Berliner Debatte Initial 6 | 2006

Prekäre Identitäten

Herausgeber: Harald Bluhm

105 Seiten

„Identität“ ist ein Begriff, der ohne attributive Qualifikation, ohne Reflexion des unbeständigen Status und jenseits näherer Beschreibung kaum Konturen gewinnt. Diese Einsicht eint die unter dem Titel „Prekäre Identitäten“ versammelten Artikel. Tanja Bürgels dichter Aufsatz setzt beim Selbstverständnis der „Generation Praktikum“ an. Diese Generation ist von allgemeiner Verunsicherung erfaßt und in Ostdeutschland überlagert die Erfahrung des ökonomischen Umbruchs seit den 1990er Jahren mit der Vereinigungskrise und der Globalisierung – um zwei Stichworte zu geben – die Freiheitserfahrungen des politischen Umbruchs von 1989. Exemplarisch werden bei den Studenten integrationswillige „Erfolgreiche“ Abbrechern und Aussteigern gegenübergestellt. Im Ost-West-Vergleich zeigt sich dann, daß innerhalb der Gruppe der Erfolgreichen im Osten die Krisenwahrnehmung tiefer ausgeprägt ist als bei Jugendlichen aus dem Westen. Auch Mirko Punken untersucht Differenzen zwischen der jüngeren Generation in Ost- und Westdeutschland, und zwar mit Rückgriff auf die Rolle familialer Kulturen bei der Interpretation historischer Ereignisse. Er betont ihre Filterfunktion und zeigt, daß so Kontinuität und Identität, aber auch Differenz gestiftet werden kann. Henrik Pontzen und Thomas Schindler unternehmen eine Soziologisierung von Rortys philosophischem Identitätskonzept. Als Kernproblem gelten die aporetischen Fallen strategischer Identität – sowohl in der Binnenperspektive von Selbstkonzeptionen, die dem Imperativ eines „Sei authentisch“ folgen, als auch jenen der Fremdzuschreibung, die zur Authentizität auffordern. Nur ein dynamisches Verständnis könne den Fallen beider Anmutungen, die ein Authentischsein erschweren, theoretisch entkommen; praktisch läuft dies auf ein reflektiert ironisches Selbstverhältnis hinaus.

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