DSS-Arbeitspapiere 24 | 1996

Was des Volkes Hände schaffen soll des Volkes eigen sein

ISSN 1436-6010 | 104 Seiten

Der Volksentscheid in Sachsen zur Enteignung der Kriegs- und Naziverbrecher war eine winzige Episode in der deutschen Geschichte (... wenn schon die DDRGeschichte insgesamt nur eine Fußnote gewesen sein soll; aber immerhin bestimmte sie für eine Generation das ganze bewußte politische Leben!). Lohnt es für Jüngere, sich an diese Episode zu erinnern? Wenn ja, welche Fragen wären aus der Sicht von heute zu stellen? Unsere Meinung ist: Es gibt eine Reihe von Fragen, die sich mit der Vereinigung, d.h. der Kolonialisierung der DDR, nicht erledigt haben, sondern erst jetzt politische Brisanz erhalten. War der Volksentscheid in Sachsen 1946 ein Akt oder Schritt der „Sowjetisierung“, wie Hermann Weber und andere westlich der Elbe behaupten, oder war er eine demokratische Entscheidung im Interesse der Volksmehrheit, wie Stefan Doernberg, Otto Köhler und andere DDR-Historiker nachwiesen und wie wir Älteren in Sachsen es erlebt haben? Waren KPD/SED Willensvollstrecker des Kreml, die einen „Teufelspakt“ eingingen (wie uns sogar die Silvesterkolumne 1995 im ND einhämmerte), oder standen sie in der Tradition der deutschen Arbeiterbewegung, vom Erfurter Programm der SPD von 1891 bis zum Prager Manifest 1934 mit Willy Brandts Unterschrift? Wurde mit dem Volksentscheid ‘Naturrecht’ oder gar ‘göttliches Recht’ verletzt, oder war er ein Schritt zu sozialer Gerechtigkeit und Gleichheit? Oder gar christliches Gebot? Beseitigte der Volksentscheid wenigstens zeitweilig und territorial begrenzt die Wurzeln des Krieges, oder bricht nunmehr erst die Ära des Friedens an, nachdem das Volkseigentum in der DDR wieder durch Monopole und Banken ersetzt wird – ohne daß das Volk gefragt wird?

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