Die Wende des Jahres 1929 und die Alternative Bucharins
20 Seiten | Autor: Gennadi Bordjugow, Wladimir Koslow
Anfang der zwanziger Jahre hatte sich Lenin dafür entschieden, die NÖP „ernsthaft und für lange Zeit“ einzuführen, und dieser Standpunkt wurde damals auch von der Mehrheit der Parteiführung vertreten. Jedoch alle, die über das Schicksal der NÖP in Rußland nachdachten, angefangen bei Lenin und Trotzki bis hin zu Kautsky und den Smena-Wech-Leuten, sahen in ihr die Gefahr des „Thermidors“, der kleinbürgerlichen Konterrevolution, oder einer „stillen“ Restauration des Kapitalismus. Auch die hervorragenden sozialökonomischen Ergebnisse in den ersten Jahren der Neuen Ökonomischen Politik konnten das Bewußtsein .dieser Gefahr nicht verdunkeln. Sie blieb eine überaus wichtige Dominante im Denken. der kommunistischen Vorhut, ein ständiges Argument in den innerparteilichen Auseinandersetzungen und im ideologischen Kampf. Dieses Arguments bedienten sich Lenin und Trotzki, Bucharin und Stalin, Sinowjew und Kamenew, Rykow und Preobrashenski. Und wenn heute eine der grundlegenden Fragen unserer Geschichte nach der Oktoberrevolution häufig darauf hinausläuft, wie es möglich und warum es nötig gewesen wäre, die NÖP fortzuführen, so stand für die Zeitgenossen der NÖP das Problem im Vordergrund, wie man den mit dieser Politik verbundenen Gefahren ausweichen und zugleich die ihr innewohnenden Möglichkeiten einer sozialistischen Entwicklung des Landes maximal nutzen konnte. Ungeachtet ihrer sehr unterschiedlichen Auffassung der NÖP waren sich ausnahmslos alle Parteiführer darin einig, daß es am Ende des Bürgerkrieges bei uns zwei Hauptklassen gab - die Arbeiter und die Bauern - und daß zu Beginn der zwanziger Jahre eine „halbe Klasse“ dazukam. ·Letztere - die sogenannte dritte Kraft - war die neue Bourgeoisie, die potentielle Trägerin von Restaurationstendenzen. Außerhalb dieses Kontextes kann man die Geschehnisse am Ende der zwanziger Jahre überhaupt nicht verstehen.
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