Georg Lohmann: Indifferenz und Gesellschaft

„Mit Marx gegen Marx“ lautet das Motto. Letztendlich also geht es gegen Marx, nur daß es seine eigenen Gedanken sind, die gegen ihn aufgeboten werden? Es ist angenehm zu sehen, wie der Text vom Motto abweicht. Wo Georg Lohmann Marxsche Intentionen aufnimmt, ist er nicht einfach mit Marx, geht er nicht schlicht mit Marx konform, und wo er Grenzen der Ausführung jener Intentionen markiert, tut er das nicht einfach gegen Marx, nicht im Gegensatz zu dessen Lust am grüblerischen Zweifel etwa. Lohmanns Text ist eine „Vergewisserung“ – diese Formulierung aus dem Vorwort scheint mir die treffendere Selbstbeschreibung abzugeben. Der Autor will sich der Marxschen „Entfremdungs- und Verdinglichungstheorie“ kritisch vergewissern. Ich bin mir nicht sicher, ob es überhaupt möglich ist, sich einer Marxschen „Verdinglichungstheorie“ zu vergewissern, schließlich kommt das Wort „Verdinglichung“ bei Marx so gut wie nicht vor, die Ankündigung aber, sich Marxscher Theorien kritisch vergewissern zu wollen, wirkt auf mich anziehend. Zu den Konnotationen von „Vergewisserung“ gehören „Gewissen“ und „Gewissenhaftigkeit“. Der logische Ort der Vergewisserung liegt irgendwo zwischen Wissen und Gewissen. Eine kritische Vergewisserung Marxscher Theorien dürfte daher nichts zu tun haben mit der gängigen Bilderstürmerei, ebensowenig auch mit dem anderen Extrem, mit dem trutzigen Bergungseifer.

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Erschienen in
Berliner Debatte 3 | 1993
Marxismus - und keine Ende?
128 Seiten

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