Hoher Besuch
2 Seiten | Autor: Attila Király
Wenn ein neuer Mann (das gilt auch für entsprechende Frauen) an die Spitze des Staates oder der Regierung tritt, macht er Besuche im Ausland. Allerdings hatte schon der chinesische Philosoph Laotse im 6. Jahrhundert v. u. Z. festgestellt: „Auch der längste Marsch beginnt mit dem ersten Schritt.“ Es gibt immer nur einen ersten Schritt, bereits der zweite ist nicht mehr der erste. So kann auch ein Staatsoberhaupt nur einen ersten Auslandsbesuch machen. Dafür gibt es nach historischer Erfahrung zwei Varianten. Nummer eins: Der Fürst eines abhängigen Landes macht zuerst dem Oberherrn seine Aufwartung. So reisten einst ein neuer Fürst der Walachei zuerst zur Hohen Pforte nach Istanbul, ein neuer Regierungschef Westeuropas nach Washington und ein neuer Generalsekretär aus Osteuropa nach Moskau. Oder, Variante zwei: Das Haupt des einen Landes besucht das des Nachbarlandes, und sie ehren sich gegenseitig durch diesen Besuch. Im Zuge der Renovatio Imperii Romanorum im Jahre 1000 reiste so Kaiser Otto III. nach Gnesen, um dort den polnischen Piasten-Fürsten Boleslav I. Chobry zu treffen und ihn als „königlichen Bruder“ mit einem kaiserlichen Diadem auszuzeichnen. Damit war die christlich-katholische Welt mit Rom als Zentrum weit nach Osten erstreckt. Heute ist das weit profaner, gleichwohl pflegt eine erste Auslandsreise von Kanzlerin oder Außenminister zuerst nach Frankreich oder nach Polen zu führen.
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