2007

Krieg, Vertreibung und Transnationalisierung

Erinnerungen und Identitätskonstruktionen bei den äthiopischen Nuer

11 Seiten | Autor: Christiane Falge

Die Gesellschaft der größtenteils als Rindernomaden lebenden Nuer ist auf Grund ihres dezentral organisierten politischen Systems, das sich auf ein segmentäres Verwandtschaftssystem stützt, in der Ethnologie sehr bekannt geworden. Sie gehört zu den wenigen Gesellschaften, denen Führerschaft relativ wenig bedeutet, die aber über ein verschachteltes Verwandtschaftssystem einen recht hohen Grad sozialer Kohäsion erreichen. E.E. Evans- Pritchards 1943 erschienenes Buch „The Nuer“ machte sie als „Archetyp“ einer „traditionalen“ Gesellschaft bekannt, in der „nackte Wilde“ scheinbar ungestört einen nomadischen Lebensstil in ländlichen Gebieten pflegen. Mittlerweile haben der Krieg im Südsudan und globale Einflüsse die Nuer in Nachbarländer und in die westliche Welt verstreut, wo sie als Vertriebene, Flüchtlinge und Migranten mit der Urbanisierung sowie neuen Werten und Verhaltensweisen konfrontiert werden und sich zu einer transnationalen Gesellschaft gewandelt haben.

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Erschienen in
Berliner Debatte 3 | 2007
Erinnerungen an Gewalt
112 Seiten

Die Deportation der Kalmücken unter Stalin

Vergessenes und Erinnertes in Schüleraufsätzen

10 Seiten | Autor: Elza-Bair Guchinova

Am Anfang der Massenrepressalien in der UdSSR stand die Abrechnung mit den „Volksfeinden “ innerhalb der KPdSU. Dann erfaßten sie diverse soziale Gruppen: die Kulaken, die Geistlichen und die sogenannten „Ehemaligen“, d.h. Funktionsträger des alten, zaristischen Regimes. Schließlich gingen die Repressalien auf ethnischer Grundlage weiter. Mehr als 15 Völker wurden aus ihren angestammten Territorien ausgesiedelt, einige davon vollständig: Rußlanddeutsche (1941), Karatschaier (1943), Balkaren (1943), Kalmücken (1943), Tschetschenen (1944), Inguschen (1944) und Krimtataren (1944).

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Erschienen in
Berliner Debatte 3 | 2007
Erinnerungen an Gewalt
112 Seiten

„Wohin gehören wir?“

Jüdisch-gemischte Verwandtschaft und die Brüche im Europa des 20. Jahrhunderts

12 Seiten | Autor: Stephan Feuchtwang

„Wohin gehören wir?“ ist die Frage für mich und die anderen, die ich hier vorstellen möchte. Wir alle leben in Familien mit jüdischen und nichtjüdischen Traditionen. Zwei jüdische Imperative erfordern unsere Aufmerksamkeit. Der eine ist das Gebot der Erinnerung an unser Jüdischsein, was in kontrastiven Geschichten (history) erfolgt – zum einen in der biblischen Geschichte, nach der wir vertraglich an Gott gebunden sind, wie auch immer das zu interpretieren ist, und zum anderen in der Geschichte der christlichen Zivilisation, daß wir in Familien leben, die antisemitischen Angriffen ausgesetzt sind. Der andere Imperativ ist das bekannte Prinzip der Vererbung der jüdischen Identität durch die Mutter. Daher sind die Vorsitzenden Jüdischer Gemeinden oft beunruhigt über die Auflösung des Judentums durch Juden, die nichtjüdische Partner heiraten und sich dem Judentum nicht mehr zugehörig fühlen, und die Frage der Zugehörigkeit gleicht einer Interpellation: „Zu welcher Art Loyalität bin ich verpflichtet?“

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Erschienen in
Berliner Debatte 3 | 2007
Erinnerungen an Gewalt
112 Seiten

Spiel mit dem Terror?

Reflexionen über die Gewaltinszenierung eines ehemaligen kroatischen Kampfsoldaten

12 Seiten | Autor: Michaela Schäuble

„Sehe ich nicht genau wie Arafat aus?“ Marko lacht und wickelt sich eine kufiya, ein rot-weiß gemustertes Palästinensertuch, das seine Eltern von einer Pilgerreise aus Israel mitgebracht haben, um den Kopf. Er hat sich einen übertrieben großen schwarzen Schnurrbart angeklebt und trägt unter einer weißen Tunika seine tarnfarbene Armeehose und feste schwarze Armeestiefel. Auf den Rücken hat er sich eine aufwendig dekorierte Konstruktion geschnallt, die wie ein futuristisches Jet-Pack aussieht. Im Metallgestänge eines ausrangierten Rucksacks stecken senkrecht zwei Gaskartuschen, das Gestell ist mit batteriebetriebenen grün-rot blinkenden Lichtern einer Weihnachtsbeleuchtung des Vorjahres versehen. An den Gaskartuschen ist ein Pappschild angebracht, auf das er handschriftlich „Bok Amerika, pozdrav vašim blizancima! Vidimo se druge godine!“ („Hallo Amerika, Grüße an Eure Zwillingstürme! Wir sehen uns nächstes Jahr!“) geschrieben hat. Marko betrachtet sich noch einmal zufrieden im Spiegel und verläßt dann fröhlich pfeifend das Haus.

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Erschienen in
Berliner Debatte 3 | 2007
Erinnerungen an Gewalt
112 Seiten

Vom Lokalen zum Globalen

Zur postsozialistischen Transformation armenischer Erinnerungspraktiken

14 Seiten | Autor: Tsypylma Darieva

Im Frühjahr 2005 hingen an den Laternen im Stadtzentrum von Jerewan rot-schwarze Plakate, die den Berg Ararat zeigten und die englische Aufschrift „1915–2005 Recognition“. An großen Kreuzungen kündigten weiße Plakate, so auffällig wie riesige Reklametafeln, die internationale Konferenz „The Armenian Genocide“ an, die im April stattfinden sollte. Der Wetterbericht des lokalen TV-Senders wurde weit über die üblichen Grenzen hinaus ausgeweitet: Mehrere Tage gab es nicht nur Informationen zu Atmosphäre und Lufttemperatur in Krasnodar oder St. Petersburg, wie üblich, sondern auch zu den Städten Kars und Erzerum, die jenseits der – geschlossenen – Grenze zur Türkei liegen. Mit den alltäglichen Wetterbezeichnungen „warm“ und „kalt“, „sonnig“ und „wolkig“ bekam die armenische Identitätspolitik dieser Tage nicht nur eine neue Geographische, sondern eine neue rhetorische und moralische Dimension.

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Erschienen in
Berliner Debatte 3 | 2007
Erinnerungen an Gewalt
112 Seiten

Ethnologie und Gewalt: Erinnern und Vergessen

7 Seiten | Autor: Wolfgang Kaschuba im Interview

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Erschienen in
Berliner Debatte 3 | 2007
Erinnerungen an Gewalt
112 Seiten

Zur Inszenierung der Russischen Revolution

Neue Publikationen über Denk- und Glaubensgewohnheiten in Rußland nach dem Oktober 1917

3 Seiten | Autor: Wladislaw Hedeler

„Die Russische Revolution war (und blieb lange) nicht nur Projektionsfläche für Sehnsüchte und Ängste aller Art, sie inszenierte sich von Anfang an als Geschichte gewordener Mythos“, hebt Thomas Grob im Nachwort zu Iwan Bunins Tagebuchaufzeichnungen über die „verfluchten Tage“ aus den Jahren 1917 bis 1919 hervor. Die Bolschewiki wollten nicht nur Macht, sie wollten auch die Macht über die Zeichen. Davon, wie es ihnen gelang, diesen Anspruch zu verwirklichen, handelt die Studie von Malte Rolf über das sowjetische Massenfest. Beispiele dafür, wie Künstler und Literaten heute die Möglichkeiten nutzen, „die verbreiteten Interpretationen der sinngebenden, die Gemeinschaft oder den Staat stützenden Mythologeme umzudeuten und zu persiflieren“ (Zurück aus der Zukunft, 19), hat Boris Groys in einer Sammlung unter dem Titel „Zurück aus der Zukunft“ zusammengetragen.

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Erschienen in
Berliner Debatte 2 | 2007
Grundeinkommen
112 Seiten

Michel Foucault: Die Macht der Psychiatrie

Vorlesung am Collège de France 1973/74

3 Seiten | Autor: Hanno Sauer

Die Vorlesungen, die Michel Foucault vom November 1973 bis Februar 1974 am Collège de France gehalten hat, setzen die Geschichte des Wahnsinns – oder besser: des wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Umgangs mit dem Wahnsinn – dort fort, wo die „Histoire de la folie“ in den frühen 1960er Jahren ihren Gang unterbrochen hatte. Während „Wahnsinn und Gesellschaft“ die Geschichte der frühneuzeitlichen Trennung von Vernunft und Wahnsinn thematisierte, beginnen die Psychiatrie-Vorlesungen mit dem Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert und enden kurzvor der Entstehung der Psychoanalyse mit der Krise der Psychiatrie, die mit dem Namen Jean Martin Charcots und dessen Hysterie-Studien verbunden ist.

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Erschienen in
Berliner Debatte 2 | 2007
Grundeinkommen
112 Seiten

Siegfried Prokop: 1956 – DDR am Scheideweg

Opposition und neue Konzepte der Intelligenz

5 Seiten | Autor: Camilla Warnke

Zu der in diesem Buch thematisierten Etappe der DDR-Geschichte existiert mittlerweile eine Fülle von Untersuchungen. Auch die Reaktion der Intellektuellen auf den XX. KPdSU-Parteitag vom Februar 1956 ist längst Gegenstand engagierter Forschungsarbeit geworden. Ich verweise stellvertretend auf Werner Mittenzweis von Insiderwissen geprägte Monographie über die literarischen Intellektuellen1 und auf Guntolf Herzbergs materialreiche Studie von 2006, in deren Mittelpunkt die gesellschafts- und geisteswissenschaftliche Intelligenz steht. So ist zu fragen: Wodurch zeichnet sich Prokops Text vor den anderen Texten aus, bzw. was trägt er Neues zu unserem Wissen über diese Zeit bei?

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Erschienen in
Berliner Debatte 2 | 2007
Grundeinkommen
112 Seiten

Christoph Butterwegge: Krise und Zukunft des Sozialstaates

4 Seiten | Autor: Stephan Lessenich

Um es gleich vorweg zu sagen: Dieses Buch ist ein Ärgernis, und kein geringes. Es beginnt schon mit dem Titel: Wer eine wissenschaftliche Diagnose zur Krise des Sozialstaates als gesellschaftlicher Formation und eine daraus hervorgehende Prognose zu dessen (bzw. deren) Zukunft erwartet, wird schlecht bedient. Es geht in diesem Buch nicht um „den“, sondern ausschließlich um einen, nämlich den deutschen Sozialstaat, und es geht nicht um die produktive Analyse seiner Funktions-, Legitimations- und Finanzierungsprobleme, sondern vor allem anderen und letztlich eigentlich allein um dessen politische bzw. politisierende Verteidigung.

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Erschienen in
Berliner Debatte 2 | 2007
Grundeinkommen
112 Seiten