Wenn Zukunft zu optimierter Gegenwart verkommt
12 Seiten | Autor: Stephanie Freide, Thomas Jung
Zukunftsentwürfe durchziehen die Literaturgeschichte wie Tweets das digitale Zeitalter. Als Utopien melden sie paradiesische Zustände, als Dystopien schlagen sie Alarm. Den Ausgang bildet hier wie da eine Diagnose der Gegenwart. Davon findet sich in Eugen Ruges Roman „Follower“ (2016) zuhauf. Im Mittelpunkt des Erzählens aber stehen der Mensch und sein Verhältnis zur Welt und zu sich selbst – mal als Herrschender über Technik, Kultur und die eigene Natur, mal als Beherrschter, der der Technik oder einer anonymen ökonomischen und/oder politischen Macht ausgeliefert ist. Heute scheint diese Trennung von Herrschendem und Beherrschtem nicht mehr trivial. Kapitalismus- und globalisierungskritische Analysen der Soziologie, Philosophie und Kulturwissenschaften legen Herrschaftsmechanismen offen, die sich scheinbar unbemerkt in das Selbst einschreiben. Es geht um Optimierung, Effektivierung und Quantifizierung des Individuums. Es geht um Selbstausbeutung. Selbstinszenierungspraktiken inklusive. Herrschende sind gleichzeitig Beherrschte. Sie wohnen im selben Haus. Ihre Untermieter sind Algorithmen, ihre Nachbarn Follower.
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