Utopie

Kommunismus – Zukunftsentwurf oder vergangene Realität?

13 Seiten | Autor: Ulrich Busch

Über den Kommunismus wird heute wieder ernsthaft diskutiert. Nicht unbedingt als Sofortlösung für die ökonomischen, sozialen und ökologischen Probleme der Gegenwart, aber doch als seriöse Option, gesellschaftliche Alternative und Perspektive für die menschliche Gesellschaft. Während auf kurze bis mittlere Sicht noch die Überzeugung überwiegt, auf den Kapitalismus nicht verzichten zu können, stellt sich dies langfristig anders dar: Im Kontext von Großer Transformation, Postwachstumsgesellschaft und Postkapitalismus ist die kommunistische Idee als Alternativkonzept und Zukunftsszenario erneut im Gespräch. Ulrich Busch argumentiert, dass die Rückkehr des Kommunismus in den sozialtheoretischen und politischen Diskurs seine Reformulierung als Gesellschaftsmodell verlangt. Dabei kann zwar an frühere Ideen, Utopien und Theorien, Experimente und Erfahrungen angeknüpft werden. Dies aber immer unter Berücksichtigung der Tatsache, dass diese Reflex und Resultat anderer Zeiten, anderer Zustände und anderer Möglichkeiten waren.

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Erschienen in
Berliner Debatte 4 | 2022
Schwächen der Linken
135 Seiten

Mars_Menschen_Medien

Der Nachbarplanet als Sphäre kultureller Selbstvergewisserung um 1900

14 Seiten | Autor: Alexander Wagner

Alexander Wagner unterscheidet zwei Perspektiven auf den Mars aus der Zeit der vorletzten Jahrhundertwende und geht der Frage nach, wie stark der Nachbarplanet der Erde innerhalb der um 1900 noch anhaltenden Marseuphorie als Projektionsfläche und damit zur Selbstvergewisserung über terrestrische Formen von Wissensgenese auf verschiedenen Gebieten instrumentalisiert wurde. Im ersten Fall erläutert das Medium Hélène Smith ihrem männlichen Aufschreibesystem Théodor Flournoy, seinerseits Professor für Psychologie an der Universität Genf, an der Jahrhundertschwelle wichtige gesellschaftliche Zusammenhänge über das Leben auf dem Mars, architektonische und landschaftliche Besonderheiten, die Regeln des Zusammenlebens und besonders das dortige Sprach- und Schriftsystem und lotet damit einen Bereich zwischen Pathologisierung und selbstermächtigter weiblicher Diskurshoheit gegenüber der wissenschaftlichen Autorität des renommierten Professors aus. Der Mars wird ihr dabei, als programmatische Zone des Unbekannten, zum Experimentierfeld einer neuen Autonomie, auf dem sie als Medium selbst zum Teil zur wissenden Außerirdischen werden kann. In anderer Richtung besucht der Marsianer Passyrion in Paul Oswald Köhlers Reisebericht im Stil von Montesquieus „Lettres Persanes“ (1721) die Erde, das Wilhelminische Deutschland genauer gesagt, und sammelt dort in der Manier eines Volkskundlers wichtige Erkenntnis über das Fremde, um anschließend in einer Vorlesung an der Universität des Mars davon zu berichten.

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Erschienen in
Berliner Debatte 4 | 2021
Weltall Erde Mensch
156 Seiten

Der auf der Erde gestrandete Marsianer (1924)

Mit dem im Oktober 1920 vollendeten und 1924 veröffentlichten Poem über den auf der Erde gestrandeten Marsianer greift Alexander Bogdanow das in der Roman-Utopie „Der rote Stern“ (1907) und im phantastischen Roman „Ingenieur Menni“ (1912) entwickelte Thema der konfliktreichen Begegnung von Vertretern der irdischen und der Marszivilisation auf. Seinen Zeitgenossen war Bogdanow, der eigentlich Alexander Malinowski (1873–1928) hieß, auch unter den Pseudonymen Mirski und Doktor Werner bekannt, denn er gehörte neben Georgi Plechanow und Wladimir Lenin zu den produktivsten, wenngleich nicht einflussreichsten Theoretikern der russischen Sozialdemokratie. Sein Gedicht veröffentlichen wir in neuer Übersetzung, nachgedichtet von Stefan Döring und kommentiert von Wladislaw Hedeler.

Schlagworte: Kosmos | Mars | Utopie | Sozialismus | Sowjetunion

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Erschienen in
Berliner Debatte 4 | 2021
Weltall Erde Mensch
156 Seiten

Kommunismus im Weltall?

Zur politischen Ökonomie utopischer Welten

9 Seiten | Autor: Bernd Kulawik

Bernd Kulawik diskutiert in diesem Essay, welche Typen ökonomischer Systeme in den Zukunftswelten populärer Science-Fiction-Literatur und -Filme dargestellt werden. In Dystopien scheinen Großkonzerne u. ä. bzw. expansive, aggressive, gierige Gesellschaften oder Gruppen eine auslösende oder zumindest entscheidende Rolle für den jeweils behandelten Konflikt zu spielen. Im Unterschied dazu scheinen Utopien Konflikte höchstens episodenhaft zu behandeln und kapitalistische Verwertungszusammenhänge nahezu komplett auszublenden. Dies zeige sich insbesondere in der (virtuellen) Absenz des Geldes oder ähnlicher Tauschäquivalente. Auch die nach heutigen Maßstäben prohibitiven Kosten interstellarer Reisen oder auch nur regelmäßiger Reisen innerhalb unseres Sonnensystems scheinen keinerlei Bedeutung zu haben, unterliegen in diesen Welten also wohl nicht kapitalistischen Verwertungszusammenhängen.

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Erschienen in
Berliner Debatte 4 | 2021
Weltall Erde Mensch
156 Seiten

Dem Wunschtraum entgegen

Kosmosbegeisterung in der Sowjetunion

15 Seiten | Autor: Matthias Schwartz

Kosmosbegeisterung hatte in der Sowjetunion in der Tauwetterzeit unter Nikita Chruschtschow eine zentrale Ventilfunktion für die Gesellschaft, sowohl kommunistische Visionen für die nahe Zukunft zu formulieren als auch fantastische und utopische Wunschträume von anderen Lebens- und Gesellschaftsformen zu artikulieren. Matthias Schwartz rekonstruiert in diesem Essay die kulturpolitischen und publizistischen Debatten der 1950er und 1960er Jahre vor allem anhand von populärwissenschaftlichen Zeitschriften, die in jener Zeit zu einem wichtigen Medium der Beschäftigung mit dem Weltall und der Raumfahrt wurden. Dabei spielten Erörterungen und Spekulationen über interplanetare Kontakte, vernunftbegabte Wesen aus dem All oder außerirdische Zivilisationen eine wesentliche Rolle, um auch über den Zustand der eigenen Gesellschaft zu reflektieren. Insbesondere die sowjetische Science-Fiction, die Wissenschaftliche Fantastik, entwickelte sich in dieser Periode zu einer beliebten Literaturgattung, in der auch sozialkritische, philosophische und moralische Fragen und Probleme teils in allegorischer und verschlüsselter Form dargestellt werden konnten, die ansonsten verschwiegen und marginalisiert wurden. Der Essay geht solchen ambivalenten Wunsch- und Angstträumen anhand von exemplarischen Lektüren näher nach und zeigt deren Nachleben bis die Gegenwart des postsowjetischen Russlands auf.

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Erschienen in
Berliner Debatte 4 | 2021
Weltall Erde Mensch
156 Seiten

„Solaris“: Eine Deutung aus translatorischer Perspektive

14 Seiten | Autor: Annett Jubara

„Solaris“ (1972) von Andrei Tarkowski sollte die sowjetische Antwort auf Stanley Kubricks „2001: Odyssee im Weltall“ (1968) werden: ein unterhaltsamer wissenschaftlich-fantastischer und nationaler Prestige-Film, mit dem sich die sowjetische Nation als „kosmonautische“ positioniert und der amerikanischen „astronautischen“ als ebenbürtig gegenübertritt. Es mag Ironie des Schicksals sein, dass dieser als Prestige-Projekt geplante Film bei seiner Fertigstellung die Signatur des Autorenfilms trug und weder auf unkomplizierte Weise unterhaltsam war noch eine naive propagandistische Wirkung entfaltete. Vielmehr präsentiert er einen filmischen Diskurs, der kulturphilosophische und -kritische Elemente enthält. Er bezieht sich auf die Romannovelle „Solaris“ von Stanislaw Lem, die den Drehbuchautoren Andrei Tarkowski und Friedrich Gorenstein als Vorlage diente. In den Prozess der Entstehung des Films im weitesten Sinne waren somit die Werke zweier Autoren involviert – des Romanautors und des Filmautors. Doch nicht deren Kunstwille bildet hier den Zugang zu dem künstlerischen Dialog beider Werke. Vielmehr betrachtet Annett Jubara Tarkowskis Film als Übersetzung des Romans. Mit „Übersetzung“ meint sie die intersemiotische Übersetzung (nach Roman Jakobson) des Textes der wissenschaftlich-fantastischen Erzählung in den Film als Text. Der inhaltliche Hauptakzent bei diesem translatorischen Deutungsversuch liegt auf den kulturkritischen Elementen beider erzählerischer Diskurse; vor allem auf ihrer Stellungnahme zum wissenschaftlich-technischen Fortschritt, die sich in ihrer Haltung zum damals aktuellen „Aufbruch in den Kosmos“ konkretisiert.

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Erschienen in
Berliner Debatte 4 | 2021
Weltall Erde Mensch
156 Seiten

Berliner Debatte Initial 4 | 2021

Weltall Erde Mensch

Kosmosutopien im 20. und 21. Jahrhundert
Herausgeber: Thomas Müller

ISBN 978-3-947802-74-6 | ISSN 0863-4564 | 156 Seiten

„Was heute noch wie ein Märchen klingt, kann morgen Wirklichkeit sein“, heißt es am Anfang von „Raumpatrouille“, der westdeutschen Science-Fiction-Serie aus dem Jahr 1966. Für die Zukunftsvisionen einer Menschheit, die ins Weltall fliegt, außerirdische Lebensformen sucht und andere Planeten besiedelt, hat sich in Literatur, Film und bildender Kunst das Genre der Science-Fiction etabliert. Kosmosutopien, Fantasien vom Aufbruch ins Weltall, vom Leben an einem ganz anderen Ort, fernab von der Erde, sind zugleich Inspirationsquellen für Wissenschaft, Philosophie, Politik oder Wirtschaft – als Spekulationen, Gedankenexperimente, Heuristiken etc. Der Themenschwerpunkt „Weltall Erde Mensch“ spiegelt astrofuturistische Träume und Sehnsüchte des 20. und 21. Jahrhunderts wider und gibt Auskunft über ihre Geschichte. Natürlich gilt auch für Kosmosutopien der Gemeinplatz, den Stanisław Lem in seiner „Summa technologiae“ zitiert: „Nichts ist so schnell veraltet wie die Zukunft.“

Außerhalb des Schwerpunkts erfahren Sie mehr darüber, wieso der deutsche Punkrock seit den 1990er Jahren ein Imageproblem hat, weshalb der sowjetische Schriftsteller Andrej Platonow mit seinem Romanfragment „Der makedonische Offizier“ große Literatur schuf und warum wir Schlagworte wie „DDR-Philosophie“ nicht leichtfertig gebrauchen sollten.

Hier finden Sie eine Leseprobe dieser Ausgabe: Leseprobe Weltall Erde Mensch

Inhalt

Digitaler Humanismus

Jenseits von Utopie und Dystopie

13 Seiten | Autor: Karoline Reinhardt

Utopie und Dystopie liegen im Reden und Schreiben über Digitalisierung und Künstliche Intelligenz nah beieinander. Karoline Reinhardt stellt der digitalen Dystopie, nach einer Darstellung der Gleichzeitigkeit von utopischen und dystopischen Momenten, den Entwurf eines digitalen Humanismus entgegen. Ausgehend von Fromms „Humanismus als reale Utopie“ verteidigt sie das Primat des Menschen in der Digitalisierung. Es geht ihr dabei nicht um eine überzeitliche oder essentialistische Vorstellung vom Menschen und auch nicht um die Wiederbelebung eines unzeitgemäßen Bildungsideals. Ein digitaler Humanismus nimmt statt dessen die Vielfalt der Menschen ernst, stellt sich der Rede von einem Trans- und Posthumanismus entschieden entgegen sowie einem Verständnis von Moral als bloßem „Rechenproblem“. Schließlich betonen Vertreter*innen eines digitalen Humanismus den Akteurscharakter des Menschen, seine Moralfähigkeit und seine Urteilskraft.

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Erschienen in
Berliner Debatte 1 | 2020
Digitale Dystopien
168 Seiten

Digitale Dystopien utopisch aufheben – durch gesellschaftliche Aneignung

14 Seiten | Autor: Magnus Kulke, Christian Wadephul

Wer an konkrete Utopien glaubt, muss sich zwei grundsätzlichen Problemen stellen: Was als utopisch bzw. dystopisch zu gelten hat, ist erstens perspektivabhängig. Des einen Utopie, des anderen Dystopie, könnte man sagen. Zweitens ist immer ein Umschlagen von Utopie in Dystopie möglich. So schlägt algorithmische Objektivität in statistische Verzerrung, Fairness in algorithmenbasierte Diskriminierung um. Aus Demokratie und freiem Markt werden Überwachungskapitalismus und monopolistische Plattformökonomie. Doch wäre nicht auch ein Umschlagen vice versa möglich? Also von der fremdbestimmenden Kontroll-Dystopie in eine zu planende Utopie? Könnten neue digitale Technologien mit algorithmen- und datenbasierten Echtzeit-Verfahren bessere Lösungen für die ökonomischen Probleme unserer komplexen Gesellschaft liefern als die gute alte freie Marktwirtschaft? Welche Rolle spielt die Kybernetik für eine anzustrebende deliberative Wirtschaftsdemokratie? Diesen Fragen gehen Magnus Kulke, Christian Wadephul in diesem Artikel nach.

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Erschienen in
Berliner Debatte 1 | 2020
Digitale Dystopien
168 Seiten

LESEPROBE: „Homo digitalis“

Figurationen des Menschen zwischen Utopie und Dystopie

12 Seiten | Autor: Robert Feustel

Digitalisierung und künstliche Intelligenz sind in aller Munde. Beide scheinen gerade die Welt und alles, was sie bewegt, grundlegend neu zu sortieren, inklusive eines anthropologischen Selbstbildes. Es ist die Zeit des „homo digitalis“. Utopische oder dystopische Perspektiven dominieren, es gibt wenig dazwischen: Entweder droht uns ein „technologischer Totalitarismus“ oder die baldige Lösung aller Probleme steht ebenso bevor wie das digitale Himmelreich. Dazwischen gibt es wenig. Robert Feustel rekonstruiert in diesem Aufsatz, welchen längeren Linien diese Debatten folgen und welcher Voraussetzungen es bedarf, um die Digitalisierung als allumfassendes Phänomen zu begreifen. Dabei zeigt sich, dass die utopischen und die dystopischen Aussichten ganz ähnlich sind: Sie teilen die Annahme eines digital funktionierenden Menschen, der verlustfrei vernetzt oder nachgebaut werden kann.

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Erschienen in
Berliner Debatte 1 | 2020
Digitale Dystopien
168 Seiten