Das Gespenst der Aktienkultur oder das Behagen in der Unkultur

7 Seiten | Autor: Katherine Stroczan

Die Börse führt uns an den Anfang, an die Urszene der Naturbeherrschung zurück, in die vorgeschichtliche Zeit, deren Leitstruktur in der Prognose der Naturerscheinungen lag. In der prähistorischen Ära musste aus Mangel an Instrumentarium die Naturprognose scheitern. Nicht anders verhält es sich mit der Prognose an den Finanzmärkten, und es ist kein Zufall, dass Bewegungen der Märkte wie Naturphänomene erlebt werden, wobei einem Krach der Stellenwert einer Naturkatastrophe zukommt. Denn die Anlegerhorde funktioniert nach den Gesetzmäßigkeiten der Urhorde. Analog zum Urmenschen, der hinter einem Busch versteckt ununterbrochen Gefahren auflauerte, ist der „Homo Investor“ mit seiner chronischen Bedrohtheit beschäftigt. Fehlte dem Urmenschen eine ausgebaute Naturbeherrschung und die Beherrschung der inneren Natur, nämlich der Triebhaftigkeit, so verfügte er immerhin über diverse Ersatzstrukturen in Form von Magiern, Regenmachern und Ereignisbeschwörern. Alle diese das Überleben sichernden Funktionen, mit denen eine Matrix der Transparenz und Ordnung in einer unverständlichen, eigenwilligen und unkontrollierbaren Welt hergestellt werden sollte, dienten der Voraussage von Ereignissen und deren Bedingungen. Da sich Finanzmärkte wie die unbeherrschte Natur benehmen, ist es einleuchtend, dass die Prognose der Fetisch der Börsenhorde ist.

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Erschienen in
Berliner Debatte 2 | 2009
Wege aus der Krise
158 Seiten

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