Interdisziplinär oder quer?

Bericht über den Versuch, ein Institut für Geschlechter- und Sexualforschung an der Berliner Humboldt-Universität zu gründen

8 Seiten | Autor: Bert Thinius

'Im Berliner Telefonbuch wird irgendwo zwischen Institut für Altlastensanierung und Institut für Vitaltraining auch ein Institut für Sexualforschung ausgewiesen. Aber wer die dort angegebene Zahlenkombination wählt, hört eine konservierte Stimme sagen: "kein Anschluß unter dieser Nummer''''. Was diese Stimme seit einem Jahr plappert (seitdem das Centrum für Sexualwissenschaft, von dem der Eintrag im gelben Buch stammt, umgezogen ist), bekamen Mitglieder der Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft, die sich seit 1982 für die Wiedereinrichtung des von den Nazis zerstörten Berliner Instituts einsetzen, sinngemäß von allen "zuständigen Stellen" zu hören. In einer 1987 herausgegebenen Denkschrift resümierten sie: "Wir haben zwar erreichen können, daß das frühere Berliner Institut für Sexualwissenschaft mittlerweile der Vergessenheit entrissen wurde, aber mit unserem Anliegen, ein solches Institut in Berlin wiederzuerrichten, sind wir bisher auf wenig mehr als unverbindliches Wohlwollen gestoßen. So hält der Westberliner Senat die Wiedererrichtung zwar prinzipiell für wünschenswert, aber nicht für so vordringlich, daß angesichts der aktuellen Haushaltssituation Gelder dafür zur Verfügung gestellt werden sollten ... "Obwohl damals fast 20 Berliner Beratungseinrichtungen, Arbeitsgruppen und Projekte einen dringenden Bedarf an sexualwissenschaftlicher Lehre und Forschung bekräftigten, signalisierten auch die beiden Westberliner Universitäten: kein Interesse. "Sexualität soll erforschen, wer damit Probleme hat. Wir haben sie nicht." So wurde das Ansinnen im damaligen Präsidialamt der Freien Universität kommentiert.'

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Erschienen in
Berliner Debatte 6 | 1992
Postsowjetische Reflektionen
122 Seiten

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