Gregor Balke

Comedy der Empörung

Über komische Inszenierungen sozialer Erregung

15 Seiten | Autor: Gregor Balke

Anders als viele populärkulturelle Formate – die mit ihrer Inszenierung empörenswerte (wahre) Ereignisse verarbeiten – widmen sich die Comedy-Serien „Seinfeld“ und „Curb Your Enthusiasm“ der Empörung als sozialem Phänomen. Der Beitrag zeigt, wie diese Serien mit durchaus soziologischem Gespür Alltäglichkeiten inszenieren, die durch normative Verletzungen bzw. Regelverstöße erschüttert werden. Empörung ist dabei gleichsam das komische Korrelat, das sich aus diesen Erschütterungen ergibt. Gerade am Beispiel oft nichtiger und banaler Konflikte, die sich hier auf der Face-to-Face-Ebene der Protagonist*innen entfalten, wird Empörung als normative Resonanz anschaulich. Mit der inszenatorischen Pointe, dass sich die Kontingenz des Sozialen – in stets variierter Gestalt empörter Mitmenschen – letztlich immer gegen die Protagonist*innen wendet. „Seinfeld“ und „Curb Your Enthusiasm“ werden in dem Beitrag als populärkulturelle Beobachtende zweiter Ordnung interpretiert, die – weil sie Situationen sozialer Erregung im Alltag unterhaltungswirksam inszenieren – selbst ironisch gebrochene Interpretationen von Empörungspraktiken bieten. Das hat den Effekt einer Empörungsentlastung: weil die Plots zuweilen so grotesk sind, ermöglichen sie für die Zuschauenden ein befreites Rezeptionserlebnis, das allein auf der fiktiven Empörung der Figuren basiert.

Schlagworte: Fernsehserie | TV | Komik | Comedy

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Erschienen in
Berliner Debatte 2 | 2020
Skandal und Empörung
172 Seiten

Fernsehen und Kulturkritik

Soziologische Konturen einer selbstreflexiven Mediendeutung

17 Seiten | Autor: Gregor Balke

Seit es das Fernsehen gibt, wird es lebhaft kritisiert. Kulturkritik und Fernsehen stehen sich gemeinhin als Antipoden gegenüber. Gewöhnlich wendet sich der kulturkritische Blick eher abfällig dem Fernsehen zu – nämlich nach unten. Höhe und Tiefe verweisen als räumliche Kategorien gleichsam auf die kulturelle Wertschätzung innerhalb einer Gesellschaft, die sich in der Dichotomie von U- und E-Kultur ein gängiges Referenzsystem geschaffen hat, das Orientierung versprechen soll – mit dem (vorläufigen) Ergebnis, dass das Fernsehen als Unterschichtenmedium und „Blödmaschine“ gilt. Der schlechte Leumund des Fernsehens ist derart verbreitet, dass er sich in das Medium und seine Selbstwahrnehmung längst eingeschrieben hat. Was sich etwa daran zeigt, dass ein Pay-TV-Anbieter wie HBO in den USA jahrelang mit dem Slogan warb: „It’s not TV, it’s HBO.“ Ein Empfangsgerät überhaupt zu besitzen, scheint in nicht wenigen sozialen Kreisen zumindest so anrüchig zu sein, dass der eigene fernsehlose Haushalt immerhin eine Erwähnung in geselligen Runden wert ist und die Propagierung der televisuellen Leerstelle als Distinktionsmittel taugt. Das Fernsehen kritisch zu sehen, gehört zum gesellschaftlichen Mainstream wie zur Tradition der Kulturkritik seit Mitte des 20. Jahrhunderts. Doch das Fernsehen ist nicht nur ein Medium, das gesehen wird (etwa von der Kulturkritik), es sieht auch selbst. Es ist nicht allein die passive „Erzählmaschine“, die unter dem kulturkritischen Blick verurteilt werden kann. Vielmehr ist diese Erzählmaschine selbst ein gesellschaftlicher Akteur, der massenmediale Öffentlichkeiten erschafft und deshalb auch distanziert, skeptisch, ironisch, fragend, entlarvend, verachtend, spöttisch, kurzum: kulturkritisch agiert.

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Erschienen in
Kultursoziologie 1 | 2017
Kulturkritik
122 Seiten