Philosophische Verwirrung um eine Fehletikettierung
3 Seiten | Autor: Klaus Schlichte
Hartmut Elsenhans hat Recht und Unrecht zugleich. Seine Kritik dessen, was sich im akademischen Bereich der Internationalen Beziehungen (IB) „Konstruktivismus“ nennt, ist berechtigt. Die Bezeichnung indes ist falsch, denn das, was er Konstruktivismus nennt, ist keiner. Das wiederum liegt nicht an Elsenhans, sondern an den Advokaten dieses „Konstruktivismus“ selbst. Denn vieles von dem, was sich in den deutschen IB „Konstruktivismus“ nennt, hat mit diesem meist recht wenig zu tun. Es ist nur die alte liberale Theorie der internationalen Politik. Es geht darin nicht um wirklichen Konstruktivismus à la Ernst von Glasersfeld, Jean Piaget oder Heinz von Foerster, und es geht auch nicht um die philosophischen Vorläuferideen aus Kants Transzendentalphilosophie oder um Hegels Arbeit des Begriffs. Die radikalen Gedanken des radikalen Konstruktivismus – die Dezentrierung des Subjekts oder die doppelte Kontingenz oder die Beobachterabhängigkeit spielen darin ebenso wenig eine Rolle wie die Habitustheorie von Bourdieu oder Luhmanns Autopoiesis. Der „Konstruktivismus“ à la Wendt, Risse und Gefolge war ein falsches Etikett. Drin war der alte Liberalismus mit seinen Ideen vom kollektiven Lernen, demokratischen Fortschritt und der Überlegenheit bürgerlicher Normen. Es stand also von Anfang an das Falsche drauf.
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