Wien war’s

Neue Überlegungen zum Beginn des Ersten Weltkrieges

3 Seiten | Autor: Florian Keisinger

Das öffentliche Interesse am Ersten Weltkrieg ist nach den zahlreichen Gedenkveranstaltungen und Buchveröffentlichungen anlässlich der 100. Jahrestages abgeflaut. Der unangefochtene Sieger der jüngsten Deutungsrunde heißt Christopher Clark. Mit seiner Chiffre der europäischen Großmächte als „Schlafwandler“, die im Sommer 1914 mehr oder weniger gleichermaßen schuldbehaftet in den Krieg taumelten, hat der in Cambridge lehrende Australier eine Lesart etabliert, ohne die seither nicht nur kein Text über den Ersten Weltkrieg mehr auskommt, sondern die auch Eingang in den politischen Diskurs gefunden hat: Als rhetorischer Warnhinweis für alle möglichen geostrategischen Herausforderungen, deren Bewältigung politischen Gestaltungswillen erfordert, vom Aufstieg Chinas über den Expansionsdrang Russlands bis zum Klimawandel. Ein Grund für den internationalen Publikumserfolg Clarks (deutschsprachige Startauflage: 100.000 Exemplare) dürfte gewesen sein, dass er keiner Nation allzu heftige Schuldzuweisungen machte. Vielmehr lautet sein Fazit: In allen beteiligten Staaten habe es Kriegstreiber gegeben, gleichwohl überwog überall die Überzeugung, unter von anderen Mächten gesetzten Zwängen agieren zu müssen. Einzig in Serbien fühlte man sich von Clark ungerecht dargestellt; von der „Dämonisierung Serbiens“ durch den Westen war in akademischen und politischen Kreisen die Rede.

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Erschienen in
Welttrends 178 | 2021
Weltraum
72 Seiten

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