Einsamkeit und ihre sozioökonomischen Grundlagen

13 Seiten | Autor: Ulrich Busch

Die gegenwärtige Welt ist eine Welt einsamer Menschen. Einsamkeit ist aber nicht nur ein individual-psychisches, sondern auch ein soziales Phänomen: Nur unter bestimmten Bedingungen ist Alleinsein mit dem Gefühl von Einsamkeit verbunden. Voraussetzung dafür sind Individuation und Säkularisierung, wofür Arbeitsteilung, Privateigentum und Industrialisierung die sozioökonomische Basis bilden. Deren Genesis hängt mit dem Übergang zur kapitalistischen Produktionsweise, zur Markt- und Geldwirtschaft sowie zur bürgerlichen Moderne zusammen. Dieser Prozess erstreckt sich in Europa vom 15. bis ins 19. Jahrhundert. Seitdem ist er widersprüchlich, was teils zur Überwindung, teils zur Verfestigung und Vertiefung von Einsamkeit führt. Breite Resonanz und Rezeption erfuhr das Einsamkeitsgefühl im 18. und 19. Jahrhundert, im Sentimentalismus und in der Romantik. Die Parallelität von Wirtschafts-, Geistes- und Kulturentwicklung wird biographisch anhand repräsentativer „Einsamkeitsvirtuosen“ (Rousseau, Hölderlin, von Arnim, Tieck und Nietzsche) dargestellt. Dabei werden die materiellen und ideellen Ursprünge von Einsamkeit als Zeitphänomen deutlich, aber auch die Analogie und Differenz zur Gegenwart. Zugleich wird sichtbar, dass Einsamkeit als Massenphänomen nicht nur ideengeschichtlichen Ursprungs ist, sondern sozioökonomische Grundlagen hat, die für eine plausible Erklärung ebenso wichtig sind wie psychologische Ansätze.

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Erschienen in
Berliner Debatte 1 | 2022
Einsamkeit
166 Seiten

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