Konflikte im ehemaligen Jugoslawien und die Rolle von Streitkräften
ISSN 1436-6010 | 21 Seiten
Das Ende des „realen Sozialismus“ und des Ost-West-Konfliktes bedeudete auch das Ende Jugoslawiens als Gemeinwesen, den Untergang eines Staates, der im Zeichen der nationalen Befreiung von fremder Herrschaft aus dem Zerfall des Osmanischen Reiches und der Habsburger Monarchie entstanden war. Mit wechselndem Schicksal bestand dieser Staat seit 1918. Nach Beendigung des Systemkonflikts war nun allerorts das Interesse an Jugoslawien als Land mit einer spezifischen Stellung zwischen den Lagern erloschen. Dies bedeutet nicht, daß es nicht in Washington, Paris, London und Moskau – weit weniger allerdings in Bonn – ein Interesse am Weiterbestehen dieses Staates gegeben hätte. Unterschiedliche Beweggründe, manche historischen Bedingungen und nicht zuletzt das düstere Ahnen heraufziehender Konflikte wirkten hierbei. Jedenfalls wandelte sich die internationale Rolle Jugoslawiens nachhaltig. Die Möglichkeit des Landes, selbst aus dem Systemkonflikt mannigfaltigen Nutzen zu ziehen, entfiel. Aus einer nicht unbedeutenden internationalen Position – insbesondere in der Bewegung der Blockfreien und über sie – fiel das Land wieder in den europäischen Hinterhof zurück. Viel gravierender ist jedoch, daß mit dem „jugoslawischen Sozialismus“ auch die bisherige Grundlage der jugoslawischen Identität zerbrach. Als am 1. Dezember 1918 der „Staat der Serben, Kroaten und Slowenen“ (SHS) als erbliche konstitutionelle Monarchie unter einem serbischen Königshaus proklamiert wurde, gab es zwischen Serben, Kroaten und Slowenen („Staatsvolk“) keine Gleichberechtigung, und alle nicht zum Staatsvolk zählenden Nationalitäten wurden unterdrückt. Die Auseinandersetzungen zwischen der serbischen und der kroatischen Bourgeoisie um die politische Vorherrschaft endeten mit der serbischen Hegemonie, die in der Verfassung von 1921 auch staatsrechtlich fixiert wurde.
Ähnliche Inhalte
- ‹ vorherige Seite
- 2 von 103
- nächste Seite ›