Arbeit und Anmut des Boxens

Der Boxer eignet sich zum Helden verschiedener Weltsichten. Radikale können in ihm den unerschrockenen Kämpfer für Freiheit und Gerechtigkeit erblicken, den Rebellen gegen das Establishment und die Ausbeutung, deren Zeichen er sichtbar und stolz trägt. Konservative bevorzugen den Garanten von Recht und Gesetz, die starke, ordnende, Unbotmäßige notfalls strafende Hand. Liberale schätzen den flexiblen Unternehmer, der sein eigenes, körperliches Kapital riskiert, um sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen, und auf authentische Weise – körperlich und direkt – die Chancen des freien Wettbewerbs demonstriert. Diese Vorbilder mischen sich leicht. So ist der junge Herausforderer nicht dagegen gefeit, einmal nach oben gelangt, allein die Bedingungen seiner Regentschaft zu diktieren und schnell selbst zum Despoten zu werden. Ebenso vertragen sich konservative und liberale Vorbilder gut. Etwa, wenn der Berufsboxer als Alternative zum Sozialhilfeempfänger, zum Abhängigen von Wohlfahrt und Staat erscheint – Mike Tyson, der Bürgerschreck, kann sich immerhin zugute halten, daß seine Kinder einmal nicht auf Sozialhilfe angewiesen sein werden. Neokonservative und Neoliberale treffen sich dort, wo sie unter der Losung „weniger Staat!“ Märkte deregulieren, Sozialleistungen kürzen und zugleich den „starken Staat“, also „mehr“ Staat, fordern, um die wenig Wettbewerbsfähigen oder -willigen besser kontrollieren zu können, damit sie auf die Verunsicherung ihrer Lebensverhältnisse nicht ihrerseits mit Störungen der bürgerlichen Ruhe und Ordnung antworten. Das wiederum kann dem Bild des „starken Mannes“ als Überwinder der Kluft von Recht und Gerechtigkeit Auftrieb geben. Usf.

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Erschienen in
Berliner Debatte 1 | 2001
Arbeit und Anmut des Boxens
173 Seiten

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