Sozialstaat

Die neue Umverteilung und das Dilemma des Sozialstaats

15 Seiten | Autor: Helga Schultz

Die Geschichte der sozialen Ungleichheit und des Sozialstaates standen in einem engen Zusammenhang. Der Sozialstaat bildete sich heraus infolge des „Europäischen Suizids“ im ersten Weltkrieg, in dessen Gefolge das Kapital entschieden geschwächt wurde und sozialistische Parteien an die Regierung kamen. Die sozialstaatliche Transformation des Kapitalismus war wesentlich für den Abbau der sozialen Ungleichheit und etablierte mit den politischen auch die sozialen Bürgerrechte der lohnabhängigen Schichten. Seit den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts gewannen in einer neoliberalen, postmodernen Wende gegenläufige Prozesse die Oberhand. Das Kapital feierte auf Kosten der Arbeit einen beispiellosen Wideraufstieg, die soziale Ungleichheit nahm Ausmaße an, wie sie um die Wende des 19. Jahrhunderts geherrscht hatten, und der Sozialstaat wurde zum Fürsorgestaat geschrumpft. Diese Wende gefährdet die sozialen und die politischen Bürgerrechte und höhlt die Demokratie aus. Nicht eine auf individuelle Verantwortung gegründete Zivilgesellschaft, sondern der auf Abbau von Ungleichheit gerichtete Sozialstaat wäre das Gegenmittel, ein Sozialstaat, der dem sozialen Strukturwandel und den übernationalen Integrationsprozessen Rechnung trägt.

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Berliner Debatte Initial 2 | 2015

25 Jahre Deutsche Einheit: Ostdeutschlands fragmentierte Integration

Herausgeber: Ulrich Busch | Raj Kollmorgen

ISBN 978-3-945878-01-9 | ISSN 0863-4564 | 146 Seiten

Die Herstellung der deutschen Einheit durch die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion am 1. Juli 1990 und den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik am 3. Oktober 1990 setzte im Osten Deutschlands einen umfassenden Adaptions-, Transformations- und Integrationsprozess in Gang, der alle Lebensbereiche erfasste. Der Vereinigungsprozess führte dabei im letzten Vierteljahrhundert nicht nur zu einer Umgestaltung der neuen Bundesländer, sondern ergriff, was in den ersten Jahren von wichtigen, vor allem westdeutschen Akteuren nicht gewollt und von vielen Beobachtern kaum gesehen wurde, die gesamte bundesrepublikanische Gesellschaft. Der aktuelle Themenschwerpunkt bilanziert die Entwicklungen der letzten 25 Jahre aus unterschiedlichen sozialwissenschaftlichen Perspektiven. Joachim Ragnitz fragt, ob die den Ostdeutschen 1990 versprochene und von diesen als selbstverständlich erwartete „Angleichung der Lebensverhältnisse“ in absehbarer Zukunft noch gelingen kann. Raj Kollmorgen untersucht in seinem Beitrag die Vertretung Ostdeutscher in den bundesdeutschen Eliten seit 1990. Udo Ludwig analysiert die Ursachen dafür, warum der Aufholprozess der ostdeutschen Wirtschaft seit einem Jahrzehnt kaum mehr vorankommt und sich die Leistungsrückstände der ostdeutschen Wirtschaft verfestigen. Ulrich Busch wendet sich in seinem Aufsatz der Vermögensentwicklung in Deutschland seit 1990 zu. Schließlich untersuchen Yve Stöbel-Richter, Markus Zenger, Elmar Brähler und Hendrik Berth, wie sich Familiengründungsmuster in Ostdeutschland seit 1990 verändert haben.

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