Natalia Ginzburg
8 Seiten | Autor: Anna Charlotte Thode
Das Schreiben der italienischen Schriftstellerin Natalia Ginzburg (1916–1991) wird als Erzählen eines einfachen Alltagslebens rezipiert, dessen Sprache auf das Wesentliche reduziert ist und das oft die hoffnungslose Existenz des Einzelnen innerhalb einer familiären Schicksalskonstellation zum Gegenstand hat. Die Erzählerinstanzen in ihren Texten enthalten sich dabei jeglicher Wertung. Die Betrachtung von Alltäglichem und Nichtalltäglichem scheint häufig von Dichotomien geprägt: privat/öffentlich, unwesentlich/wesentlich, weiblich/männlich. Laut Solte-Gresser gelte es bei der wissenschaftlichen Betrachtung des Alltäglichen, diese Dichotomien zugunsten einer Betrachtung aufzugeben, die auf die Verschränkungen der beiden Dimensionen abhebt. In der Literaturwissenschaft wird die literarische Bearbeitung von Alltäglichkeit als ein ästhetischer Wahrnehmungsund Darstellungsmodus aufgefasst. Alltag bildet also im allgemeinen Verständnis die Folie, vor der sich das Ungewöhnliche, Ereignishafte vollzieht, das die eigentliche Handlung in der fiktionalen Welt vorantreibt. Erst durch den Hintergrund des Alltags wird das ereignishaft Hereinbrechende zu etwas Ungewöhnlichem, Außergewöhnlichem. Im Werk von Ginzburg wird jedoch das Alltägliche selbst zum Gegenstand. Es stellt sich dabei die Frage, ob das Alltägliche nicht nur Erfahrungsraum, sondern auch Erkenntnisraum sein kann. Im Folgenden soll anhand ausgewählter Textbeispiele der Frage nachgegangen werden, welche Funktion die nüchterne, kommentarlose Alltagsdarstellung im Werk von Natalia Ginzburg erfüllt. Es handelt sich dabei zweifelsohne um die Aufforderung an den Leser, angesichts der scheinbaren Klarheit zwischen den Zeilen zu lesen und die Komplexität des Impliziten und Konnotierten zu reflektieren.
PDF: 3,40 €
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