Die Julikrise von 1914
5 Seiten | Autor: Jürgen Angelow
Im Juli 1914 gab sich die europäische Diplomatie gravierenden Täuschungen über die Funktionen und Spielräume des Staatensystems hin. Das hatte schwerwiegende Folgen. Es hatten sich konkurrierende Wahrnehmungs- und Handlungsebenen herausgebildet, die eine Lösung politischer Krisen und strittiger Fragen in den internationalen Beziehungen behinderten. Die Folge war, dass die Politiker aneinander vorbeiredeten und auch -handelten. Zwar existierte noch immer das System der privilegierten fünf, später sechs europäischen Großmächte, das sich seit dem Wiener Kongress (1814/15) oft als Rahmen für Konfliktlösungen erwiesen hatte, doch hatte sich seine Fähigkeit, gefassten Beschlüssen auch Sanktionen folgen zu lassen, nach und nach aufgezehrt. Ob dieses System noch belastbar war, war fraglich. Zeitgemäß war es im Zeitalter der Globalisierung und Demokratisierung jedenfalls nicht mehr. Mittlerweile war das internationale System als eine konkurrierende Handlungsebene entstanden. Die Konfliktlinie verlief nun zwischen der traditionellen, einzelstaatlich basierten Diplomatie der Großmächte sowie einer neuen international verflochtenen und auch gesellschaftlich breiter verankerten Diplomatie.
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