DSS-Arbeitspapiere 33 | 1997

Die führende Rolle der SED in der Nationalen Volksarmee

Eine kritische Nachbetrachtung

ISSN 1436-6010 | 24 Seiten

„Die Nationale Volksarmee wird geführt durch die SED“ – dieser Satz, sowohl generelle Forderung als auch gesellschaftliche Realität, war in jeder Hinsicht von großer Tragweite. Diese allgemeine Feststellung fordert dazu heraus, sich mit dem Funktionieren dieser Führungsrolle in der Armee der DDR auseinanderzusetzen. Dabei sind für eine kritische Nachbetrachtung vor allem zwei ambivalente Gesichtspunkte bedeutsam: Erstens war die SED in der DDR mit einem nahezu uneingeschränkten Macht-, Führungs- und Wahrheitsanspruch etabliert. Sie nahm damit eine zentrale und unangefochtene Stellung in allen gesellschaftlichen Bereichen ein, so auch in der Nationalen Volksarmee. Die Partei, genauer: die Parteiführung, nahm für sich in Anspruch, die Gesellschaft als Ganzes zu steuern. So wurden Beschlüsse der Parteitage, des Zentralkomitees und des Politbüros der SED ohne „Umwege“ über die Volkskammer oder den Ministerrat der DDR direkt in der NVA ohne Einschränkungen um- und durchgesetzt. Das war verbunden bzw. war erst möglich mit einer tiefgreifenden ideologischen und moralischen Disziplinierung der Mitglieder der SED. Zweitens kann man nicht daran vorbeigehen, daß die SED mit ihren Organisationsformen bis zu einem gewissen Grad die Möglichkeit gewährte, in demokratischer Weise Einfluß auf unterschiedliche Bereiche des militärischen Lebens zu nehmen. Hinzu kam ein breites Feld sozialer Betreuung. In den unteren Einheiten nahmen Politorgane und SED-Basisgruppen vielfach die Interessen der Armeeangehörigen wahr, suchten unnötige Härten des militärischen Dienstes zurückzudrängen und wandten sich entschieden gegen alle Erscheinungen des Machtmißbrauchs durch einzelne Vorgesetzte. Den SED-Mitgliedern in der Truppe, ob militärischer Vorgesetzter oder Politoffizier, war es ernst mit dem, was damals mit dem Begriff „sozialistische Menschenführung“ bezeichnet wurde. So kann man ihnen im nachhinein auch nicht pauschal absprechen, Richtiges und Gutes für ihre Unterstellten getan zu haben.

Schlagworte: Sicherheitspolitik | Militär | Frieden | DDR | SED | NVA

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