Architektur und Geschichtspolitik
16 Seiten | Autor: Dominik Scholz
Die Meinungen zum Nikolaiviertel im Herzen Berlins gehen bis heute auseinander. Für viele Berlin-Besucher ist das Gebiet zwischen Rotem Rathaus, Spree und Mühlendamm ein beliebtes Altstadtquartier, das mit seinen zahlreichen gastronomischen Angeboten zum Verweilen in historischem Ambiente einlädt. Unter Stadthistorikern, Denkmalpflegern und Autoren von Reiseführern dagegen wird das Stadtviertel teils belächelt, teils offen für seinen dort gepflegten laxen Umgang mit historischer Originalsubstanz kritisiert. Dieser Artikel verfolgt demgegenüber einen anderen Ansatz: Als Prestigeprojekt des SED-Politbüros hat das Bauensemble seine heutige Form in den 1980er Jahren erhalten, als es unter dem Architekten Günter Stahn für die 750-Jahr- Feier der östlichen Stadthälfte zum zentralen Festort hergerichtet und fast komplett neu erbaut worden ist. Die Gegend, in der Berlin seinen Ursprung hat, war dafür prädestiniert. Sie erhielt jedoch keine Rekonstruktion eines einheitlichen Originalzustands einer bestimmten Epoche, sondern war explizit ein Neubau, der ausgewählte historische Bezüge aufweisen sollte. Es handelt sich somit um einen Ort, der viel über die offizielle Sichtweise der DDR-Führung auf die eigene Geschichte verrät – und mehr noch: Das historisierende Nikolaiviertel ist ein Ort, so die These dieses Artikels, an dem Geschichte für politische Zwecke instrumentalisiert worden ist. Es ist Ausdruck einer Geschichtspolitik, die mit architektonischen Mitteln betrieben worden ist.
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