Zum ideologischen Nachlaß des Realsozialismus
9 Seiten | Autor: Peter Furth
Der Kalte Krieg ist mit der Niederlage des Sowjetkommunismus zu Ende gegangen. Wie ist diese Niederlage zu interpretieren? Das ist die alles beherrschende gegenwärtige Frage. Manche meinen, es sei eine überflüssige Frage, weil die Geschichte, die den Antagonismus entschieden habe, die Antwort mitliefere, die Sieger sorgten dafür, indem sie den Unterlegenen die Bedingungen ihrer Zukunft diktierten. Aber das ist wohl immer eine zu einfache Sicht. Schon die Bibel gab zu bedenken: Die Ersten werden die Letzten sein, in den Siegen stecken Niederlagen und in den Niederlagen möglicherweise Siege. Selbst wenn es sich um Niederlagen nach totalen Kriegen in der Dimension des „unconditional surrender“ handelt, ist die Realisierung der Niederlage mehr und anders als der angestrebte Sieg. Erst recht verhält es sich so, wenn es sich, wie in diesem Falle, um Eskalationsniederlagen handelt, die bei aller Endgültigkeit noch ein Moment von Unbestimmtheit an sich haben, weil die symbolische und institutionelle Ratifizierung fehlt und die Niederlage von den Betroffenen selbst in Regie genommen wird. Bei solchen Niederlagen, die nicht aus physischer Überwältigung, sondern aus der rationalen Anerkennung von Kräfteverhältnissen hervorgegangen sind, ist der Kampf mit der Beendigung des Antagonismus nicht zu Ende, sondern geht als Kampf um die Interpretation der Entscheidung weiter. Allerdings liegt bei diesem Kampf der Interpretationen, der zum Vollzug von Niederlagen gehört, der Akzent nicht auf dem Kampf, sondern auf der Interpretation. Das ist ein Sachverhalt, der chancenreich, aber auch tief problematisch ist.
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