21. Jahrhundert gehört, steht außer Frage. Eine mittlerweile unüberschaubare Literatur zum Thema „Globalisierung“ macht deutlich, daß die Soziologie, deren theoretische und empirische Analy sen im 20. Jahrhundert weitgehend von nationalstaatlichen Horizonten bestimmt waren, einer grundbegrifflichen Revision bedarf. Mit ihrem Buch hat Theresa Wobbe eine erste, so bislang nicht vorhandene Einführung in das theoretische Konzept der „Weltgesellschaft“ vorgelegt, ein Konzept, das auf die grundbegriffliche Revision des für die Soziologie zentralen Gesellschaftsbegriffs zielt. Das Konzept der Weltgesellschaft pointiert Wobbe in Abgrenzung sowohl von der breiten soziologischen Debatte um Globalisierung (Beck, Giddens, Robertson, Sassen) als auch von neo-marxistischen Theorien des Weltsystems (Wallerstein) und eher politikwissenschaftlichen Theorien internationaler Beziehungen (Senghaas, Zürn). Dabei lautet ihre zentrale These, daß „das Konzept der Weltgesellschaft ein soziologisches Erklärungspotential sui generis bietet, um den Wandel der Grenzen und Horizonte der gegenwärtigen Gesellschaft zu analysieren und um eine soziologische Kompetenz für die Untersuchung globaler Prozesse zu beanspruchen“. Der besondere Erkenntnisgewinn gerade einer solchen theoretischen Perspektive bestehe darin, daß durch die Analyse globaler Strukturen und Prozesse mit Hilfe des Begriffs der Gesellschaft, verstanden als umfassendstes soziales System, eine Emergenzebene jenseits des nationalstaatlichen Bezugsrahmens sichtbar gemacht werden könne. In Auseinandersetzung mit den Weltgesellschaftstheorien Niklas Luhmanns, des Züricher Entwicklungssoziologen Peter Heintz und des Bildungs- und Organisationssoziologen John W. Meyer und seines Stanforder Forschungsteams entfaltet Wobbe diese Ausgangsthese in zwei Schritten: In einem ersten Teil untersucht sie die drei ausgewählten Theorien im Hinblick auf ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Problemstellung und theoretischer Reichweite, um in einem zweiten Teil einen Überblick über deren jeweilige Umsetzung in empirischen Forschungen zu geben. Dem Einführungscharakter des Buches tragen sowohl der leicht verständliche Stil als auch ein umfassendes und mit Lektüre-Empfehlungen versehenes Literaturverzeichnis Rechnung.
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Jörg Roesler: Der Anschluß von Staaten in der modernen Geschichte
Wer einen historischen Vorgang als „unvergleichlich“ apostrophiert, übersieht zumeist, daß die Metapher sich selber ad absurdum führt, ist ihre Verwendung doch das Resultat – eines Vergleichs. Das trifft natürlich auch auf einen in den Augen vieler so „unvergleichlichen“ Vorgang wie den Beitritt der DDR zur BRD zu. Dies zu begreifen fällt vielen schwer, und daher sollte schon unter diesem Gesichtspunkt die Lektüre von Roeslers historisch vergleichender Analyse für am Thema wirklich Interessierte ein Gewinn sein.
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Im Auge des Sturms
Für Vertreter der „New Economy“ sind globaler Markt sowie die Generierung und der Gebrauch neuer Technologien wie des Internets Merkmale des neuen, flexiblen Kapitalismus. Richard Sennett betrachtet in seinem Werk „The Corrosion of Character“1 eine bisher kaum beachtete Dimension dieses Wandels: Es sind die neuen Formen der Zeit- und Arbeitsorganisation, deren Regeln und Mechanismen opak, bisweilen unsichtbar bleiben. Sennetts Blick richtet sich dabei besonders auf den Begriff der Flexibilität als Prinzip der neuen Organisationsgestaltung, das dem Rationalitätsprinzip der klassischen hierarchischen Ordnung, die noch bei Max Weber zu finden ist, zu widersprechen scheint. Die „neue“ Organisationsgestaltung drückt sich in flachen Hierarchien, Netzwerkstrukturen und deregulierten Arbeitszeiten aus, die dem Prinzip der Flexibilität genügen, denen jedoch ein veränderter Rationalitätsbegriff zugrunde liegt.
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Die Grenzen der Materialisierung diskursiver Performativität an psychisch lebbarer Sozialität
International und im Hinblick auf die theoretischen Fundierungsfragen der Gender Studies hat Judith Butler mit ihren Arbeiten während der letzten Dekade die entscheidenden Anstöße gegeben. Sie hat auf irritierend provokante, schließlich aber doch originelle Weise für die Geschlechterfrage drei Gegenwartsphilosophien miteinander verbunden: Michel Foucaults Konzeption von Machtbeziehungen, die durch ihre diskursive Umgestaltung gegenüber der alten Souveränität (der auf die staatliche Gewalt zentrierten Gesetzesherrschaft) Normen für den Subjektstatus produzieren, mit Jacques Derridas Auffassung von Iterabilität (einer unumgänglichen Wiederholbarkeit, die das Wiederholte ändert) und John Austins sprachpragmatischer Formulierung der Frage nach Performativität, d. h. nach der Ausübung der ersten Person Singular im Indikativ Präsens Aktiv gemäß ritualisierten Rollenkonventionen. Indessen versteht man Butlers Pointe nicht ohne die Berücksichtigung ihres Zuganges zur Spezifik der Psyche. Was Butler die Materialisierung, Sedimentierung (Ablagerung) oder Habitualisierung diskursiver Performativität (insbesondere der Geschlechterperformativität) nennt, soll das Problem neu aufrollen, das üblicher Weise unter dem Titel der Reflexion, Verinnerlichung oder Interiorisation verhandelt wird. Die Psyche ermögliche gerade wegen ihrer Sozialität überhaupt („within the social“) zugleich eine Grenze für die Lebbarkeit bestimmter Sozialitäten („the domain of livable sociality“).6 An diese Grenzen könne gegebenenfalls eine öffentliche Politisierung der geschlechtsbezogenen und anderen Performativa anknüpfen, um sich - diesseits von Fatalismus und dem alten Emanzipationskampf des Subjekts - auf die Subversion der etablierten Handlungsmacht einzulassen. Dadurch könne nicht diejenige Entfremdung (näher: Verwerfung) überwunden werden, die in der Produktion von Subjekten durch Machtbeziehungen schon immer enthalten sei. Wohl aber könnten so die Kriterien bestimmter Legitimität für bestimmte Arten der Unterwerfung, die die Handlungsmacht von Subjekten ermöglicht, geschichtlichpolitisch geändert werden. Es entstehe also in der Grenze dessen, was der psychischen Natur performativ lebbar bleibt bzw. unlebbar wird (ihre leidenschaftliche Anhänglichkeit missbraucht, sie leidend, krank macht), ein kritisches Potential, das Foucault, Derrida und Austin fehlt. Dieses Potential könne nun aber auf dem Wege der öffentlichen Subversion hegemonialer Dichotomien (wie des heterosexuellen Dualismus) erklärlich werden lassen, wieso Macht (in ihren Sedimentierungen, Materialisierungen oder Habitualisierungen) nicht einfach (ohne Veränderung) reproduziert werde (gegen Foucault), wieso Wiederholbarkeit Alterität (Andersartigkeit) einschließt (die in Derridas Iterabilität schon immer vorausgesetzt oder von Levinas übernommen wird) und wieso sich die Performativa (insbesondere Illokutionen) sozialer Rollen ändern können (gegen Austins Zirkel der Rollenkonvention).
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Leidenschaft – eine Skizze
„Denn nichts ist für den Menschen als Menschen etwas wert, was er nicht mit Leidenschaft tun kann.“ Dieser bekannte, nicht eben typische Satz Max Webers steht in einer langen Reihe leidenschaftlicher Plädoyers für die Leidenschaft. Andere Beispiele wären William Blake („Die Straße der Ausschweifung führt zum Palast der Weisheit“) oder George Bernard Shaw: „Wer ohne Leidenschaft lebt, lebt gar nicht. Wer seine Leidenschaft zügelt, lebt nur halb. Wer an seiner Leidenschaft scheitert, hat wenigstens gelebt.“
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Body and Soul:
Boxen ist die Sportart, mit der sich das amerikanische Kino am häufigsten beschäftigt hat. Diese Beschäftigung erstreckt sich von der Aufzeichnung offizieller Begegnungen sowie eigens für die Kamera gestellten Vorführungen bereits um die Wende ins 20. Jahrhundert über Berichte in Wochenschauen und ambitionierte Projekte des dokumentarischen bzw. essayistischen Films bis zu einer ansehnlichen Zahl von Spielfilmen, die das Boxen in den Mittelpunkt der Darstellung rücken. In ihrer bis in die achtziger Jahre reichenden Zusammenstellung von Boxfilmen verzeichnen Zucker und Babich mehr als vierhundert vorwiegend amerikanische Spielfilmproduktionen, die mit der Sportart zu tun haben. Spätestens Ende der dreißiger Jahre ist mit Filmen wie Kid Galahad The Crowd Roars oder Golden Boy dafür gesorgt, daß für den modernen Faustkampf und sein Milieu solche stereotypen Kompositionsmuster und formelhafte Inszenierungsstrategien etabliert waren, die den Begriff des Genrekinos nahelegen und von nun an die Grundlage sowohl der Produktion als auch der Rezeption des Spielfilm-Boxens bildeten.
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Franchising Fight Club
In ihrer Studie über die kulturellen Werte und „maskulinen Moden zu Beginn des 20. Jahrhunderts“ beschreibt Maurizia Boscagli die Ironie, die der exzessiven Betonung alles Physischen innewohnte: „diese neue Körperlichkeit tauchte genau in dem Moment auf, als körperliche Stärke für die Mehrzahl der Arbeitenden nicht mehr vonnöten war. Die neuen männlichen Muskeln nützten den Erwerbstätigen, die ihre Arbeit am Schreibtisch verrichteten, nichts mehr.“ Am Ausgang des 20. Jahrhunderts besteht diese Ironie noch immer, und obwohl die Muskeln der Männer auf dem Arbeitsmarkt noch weniger wert sind, gibt es doch keinerlei Anzeichen für eine Abschwächung der Kultur exzessiver Körperlichkeit. In diesem Essay möchte ich eine spezielle Äußerung dieser Kultur, den Roman Fight Club von Chuck Palahniuk aus den Jahre 1996 unter Bezugnahme auf die filmische Adaption von David Fincher von 1999 betrachten. Ich werde die Funktion und die Anziehungskraft des Fight Club in Roman, Film und den Nachahmungsversuchen im wirklichen Leben untersuchen. Dabei werde ich Palahniuks Roman und Finchers Film in den Kontext maskuliner „Moden“ und Ängste am Ende des 20. Jahrhunderts stellen.
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Boxer, Frauen, Pferde und Genies
Ist es Boxen als „Urschrei“, als ritualisierte Gewalt, als Brunftgebaren, als Kampf ums Dasein, das unserem Leben adäquate Bilder liefert? Ist es der Boxer in seiner Ambivalenz von Triumph und Vernichtung, von männlicher Schönheit und brutaler Gewalt, von Körperstärke und Körperausbeutung, der Künstler aller Richtungen so intensiv reagieren läßt, daß neben zahlreichen Filmen und Werken der Bildenden Kunst fast vierhundert Theaterstücke, Romane und Erzählungen – von Brecht über Hemingway und Mailer bis zu Enquist und Wondratscheck – zum Thema Boxen entstanden?
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