Gerd Irrlitz: Rechtsordnung und Ethik der Solidarität
4 Seiten | Autor: Christine Weckwerth
Zieht man Standardwerke zur Rechts- und Philosophiegeschichte zu Rate, wird man über Arthur Baumgarten (1884-1966) nicht viel erfahren. Baumgarten, einst ein namhafter Rechtstheoretiker, der Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts als einer der wenigen seiner Zunft positiv an die angloamerikanische Tradition des Pragmatismus anschloss, verschwand nach dem Zweiten Weltkrieg weitgehend aus dem Theoriediskurs, und zwar im Westen wie im Osten. Auf westlicher Seite befremdete vor allem seine Annäherung an sozialistische Positionen sowie sein Entschluss, nach dem Krieg in die SBZ und spätere DDR überzusiedeln – mehr als diese Übersiedlung irritierte die westdeutschen Juristen-Kollegen nach Gerd Irrlitz wohl, dass Baumgarten dieses Land nicht wieder verließ. Baumgarten wurde bewusst ins Vergessen geschickt, welche Zurücksetzung in der Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft und Philosophie bis heute anhält. Auch auf östlicher bzw. marxistischer Seite verhielt man sich zunehmend kritisch zu Baumgarten, seine moralphilosophische und metaphysische Argumentation passte nicht ins dogmatische Schema des Marxismus- Leninismus. Der sozialliberale Denker stand offensichtlich zwischen den Fronten, was sich paradigmatisch an der Publikation seiner großen Philosophiegeschichte aus dem Jahr 1945 zeigte: Dieses Werk fand in der Schweiz keinen Verlag mehr, in der DDR durfte die ausgedruckte Neuauflage 1950 nicht erscheinen und wurde eingestampft. Baumgarten, der seine Schweizer Staatsbürgerschaft nie aufgegeben hat, blieb bis zu seinem Tod dennoch in der DDR, was angesichts der realsozialistischen Entwicklung und seiner verminderten wissenschaftlichen Publikationstätigkeit einen tragischen Zug in sich barg.
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