Kulturkritik

„Der Punkrock von heute hat ein Imageproblem“

Nonkonforme Konformisten in den 1990er Jahren

10 Seiten | Autor: Wolfgang Johann

Subkulturen lassen sich über Texte untersuchen, die konstitutiv und identitätsstiftend wirken wollen. Liedtexte, verstanden als Gebrauchstexte und als eine Sonderform des Gedichts, ermöglichen dabei indirekt die Beobachtung der Gesellschaft, welche in den jeweiligen Textlogiken entfaltet wird. Die (Jugend-)Subkultur des Punk beansprucht für sich oftmals einen Kontrapunkt zur gesellschaftlichen Realität einzunehmen, der vor allem habituell und mit kulturellen Codes von Widerstand und Subversion zum Ausdruck gebracht wird. Dass der Weltinterpretation, welche die Textlogiken entwerfen, ein nonkonformer Konformismus zugrunde liegt, welcher sich argumentativ und strukturell aus der kritisierten Gesellschaft speist, von der man sich absetzen möchte, legt Wolfgang Johann in diesem Artikel ausgehend von Theodor W. Adornos Ausführungen zur Kulturindustrie und den aktuellen literatursoziologischen Ansätzen von Didier Eribon dar.

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Erschienen in
Berliner Debatte 4 | 2021
Weltall Erde Mensch
156 Seiten

„Solaris“: Eine Deutung aus translatorischer Perspektive

14 Seiten | Autor: Annett Jubara

„Solaris“ (1972) von Andrei Tarkowski sollte die sowjetische Antwort auf Stanley Kubricks „2001: Odyssee im Weltall“ (1968) werden: ein unterhaltsamer wissenschaftlich-fantastischer und nationaler Prestige-Film, mit dem sich die sowjetische Nation als „kosmonautische“ positioniert und der amerikanischen „astronautischen“ als ebenbürtig gegenübertritt. Es mag Ironie des Schicksals sein, dass dieser als Prestige-Projekt geplante Film bei seiner Fertigstellung die Signatur des Autorenfilms trug und weder auf unkomplizierte Weise unterhaltsam war noch eine naive propagandistische Wirkung entfaltete. Vielmehr präsentiert er einen filmischen Diskurs, der kulturphilosophische und -kritische Elemente enthält. Er bezieht sich auf die Romannovelle „Solaris“ von Stanislaw Lem, die den Drehbuchautoren Andrei Tarkowski und Friedrich Gorenstein als Vorlage diente. In den Prozess der Entstehung des Films im weitesten Sinne waren somit die Werke zweier Autoren involviert – des Romanautors und des Filmautors. Doch nicht deren Kunstwille bildet hier den Zugang zu dem künstlerischen Dialog beider Werke. Vielmehr betrachtet Annett Jubara Tarkowskis Film als Übersetzung des Romans. Mit „Übersetzung“ meint sie die intersemiotische Übersetzung (nach Roman Jakobson) des Textes der wissenschaftlich-fantastischen Erzählung in den Film als Text. Der inhaltliche Hauptakzent bei diesem translatorischen Deutungsversuch liegt auf den kulturkritischen Elementen beider erzählerischer Diskurse; vor allem auf ihrer Stellungnahme zum wissenschaftlich-technischen Fortschritt, die sich in ihrer Haltung zum damals aktuellen „Aufbruch in den Kosmos“ konkretisiert.

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Erschienen in
Berliner Debatte 4 | 2021
Weltall Erde Mensch
156 Seiten

Kulturkritik

Schwierigkeiten mit einem Begriff

11 Seiten | Autor: Wolfgang Geier

Mit der Verwendung des Kompositums Kulturkritik entstehen Schwierigkeiten – nicht mit dem Bestandteil Kritik, wohl aber mit jenem der Kultur, und mit der Klärung, was Kultur ist und was hier durch wen, wie und warum kritisiert werden soll. Auf welche Gebiete der Kultur erstreckt sich die Kritik? Geht es um gesellschaftliche Sachverhalte, die aus kultureller Sicht einer kritischen Betrachtung unterzogen werden? Sind Bildung und Anwendung eines solchen Kompositums überhaupt sinnvoll? Welche sind seine kategorialen und methodischen Kriterien? Gerät eine Kulturkritik, durch wen woran auch immer geübt, nicht in die Nähe ideologischer Vor- und Nachurteile, subjektiver Dikta ohne objektivierbare Relevanz und Validität? Die Schwierigkeiten beginnen mit dem Kulturbegriff. In keiner anderen europäischen Sprache erscheint er, wenn er überhaupt mehr oder weniger eineindeutig vorkommt, in derartigen Unschärfen wie im Deutschen, verstärkt durch Kompositabildungen, die in andere Sprachen nicht übersetzbar sind. Oder wie sollte man Absonderlichkeiten wie Anpassungs-, Streit-, Verweigerungs- und Wutkultur ins Englische oder Finnische übersetzen? Außer solchen Unsinnigkeiten gibt es solche, die sich anspruchsvoller gebärden: Im Januar 2010 fand in Leipzig eine wissenschaftliche Diskussion zu kuratorischer Kultur – so die Ankündigung der Veranstalter – statt. Das Ergebnis bestand darin, dass sich die Teilnehmer darin bestätigten, noch nicht genau zu wissen, wovon hier eigentlich die Rede sein sollte – obwohl über kuratorische Kultur stundenlang geredet worden war.

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Erschienen in
Kultursoziologie 1 | 2017
Kulturkritik
122 Seiten

Was ist und was soll Kulturkritik?

Eine Einführung

Kulturkritik ist allgemein zu begreifen als eine diagnostisch und therapeutisch motivierte Beurteilung von menschlichen Gesellschaften, Gemeinschaften und Gruppen. Kultur ist dabei sowohl der normative Standpunkt der Kritik an diesen Einheiten – die gemäß diesem Standpunkt als noch nicht oder als wieder nicht kultiviert auszuzeichnen sind – als auch das Objekt, auf das sich Kritik bezieht – die verkommene Gegenwartskultur dieser Einheiten vs. eine „Idealkultur“. Kulturkritik hat ihren Ursprung in einer exklusivierenden Distinktionstechnik elitärer oder sich selbst als elitär verstehender Zirkel, die den aktuell gegebenen und sich fortan abzeichnenden Abfall von einem Kulturideal beklagen. Deren Mitglieder können sich folgend kritisch, auch herablassend über „die anderen“ äußern und führen Unterscheidungen wie eigen vs. fremd ein, um das aus ihrer Sicht eigentlich Kultivierte, das perspektivisch bestimmte Hochkulturelle hervorzuheben – und das andere, Massenkulturelle bzw. Populärkulturelle, zu ächten. Dafür suchen sie Kultur von als schädlich erachteten Einflüssen und Erträgen zu reinigen und von Verdorbenem zu befreien. Dies tun sie, ohne sich selbst von dem Kritisierten schlechthin absondern zu können, wie Adorno bemerkt: „Dem Kulturkritiker paßt die Kultur nicht, der einzig er das Unbehagen an ihr verdankt. Er redet, als verträte er sei’s ungeschmälerte Natur, sei’s einen höheren geschichtlichen Zustand, und ist doch notwendig vom gleichen Wesen wie das, worüber er sich erhaben dünkt.“ Angesichts ihrer elitären oder vermeintlich elitären, somit einer minderheitlichen Herkunft überrascht es nicht, dass Kulturkritiken oft keine starke Mobilisierungskraft auf Mehrheiten entfalten; zumindest qua Definition und anfänglich.

Schlagworte: Kulturkritik | Gesellschaft | Politik

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Erschienen in
Kultursoziologie 1 | 2017
Kulturkritik
122 Seiten

Kultursoziologie 1 | 2017

Kulturkritik

ISBN 978-3-945878-50-7 | ISSN 0944-8101 | 122 Seiten

Kulturkritik ist als eine diagnostisch und therapeutisch motivierte Beurteilung von menschlichen Gesellschaften, Gemeinschaften und Gruppen zu begreifen. Eingedenk dieser allgemeinen, präzisionsbedürftigen Bestimmung ist zu ergründen, worauf sich derlei Kritik genau beziehen kann und woraus sie ihre Geltung speist. Mit einem Call for Papers rief die Kultursoziologie auf, sich mit dem Status quo und mit Fällen gegenwärtiger Kulturkritik auseinanderzusetzen. Die hiermit vorliegenden Beiträge belegen die Lebendigkeit und Mannigfaltigkeit dieses Themas.

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