Kritik an einem Ideal der Weimarer Republik: Das Motiv des Boxers in László Moholy-Nagys Sport-Fotomontagen

15 Seiten | Autor: Joann M. Skrypzak

Im Jahr 1924 fertigte der Bauhaus-Lehrer László Moholy-Nagy mit „Boxen„ und „Adam Sportartikel„ zwei Versionen einer Fotomontage an, die besondere Beachtung verdienen, weil er sich mit ihnen von den eher idealistischen oder utopischen Darstellungen weg hin zu den Realitäten der Sportkultur in der Weimarer Republik und speziell denen des Boxens wandte. In diesen Arbeiten veranschaulicht der Boxer nicht Moholy-Nagys Ideal des „ganzen Menschen„, ein utopisches Wesen, das ein natürliches Gleichgewicht von psychischen, physischen und emotionalen Fähigkeiten besitzt, die es durch ein breites Spektrum an Erfahrungen statt durch enge, spezialisierte Ausbildung entwickelt hat, vielmehr ist er hier weniger durch selbstbestimmtes Handeln als durch äußere Umstände gekennzeichnet. Im Unterschied zur bisherigen Forschung, in der Moholy-Nagys Sportbilder als Teil einer allgemeineren Begeisterung für die Weimarer Sportbewegungen verstanden wurden, behaupte ich, dass „Boxen„ und „Adam Sportartikel„ eine tiefergehende Untersuchung dieses Phänomens vornehmen. Mit Humor und Biss portraitieren diese Arbeiten den Boxer unter gesellschaftlichen und politischen Bedingungen, welche die Integrität von Moholy-Nagys „ganzem Menschen„ verkomplizierten oder gar gefährdeten. Dennoch sollten wir Moholy- Nagys Boxer nicht als eine Antithese zu seinem utopischen Ideal betrachten, sondern als eine Figur, die Aspekte der Weimarer Kultur erhellt, die dessen Verwirklichung im Wege standen. Eine Untersuchung der zwei Werke im Vergleich mit Arbeiten anderer zeitgenössischer Künstler und im Kontext der Sportgeschichte, von Ereignissen und Diskursen der Zeit hilft zu entdecken, wie Moholy-Nagy mit ihnen breitere gesellschaftliche Realitäten und Ängste visualisierte und zugleich didaktische Zwecke verfolgte.

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