Zeit für neue „Flintenreden“?
2 Seiten | Autor: Wolfram Wallraf
Letzten Winter fuhr ich für ein paar Tage nach Sölden zum Skifahren. Ich war überrascht über die große Zahl russischer Urlauber, zumeist jüngere Leute, darunter viele Familien mit Kindern. Hätte man nicht ihre Muttersprache vernommen, sie wären nicht weiter aufgefallen. Es ist die neue „Mittelschicht“, gebildet, kultiviert und verhältnismäßig gut verdienend, die sich nun auch etwas leistet und nebenbei die weite Welt ansieht. Der vormals berüchtigte „neue Russe“ – reich und laut, betrunken und aggressiv – ist marginalisiert. Ja, es hat sich etwas verändert in Russland. Die Wirtschaft wächst wieder, die Inflation ist abgeflaut, die Einkommen steigen. Die zu Jelzins Zeiten grotesk auseinanderklaffende Schere zwischen Reich und Arm schließt sich wieder. Noch immer fällt es schwer, in Russland von Rechtsstaatlichkeit zu reden, aber die ganz chaotischen und rechtsnihilistischen Zeiten sind vorbei. Wer heute in Russland seine private Zukunft aufbauen will, findet im Großen und Ganzen berechenbare Zustände vor, hat die Freiheiten des Marktes und den Zugang zu weltweiten Kommunikationsnetzen. Welch ein Unterschied zum Leben im Sowjetstaat!
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