„Ergriffenheit“ als Medium und Gegenstand der Kulturkritik bei Frobenius und De Martino
25 Seiten | Autor: Antonio Roselli
„Das aus Ergriffenheit geborene und somit Lebende erstarrte zur Begrifflichkeit; es starb im ‚Gedachtsein‘.“ Dieser Satz liest sich als Konzentrat von Leo Frobenius’ Kulturtheorie und liefert das Grundmuster seiner Kulturkritik. Den Ausgangspunkt bildet das Konzept der Ergriffenheit, welches in den ästhetischen, religionswissenschaftlichen und ethnologischen Diskursen der Weimarer Republik eine starke Konjunktur erfährt. Frobenius’ Verständnis von Kultur in Analogie zu lebenden Organismen, worauf die im Eingangszitat verwendete Metaphorik von Geburt und Tod sowie der Gegensatz von Leben und Erstarren verweisen, bildet die Voraussetzung für seine geschichtsphilosophische Konstruktion und die Verbindung von Ergriffenheit und Kulturkritik. Dies wird besonders in den nach dem 1. Weltkrieg verfassten Arbeiten deutlich, etwa in Paideuma. Umrisse einer Kultur- und Seelenlehre (1921) und Kulturgeschichte Afrikas. Prolegomena zu einer historischen Gestaltlehre (1933). Nach einer einleitenden Skizze zu den allgemeinen Konturen des Konzepts der Ergriffenheit werde ich dessen spezifische Ausprägung in Frobenius’ Kulturmorphologie – besonders mit Blick auf dessen kulturkritische Implikationen – rekonstruieren. Dabei werden das Verhältnis von Ergriffenheit, Ausdruck und Anwendung, die Relation von Wirklichkeit und Tatsache und die damit verknüpfte Gegenwartsdiagnose im Vordergrund stehen. Im letzten Teil werde ich am Beispiel des italienischen Ethnologen und Religionshistorikers Ernesto De Martino eine Gegenposition darstellen. Seine Kritik am Konzept der Ergriffenheit und an Frobenius findet sich nicht nur in seinen theoretischen Arbeiten, sondern auch in seiner Verlagstätigkeit und seinen kulturpolitischen Stellungnahmen.
PDF: 1,80 €
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